Mulan (reguläre CD)

Geschrieben von:
Marko Ikonić
Veröffentlicht am:
8. Januar 2000
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Mulan

Das Produktionsteam von Mulan, Disneys sechsunddreißigstem abendfüllenden Zeichentrickfilm, kann sich glücklich schätzen, Jerry Goldsmith als Komponisten gewonnen zu haben. Obwohl in jeder denkbaren Hinsicht ein alter Hase, hatte Goldsmith vor Mulan erst einen anderen Animationsfilm, die sehr sehenswerte Mäusegeschichte The Secret Of N.I.M.H. • Mrs. Brisby und das Geheimnis von N.I.M.H., mit Musik ausgestattet.

An die Klasse seiner Musik für die eben genannte Produktion des Disney-Konkurrenten Don Bluth von 1982 reicht der aktuelle Mulan-Score zwar nicht ganz heran, aber auch bei diesem zweiten Animationsfilm-Auftrag gibt Goldsmith sich keine Blöße. Während die gut anhörbaren Songs von Matthew Wilder hauptsächlich das kindgerecht Komische und klischeehaft Chinesische abdecken, ist Goldsmiths orchestrale Musikuntermalung in Stil und Konzeption kaum von seinen Arbeiten für Realfilme zu unterscheiden. Und das ist auch gut so.

Die Filmmusikästhetik für ein Zeichentrickabenteuer mit ernsthaften dramatischen Aspirationen, das unter Umständen über deutliche gesellschafts- oder zeitkritische Subtexte verfügt und somit nach Möglichkeit auch Erwachsene ansprechen soll, unterscheidet sich ja insofern von der „gewöhnlicher“ Realfilme, als die Musikuntermalung genrespezifisch eine noch wichtigere Rolle im dramaturgischen Gesamtkonzept einnimmt als üblich. Vor allem die Musik kann dazu beitragen, den gezeichneten Vorgängen im Bild Charakter zu verleihen, Lebensnähe und Authentizität zu suggerieren. Mit ihrer Hilfe fällt es dem Zuseher leichter, emotionale Verbindungen zu Figuren einzugehen, die, so differenziert sie oft künstlerisch gestaltet sein mögen, am Ende eben doch nur buntes Gekritzel bleiben. Von den in vielen Fällen nicht einmal menschlichen Darstellern (The Secret Of N.I.M.H., An American Tail • Feivel, der Mauswanderer etc.) ganz zu schweigen, die, ihre wiederum sehr menschlichen Verhaltensweisen ausgeklammert, von sich aus nur sehr wenig Anknüpfungspunkte liefern, um sich mit ihnen zu identifizieren, mit ihnen die Handlung zu durchleben und zu durchfühlen. Hier vermag Musik mit dem ihr eigenen, direkten Zugang zum „Herzen“, zur „Seele“ – man nenne es wie man will – Erstaunliches zu leisten.

Die dramatische Geschichte rund um Fa Mulan, die ihrem invaliden Vater zu Liebe an dessen Stelle gegen die Hunnen in den Krieg zieht, rief nach einem großen, symphonischen Score mit asiatischem Touch. Solch hehren Motiven kann man wohl nicht mit musikalischem Minimalismus begegnen, was hörbar auch Jerry Goldsmith so sah, wenn man die opulenten Orchester- und Chorklänge betrachtet, die er zur Tonspur des Films beigesteuert hat.

Wie natürlich zu erwarten war, liegt beim offiziellen Disney-CD-Album der Schwerpunkt auf den Songs. Diese sind keinesfalls übel und liefern sogar einige ohrfällige Themen, die Goldsmith bereitwillig in seine eigene Arbeit übernimmt und gekonnt verarbeitet. Nur auf Track 5, „True To Your Heart“ von 98° und Stevie Wonder, hätte man getrost verzichten können. Was schon im Film so unpassend wirkt, muss nicht auch noch auf der CD verewigt werden. Die halbe Stunde instrumentaler Filmmusik reicht gerade dafür aus, einem das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen. Neben einer repräsentativen, für Konzertzwecke zusammengestellten Suite von 7 Minuten bekommt man im insgesamt halbstündigen Score-Anteil der CD aus allen Bereichen, aus Action, Romantik und „comic relief“, ein wenig zu hören, aber eben nicht sehr viel. So mancher wird der Ansicht sein, es sei bei weitem nicht genug.


Mehrteilige Rezension:

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Erschienen:
1998
Gesamtspielzeit:
51:34 Minuten
Sampler:
Disney
Kennung:
60631

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