TV-Natur-Dokumentarserien, 24. Folge:
Die brandneue Naturdokumentation von BBC earth Planet Erde II
Planet Erde II, das derzeit jüngste BBC-Produkt auf dem Markt, welches hierzulande unter dem erweiterten Titel „Eine Erde – viele Welten“ firmiert, steht inhaltlich wie auch technisch in der langen Tradition herausragender britischer Naturdokumentationen. So begeisterte die BBC bereits im Jahr 2004 mit ihrer damals noch in Standard-Auflösung produzierten Serie Unser blauer Planet, welche seinerzeit übrigens auch den Naturdokureigen auf Cinemusic.de (als Artikel Nummero zwo) mit eröffnete.
Dabei markiert der 2006 erschienene Vorläufer des aktuellen Produkts, Planet Erde, durch seine mit Hilfe der nie stillstehenden technischen Entwicklungen zustande gekommenen brillanten Aufnahmen sicherlich einen weiteren Meilenstein. Dazu bildet Planet Erde II alles in allem sowohl eine Fortsetzung als zumindest in weiten Teilen auch ein Remake. Im Umfang gegenüber dem Vorläufer mit sechs Folgen ein Stück bescheidener angelegt, werden ein weiteres Mal tierische Lebensräume erkundet: Neben Inseln, Bergwelten, Dschungel, Wüsten und Graslandschaften geht’s zum reizvollen Finale in die von diversen Tierarten mittlerweile für sich eroberten Lebensräume in den großen Metropolen. Dafür bleiben dieses Mal die Unterwasserwelten komplett ausgespart.
Was ist aber nun neben ein paar Novitäten wie den 2014 entdeckten Araguaia-Delfinen im Amazonas-Regenwald oder den oftmals verblüffenden Überlebensstrategien mancher Tierarten im Dschungel moderner Großstädte wirklich so neuartig? Mit Hilfe neuer und leichterer Spezialkameras, darunter auch Drohnen ist man den Tieren, deren Verhalten man natürlich möglichst ungestört beobachten will, dieses Mal nicht nur per Teleobjektiv, sondern in besonderem Maße mit Hilfe so genannter, für die Tiere völlig harmloser „Kamerafallen“ außergewöhnlich nahe gekommen. Das sind unauffällig platzierte Kameras, die „spionieren“ und dabei aus der Ferne gesteuert und teilweise auch sich selbst überlassen Bilder nur dann speichern, wenn die gewünschten „Stars“ vom Objektiv erfasst werden. Erstmalig wurde auch mit tragbaren kreiselstabilisierten Cineflex-Kameras gearbeitet, die selbst in turbulenten Situationen noch extrem ruhige, wackelfreie und zwischenzeitlich auch hochauflösende Bilder liefern. Diese konnten zuvor infolge ihres Gewichts ausschließlich auf Autos oder Hubschraubern montiert eingesetzt werden. Ebenso neuartig ist die Verwendung militärischer Wärmebildkameras, von denen inzwischen Nachtbilder von außergewöhnlicher Qualität erhalten werden. Allein mit deren Hilfe konnten etwa die Gewohnheiten der durch das nächtliche Mumbai streifenden Leoparden ermittelt werden.
So ermöglichten weiter verbesserte Techniken im Verbund mit einem veränderten (Regie-)Ansatz, dass die eingefangenen Bilder ihre „Geschichten“ auf Augenhöhe mit und damit quasi aus dem Blickwinkel der jeweiligen Tierspezies erzählen. Der sensationelle Kampf zweier seltener Schneeleoparden im Himalaja konnte entsprechend so eingefangen werden, als sei man selbst fast unmittelbar am Geschehen. Dank ungewöhnlicher Perspektiven erscheint aber auch das bereits zuvor in ähnlicher Form Gesehene in vielem doch neuartig, auch weil die dramatische Wucht des Gezeigten jetzt nochmals erheblich gesteigert worden ist. Das Ergebnis ist daher von ungemein packender und mitreißender Wirkung. Die stark von atmosphärischen Passagen und Geräuschmontagen durchsetzte Filmmusik ist außerdem zusammen mit dem reißerisch-effektvollen Schnitt und der entsprechenden Montage dabei behilflich, dem Gezeigten auch eine gehörige Portion Kintopp zu verleihen. Den Showeffekt à la Hollywood kann und sollte man durchaus genießen – siehe auch Afrika – Das magische Königreich. Man kann diesen aber auch etwas kritisch sehen: Immerhin könnten nämlich die grandiosen, unterm Strich jedoch meist etwas zu einseitig schönen Bildeindrücke den stark gefährdeten Zustand unseres Heimatplaneten allzusehr vergessen lassen.
