Wendepunkt im Pazifikkrieg: Die Schlacht um Midway
Am 4. Juni 1942 wurde beim Pazifik-Atoll Midway innerhalb von nur fünf Minuten der zuvor ungebrochene Siegeslauf der Japaner durch die Versenkung dreier ihrer Schlachtschiffe beendet.
Durch ein Kommandounternehmen, den so genannten „Doolittle-Raid“, versetzten die Amerikaner Japan bereits zuvor einen vor allem das Prestige beschädigenden Nadelstich. Am 18. April 1942 starteten dazu vom Flugzeugträger „Hornet“ 16 Mittelstreckenbomber vom Typ B-25, die ihre tödliche Fracht über Tokio und Yokohama abwarfen und deren Besatzungen anschließend wegen des Verhältnisses von ausreichender Bombenlast zu Treibstoff, zumeist über nationalchinesischem Gebiet abspringen mussten.
Midway • Schlacht um Midway von Regisseur Jack Smight kam 1976 in die Kinos und rief (als quasi-Fortsetzung) beim interessierten Publikum zweifellos Erinnerungen an das sehr aufwändige und auch in der Darstellung der Vorgeschichte sehr gelungene Pearl-Harbor-Epos der 20th-Century-Fox, Tora! Tora! Tora! (1970), wach. Im Gegensatz zu diesem ist der von Universal stammende Midway unübersehbar mit strengem Blick auf das Budget produziert worden. Um Geld für aufwändige Inszenierungen zu sparen, wurde nämlich jede Menge an entliehenem Bildmaterial eingeschnitten, etwa in der Eröffnung, in der unter dem Rollentitel ein Sepia-eingefärbter Ausschnitt aus der MGM-Produktion Thirty Seconds Over Tokyo * Dreißig Sekunden über Tokio (1944) auf den „Doolittle-Raid“ verweist. Geliehen wurde desweiteren unter anderem aus dem bereits genannten Tora! Tora! Tora!, desweiteren aus Battle of Britain * Luftschlacht um England (1969) und auch aus der japanischen Produktion Storm Over The Pacific (1960).
Die Masse der Kampfszenen entstammt allerdings 16-mm-Farbfilmdokumentarmaterial der US-Navy. Wenn 16-mm-Film nicht nur auf 35-mm aufgeblasen wird, sondern, da es sich um Bildmaterial im Normalformat (1 : 1,37) handelt, dazu noch eine Ausschnittvergrößerung auf Scope erfolgen muss, dann sieht man dies unweigerlich. Entsprechend heben sich diese Einschübe durch ihre markant eingeschränkte Schärfe und dafür kräftige Körnung unübersehbar vom Rest ab. Auch wenn im rund 40-minütigen, soliden Making-of (im Jahr 2001 für die DVD-Veröffentlichung produziert) das Recycling des Dokumentarmaterials als den Zuschauer besonders betroffen machend ein Stück verbrämt wird, da es sich doch um echte Bilder handele. Gerade dadurch ist der Film zweifellos bei vielen, die ihn seinerzeit gesehen haben (den Schreiber dieses Textes inklusive), nicht gut angekommen, sondern vielmehr als „billig gemacht“ und damit eher negativ.
Mit zeitlichem Abstand betrachtet muss dieses Urteil in Teilen aber schon revidiert werden. Zwar vermag Midway keinesfalls aus dem riesigen Schatten von Tora! Tora! Tora! herauszutreten, aber die Hintergründe und damit auch das intelligente Verwirrspiel im Vorfeld des titelgebenden Ereignisses wird nicht etwa langweilig, sondern sehr authentisch und recht spannend dargestellt. US-Funkaufklärungsspezialisten hatten nämlich die japanischen Marineverschlüsselungscodes geknackt. Das ermöglichte es den Amerikanern nach der unentschieden verlaufenen Schlacht im Korallenmeer Midway als nächstes Angriffsziel eindeutig zu ermitteln, daraufhin eine Strategie zu entwickeln und schließlich die Schlacht durch Geschick und Mut, aber eben auch begünstigt durch den Zufall für sich zu entscheiden. Amerika hatte durch die enormen japanischen Verluste nicht nur das Kräfteverhältnis wieder annähernd ausgeglichen, sondern, wie sich schon bald zeigte endgültig die Initiative gewonnen. Die atmosphärisch dichten, aber eher kammerspielartigen Szenen in Planungsstäben und Hinterzimmern sind letztlich der eindeutig interessantere Teil eines Kriegs-Films, der in der Darstellung der eigentlichen Schlacht infolge seiner auf den ersten Blick erkennbar zusammengestückelten Kampfszenen eher bizarr wirkt.
Ähnlich wie bei Tora! sind auch in Midway die Japaner ein adäquater Gegner, der durchweg fair dargestellt wird. Am Schluss des Films resümiert Admiral Chester W. Nimitz (Henry Fonda) dazu sinnig: „Waren wir wirklich besser als die Japaner, oder hatten wir einfach nur mehr Glück?“ Sehen lassen kann sich auch die viele weitere renommierte Namen vereinende Besetzungsliste: u.a. Toshirō Mifune, Charlton Heston, Robert Mitchum, James Coburn und Glenn Ford.
Noch zwei weitere Dinge machen den Film bemerkenswert. Das Eine ist die thematisch und auch motivisch sehr ambitionierte Vertonung von John Williams. Sie entstand ein Jahr vor dessen großen Durchbruch mit Star Wars (1977) und nimmt insbesondere in den am Schluss der Komposition stehenden und damit das Resümee bildenden beiden breitorchestralen Märschen (Men of Yorktown March & Midway March) den prächtigen Star-Wars-Sound bereits vorweg. Das Andere ist das inzwischen längst in einer Versenkung der Kinogeschichte entschwundene Tonverfahren Sensurround.
SENSURROUND (1974–1978): Universal experimentiert mit den ganz tiefen Tönen
Midway ist der zweite von insgesamt fünf Universal-Filmen, die zwischen 1974 und 1978 im so genannten Sensurroundtonverfahren auf den Markt kamen: Earthquake (1974), Midway (1976) Rollercoaster (1977) sowie Battlestar Galactica und Mission Galactica: The Cylon Attack (beide 1978). Dabei wurde der übliche (in der Regel) nur Mono-Filmton mit Hilfe eines druckvoll erzeugten, mehr physisch fühl- denn akustisch hörbaren Tiefbasssignals (bis 15 Hz) ergänzt und so die Wirkung auf den Zuschauer verstärkt. Das System arbeitete (ähnlich wie Paramounts Kuriosum „Perspecta Stereophonic Sound“ – siehe dazu Continente Perduto) mit Hilfe eines über ein Steuersignal von der Filmkopie aktivierten Tiefbass-Generators und einer Reihe im Kinosaal platzierter großvolumiger, über riesige Membranflächen verfügende, gigantische Surround-Lautsprecher. Der bis in die Magengrube reichende Vibrationseffekt vermochte insbesondere bei Earthquake zu überzeugen, was den ansonsten arg flauen Film aber auch nicht wirklich besser macht. Die beiden 1978 aus dem Star-Wars-Abklatsch fürs Fernsehen, der insgesamt eher billig-lächerlichen TV-Serie Battlestar Galactica, wiederum für’s Kino montierten Streifen markieren den besonders schwachen Schwanengesang für das Sensurround-Verfahren, dem die klanglich überzeugenderen Lösungen des annähernd zeitgleichen Dolby-Stereotonverfahren letztlich den Rang abliefen – siehe dazu auch die beiden Links im Anhang.
Midway erstmalig in HD auf BD
Die Bildqualität schwankt stark, wobei insbesondere die mauen Blow-ups von 16-mm-Dokumentarfilmmaterial negativ hervorstechen. Abgesehen von gelegentlich erkennbaren kleineren Fehlern in der transferierten Vorlage vermögen die original auf 35-mm-Filmmaterial aufgenommenen Teile durch überwiegend gute Schärfe, soliden Kontrast sowie Schwarzwert, stimmige Farben und beachtliche Detailauflösung durchaus zu überzeugen. Der Monoton dazu klingt recht frisch. In bestimmten Momenten erscheint er im Bassbereich verstärkt, auch wenn der Sensurround-Effekt der 1970er im heutigen Heimkino nicht mehr exakt reproduziert werden kann – und wohl auch nicht muss. Gegenüber annähernd parallel entstandenen Dolby-Stereo-Tonmixen klingt der Midway-Sound denn doch merklich flacher.
Die nur in SD-Qualität vorhandene, beachtliche Boni-Kollektion ist bis auf die Koch-Media-typische, auch hier recht ansprechende „Bildergalerie mit seltenem Werbematerial“ von der 2001er-US-DVD-Ausgabe übernommen. Im Zentrum steht das rund 40-minütige Making-of. In diesem kommen neben Produzent Walter Mirisch und Regisseur Jack Smight weitere wichtige Personen des damaligen Produktionsteams zu Wort. Auch wenn einzelne Aspekte der Produktion etwas verbrämt dargestellt werden, bekommt der Interessierte alles in allem sehenswerte Einblicke in die Entstehung des Films geboten. Desweiteren finden sich u.a. Impressionen zur Filmmusik von John Williams, zum Sensurround-Verfahren oder zur verlängerten NBC-TV-Version.
Fazit: Midway ist zwar absolut nicht der Blockbuster, als der er von Universal seinerzeit platziert und letztlich immer noch beworben wird. Insbesondere die schwerpunktmäßig aus 16-mm-Dokumentarfilmmaterial der US-Navy zusammenmontierten Schlachtszenen wirken billig und daher enttäuschend. Allerdings stellt der Film die Vorgeschichte der Schlacht sowohl atmosphärisch dicht als auch authentisch und historisch weitgehend akkurat dar. Auf Koch Medias qualitativ feiner Blu-ray-Ausgabe zeigt sich diese Universal-Produktion optisch wie akustisch von wohl bestmöglicher Seite und vermag zusätzlich durch ihre sehr solide Bonikollektion zu überzeugen.
weiterführende Links:
SENSURROUND – oder die Entdeckung der tiefen Töne, von Clemens Scherer.
„About Sensurround“, von in70mm.com.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.