Das Score-Album von Hans Zimmer & Co.
Gab’s zum Serien-Vorläufer noch von der inzwischen verschwundenen EMI ein Doppel-CD-Album mit Musik von George Fenton, hat diesen Part nun Silva Screen übernommen und präsentiert mit planet earth II wiederum eine Doppel-CD mit annähernd gleicher Spielzeit von rund zweieinviertel Stunden. Zwar firmiert Hans Zimmer ganz groß auf dem Cover. Allerdings ist er ausschließlich für das Thema zur Serie verantwortlich. Zwei seiner Mitarbeiter bei „Remote Control Productions“ (ehedem „Media Ventures“) haben den Löwenanteil der Arbeit an dieser Serienvertonung übernommen. Und das Ergebnis ist kaum überraschend: Orchestrale Sounds, vom Chamber Orchestra of London stammend, sind zumeist versehen mit mehr oder weniger ausgeprägter synthetischer Verstärkung, in Kombination mit der so vertrauten, häufiger wummernden Media-Ventures-Rhythmik. Im manchmal schon etwas soßig erscheinenden musikalischen Programm werden teilweise (verfremdete) Naturgeräusche eingesetzt, um den Bildern ein möglichst rassiges akustisches Pendant zu verleihen. Zusammen mit den Bildern funktioniert das in der Regel durchaus, wofür etwa die absolut spannende, fast schon wie für ein Action-Movie inszeniert wirkende, rasante Jagd eines Rudels Galapagosnattern auf einen frisch geschlüpften Leguan ein überzeugendes Beispiel abgibt. Ohne Bild hingegen überzeugt das längst nicht immer gleichermaßen, und über die gesamte Spieldauer kommt es gerade in den betont atmosphärischen Passagen zu diversen Durchhängern. Dass es sehr elegant auch rein orchestral und ohne Geräuschmontagen gehen kann, belegt eindrucksvoll das feine Dokumentarfilmmusik-Album zu Yellowstone – Legendäre Wildnis, komponiert von Edmund Butt.
Insbesondere für Freunde von Hans Zimmer, aber auch für die von der Serie begeisterten, welche ein klingendes Souvenir möchten, funktioniert der Albumschnitt, insbesondere in Form individuell gestrafft zusammengestellter Suitenfassungen zweifellos. Ein ausführliches Probehören ist via Internet problemlos möglich.
Planet Erde II auf Blu-ray
Das aktuelle Hochglanz-Naturprodukt der BBC- Naturdokumentationen kommt als Doppel BD-50-Set im vertrauten, durchaus feinen Pappschuber daher. Die sechs Einzelfolgen werden erfreulicherweise ungekürzt, also in der originalen BBC-Schnittfassung präsentiert. Im sehr ansprechend aufgemachten Set ist außerdem ein schön bebildertes und zugleich informatives 20-seitiges Begleitheft mit enthalten.
Produziert wurde erstmals in Ultra-HD, d.h. in 4K-Auflösung inklusive HDR (High Dynamic Range), was sowohl für ein erweitertes Kontrastverhältnis als auch für einen erheblich größeren Farbraum steht. Analog zum Umkopieren von 70-mm- auf 35-mm-Film besitzt Ultra-HD vergleichbare qualitative Reserven, welche auch abwärts, etwa datenreduziert (komprimiert) ins 2K-Blu-ray-Format und selbst noch bei den gegenwärtigen HD-TV-Ausstrahlungen mit „nur“ 720p, zumindest ansatzweise erkennbar bleiben. Im Bereich des Dokumentarfilms sind gelegentliche Inkonsistenzen beim Bild kaum völlig zu vermeiden, da ja nicht unter perfekten Studiobedingungen gearbeitet werden kann. Aber derart wenige mit dezenten Mängeln wie leichter Unschärfe behaftete Einstellungen wie hier, das habe ich zuvor noch nicht gesehen. Ebenso bemerkenswert ist auch die fast durchgehend vorhandene besondere Brillanz der sowohl sehr kontrastreichen als auch äußerst detailfreudigen sowie von vielfältigen und, wo geboten, in satten, leuchtenden Farben erstrahlenden Bilder. Das macht neugierig auf die für April angekündigte UHD-Blu-ray-Ausgabe.
Mit einer für eine Naturdoku außergewöhnlich aktiven und auch satten Surroundtonkulisse versorgt der in Deutsch und Englisch wählbare Tonmix im Format DTS-HD Master Audio 5.1. Naturfilmer-Legende Sir David Attenborough gibt im englischen Original den Kommentator. Christian Schult erledigt diese Aufgabe in der deutschen Fassung entsprechend adäquat.
Extras
In diesem Punkt hat man sich erfreulicherweise an den DVD-Ausgaben zum Vorläufer aus dem Jahr 2006 orientiert und jeder Folge ein knapp 10-minütiges „Diary“, und damit ein kleines, aber feines Making of zur Seite gestellt (OmU).
Das Begleitbuch zur Serie
Der sich durch diesen Abschnitt angesprochen fühlende Leser dürfte wohl bereits einige der vergleichbaren Bildbände des Frederking & Thaler Verlags in seiner privaten Bibliothek stehen haben. Auch der vorliegende Band reiht sich würdig in die Reihe edler Vorläufer-Publikationen ein, enttäuscht also keineswegs. Die wiederum edel bebilderte, dazu mit einer Fülle informativer Texte versehene, auch in der Materialauswahl kompetent zusammengestellte, insgesamt prächtige Veröffentlichung ist ein absoluter Hin- oder besser Hineingucker. Von Naturfilmer-Legende Sir David Attenborough stammt das ausführliche Vorwort mit mahnendem Schluss. Und überhaupt finden sich gerade in die Buchtexte eingestreut relativ viele Anmerkungen zum kritischen Zustand des Planeten Erde. Dies kommt nicht zuletzt im Kapitel „Städte“ zum Ausdruck. Das den Abschluss bildende Kapitel „Geschichten“ beleuchtet analog zu den „Diaries“ der Serienfolgen die einfallsreiche Machart und damit den großen Aufwand und die außerordentlichen Mühen, die sich hinter der visuellen Pracht verbergen.
Wer also das Gesehene neben High-Tech-Video-Präsentation zusätzlich gern auch nochmals durch ein edel aufgemachtes Buch angehen mag, der liegt hier voll und ganz richtig. Was dabei mit den Reiz ausmacht ist, dass die Leserperspektive sich eben doch merklich von der des TV-Zuschauers unterscheidet. Der aktuelle Band hat übrigens gegenüber dem ebenfalls sehr zu empfehlenden zu „Planet Erde“ in der Höhe nochmals um rund einen Zentimeter zugelegt und damit bei mir zugleich eine Grenze überschritten: Er passt nämlich nicht mehr aufrecht ins Bücherregal und kann daher nicht einfach hochkant daneben ein Plätzchen finden.
Fazit: Die Masse der tierfilmbegeisterten Zuschauer wird zweifellos auch von Planet Erde II: Eine Erde – viele Welten absolut hingerissen sein. Dass die bildgewaltige Serie einen weiteren Meilenstein im Kanon der modernen Naturdokumentationen bildet, dürfte ebenfalls unstrittig sein. Dass sie allerdings die fatalen Folgen des rücksichtslosen menschlichen Handelns, wodurch binnen Jahrzehnten viele Lebensräume entweder bereits verschwunden sind oder zumindest deutlich an Qualität eingebüßt haben, weitgehend ausblendet, bleibt schon etwas fragwürdig. Diesen ebenso kaum bestreitbaren Schwachpunkt sollte der an diesem Hochglanzprodukt der BBC Interessierte nun zwar nicht ausblenden: Er sollte sich die atemberaubende Reihe jedoch keinesfalls entgehen lassen.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.
Mehrteilige Rezension:
Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu: