Merida – Legende der Highlands (3D-Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
22. Januar 2013
Abgelegt unter:
3D

Selbstbestimmung im Hochmittelalter

Brave lautet der Originaltitel des neuen, mittlerweile 13. (Disney-)Pixar-Abenteuers. Bei uns wurde daraus Merida — Legende der Highlands. Gegenüber den eher innovativen Produktionen des schon legendären Studios handelt sich hierbei um eine eher geläufige Emanzipationsstory, bei der zugleich das zerrissene Band zwischen den Generationen neu geknüpft werden muss. So rückt bereits die Titelfigur als eine schottische Prinzessin des Hochmittelalters recht deutlich in die Nähe der vertrauten Disney-Familienunterhaltungen. Zwar bewegt sich die Geschichte insgesamt auf eher vertrautem Märchen- und Sagen-Terrain, aber sie wird recht flott erzählt, und Pixar zieht insbesondere in Sachen hochwertiger Computeranimation alle Register.

5635Merida entpuppt sich als ein schottischer Freigeist, der mit der strengen höfischen Etikette nicht einverstanden ist. Das charmante Prinzesschen, das nicht nur auf Gipfel klettert, sondern auch mit Pfeil und Bogen umgehen kann, lässt beim wilden Ritt durch das Hochland seine üppige, feurig rote Lockenpracht im Wind wehen—, sodass man sich ein bisschen an die gegen den Strich gebürstete Grimm’sche Märchenadaption Rapunzel — Neu verföhnt erinnert fühlt. Der Trotzkopf mit der roten Mähne begehrt gegen die zwar wohlmeinende, aber rigide Mutter, Königin Elinor, auf, die ihr Töchterchen zügig mit einem der Söhne der verbündeten Clan-Chefs verheiraten will. Auf ihrer verzweifelt-wütenden Suche nach einem adäquaten Mittel, die Mutter umzustimmen, findet Merida im tiefen Wald Hilfe bei einer Hexe. Deren präparierter Hexen-Kuchen sorgt für eine dramatische Veränderung: Frau Mama verwandelt sich in eine riesige Bärin, wobei der Bann nur innerhalb der kurzen Frist von zwei Tagen wieder rückgängig gemacht werden kann. Mama Bär und das Töchterlein sind ab sofort aufeinander angewiesen und müssen sich gemeinsam bewähren. Das löst einen gegenseitigen Lern- und Reifungsprozess aus, wobei ein Disney- wie Pixar-typisches Happy End natürlich nicht fehlt.

Die auf den ersten Blick in vielem schon recht konventionelle Story besitzt dennoch verschiedene durchaus ungewöhnliche, mitunter sogar ein wenig anarchische, weniger Disney-typische Aspekte. So sind die Vertreter der männlichen Zunft nahezu sämtlich völlig überzeichnet. Diese erscheinen karikaturhaft und sind häufiger auch etwas schlichten Gemütes. Besser weg kommt der Papa (König Fergus), welcher wie ein etwas naiver, aber immerhin liebenswerter „riesiger Kleiderschrank“ anmutet. Und ebenso positiv heben sich Meridas drollige Drillings-Brüder ab als eine zwar noch rotznasige, aber bereits pfiffige Bande kleiner Strolche. Besonders kreativ ist zudem die Figur der offenbar Spielzeuge produzierenden und vertreibenden Hexe gestaltet — netter Schlussgag im Abspann inklusive. Dabei zählt der auch als „Anrufbeantworter“ funktionierende Hexenkessel zu den besonders köstlichen Einfällen. Dies alles harmoniert und funktioniert auf elegante Art und Weise zusammen mit den grandios animierten schottischen Highlands, ohne auseinanderzufallen. Daran erkennt man eben doch, dass hier offensichtlich Könner am Werke waren. Im ausladend langen Abspann erhält man anhand der fast schon endlos anmutenden Namensliste der Mitglieder des Pixar-Teams einen Eindruck vom hinter dem Gesehenen steckenden enormen Aufwand.

Merida von Blu-ray in 3D

5636Die Präsentation insbesondere in HD ist schlichtweg superb. Die Pixar-typisch erstklassige Animationstechnik lässt die in gestochen scharfen, detailreichen Bildern erstrahlenden schottischen Landschaften grandios, geradezu fotorealistisch hingezaubert erscheinen. Der ebenso vorzüglich eingesetzte, völlig unaufdringliche und damit so ungezwungen und natürlich wirkende 3D-Effekt tut das Übrig. Das Ergebnis ist damit vom Bild her praktisch perfekt, da Störungen wie Ghosting-Artefakte nur vereinzelt und dann auch nur kurzzeitig zu sehen sind. Dass Merida auch in 2D bereits exzellent wirkt, sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt.

Der Ton lässt sich da ebenso wenig lumpen. Eine weiträumig aufgefächerte Surroundtonkulisse, versehen mit vielfältigen, behutsam im Klangraum platzierten, in erster Linie subtilen Effekten, umfängt den Hörer. Das schafft eine dem Bildeindruck adäquate, praktisch perfekte akustische Entsprechung.

Ebenfalls ohne Tadel ist die umfangreiche Bonikollektion, bei der es neben einem informativen Audiokommentar zur 2D-Version des Films diverse Segmente gibt, welche die besonders interessanten Aspekte der Produktion sehr zufriedenstellend beleuchten. Wer davon dann immer noch nicht genug hat, der hat zusätzlich die Gelegenheit, in einer üppigen „Kunstgalerie“ mit rund 500 Motiven zu schwelgen. Nicht zu vergessen der als Vorprogramm fungierende Kurzfilm, der im Gegensatz zu den 3D-Ausgaben von Oben, Toy Story 3 und Cars 2, dieses Mal erfreulicherweise auch in 3D zu bewundern ist: La Luna — Mondlicht ist eine reizende Gute-Nacht-Geschichte für die kleinen Pixar-Fans in Form eines von kindlicher Phantasie beherrschten träumerischen Ausflugs auf den Mond.

Kurios mutet allerdings die Verteilung des Bonusmaterials an. So befindet sich die Masse der Zugaben (ca. 80 Minuten) auf Disc 2, ist also mit der 2D-Version des Films zusammengepfercht. Disc 3 dagegen ist nur mit etwa 20 Minuten Material bestückt und damit fast leer. Auch wenn daraus keine augenfälligen Beeinträchtigungen beim Bild resultieren, erscheint dies schon merkwürdig.

Patrick Doyles Filmmusik

So charmant wie der Film, so angenehm gibt sich auch die Filmmusik, erschienen als repräsentativer CD-Album-Schnitt. Der 1953 im schottischen Uddingston in der Nähe von Glasgow geborene Patrick Doyle ist hier hörbar in seinem Element und seine Komposition wird vom London Symphony Orchestra unter James Shearman fein interpretiert. Auch klanglich gibt es hier kaum etwas zu beanstanden.

Ein wenig fühlt man sich an Harry Potter und der Feuerkelch (2005) erinnert, wenn der orchestrale Score in „Fate and Destiny“ nach einer geheimnisvoll anmutenden Eröffnung zünftig mit einer temperamentvollen Jig so typisch auf das schottische Sujet einstimmt. Direkt danach werden, wiederum mit keltischem Instrumentarium (Fiedel und irischer Harfe), sehr gefühlvolle und leise Töne angestimmt. Die Jig fungiert im weiteren Verlauf als ein Set-Piece für die Begegnung der Clans und das große Bogenschützenturnier.

Doyles Stärke liegt auch hier ganz besonders in den lyrischen Passagen der Komposition. Teile der betont atmosphärischen wie auch der rhythmisierten Action-Einlagen hingegen haben kompositorisch nur wenig Interessantes zu bieten. Insbesondere „Merida Rides Away“ und „Show Us The Way“ sind blass und redundant zugleich. Abseits der zugehörigen Bilder stören diese Stücke eher den musikalischen Fluss.

Zwei der insgesamt fünf Songs („Song of Mor’du“ und „Noble Maiden Fair“) stammen ebenfalls vom Komponisten der orchestralen Filmmusik. Im schmissigen, mit drolligem schottischem Akzent vorgetragenen Trinklied „Song of Mor’du“ zählt Doyle originellerweise sogar höchstpersönlich zu den Interpreten. Dieses Song-Thema wird im Anschluss auch im Score zitiert, in „Through The Castle“. „Noble Maiden Fair“, das als lyrische Romanze daherkommende Wiegenlied, ist sogar versehen mit gälischem Text. Es erfüllt als Mutter und Tochter verbindender musikalischer Gedanke in den orchestralen Teilen der Filmmusik eine wichtige Funktion. Zwar ist mit Songs bei Disney traditionell — bereits seit dem ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm Schneewittchen und die sieben Zwerge (1937) — regelmäßig eine kräftige Portion Merchandising im Gepäck. Aber wieder einmal funktioniert das (meist recht liebevoll praktizierte) Konzept durchaus gut. Das gilt hier ebenso für die drei Lieder, die mit der Doyle’schen Filmmusik direkt nichts zu tun haben: „Touch the Sky“ und „In the Open Air“, komponiert von Alex Mandel, werden markant interpretiert von der schottischen Folksängerin Julie Fowlis. Das von der Folkloregruppe Mumford & Sons stammende und zusammen mit „Birdy“ über den End Credits gesungene „Learn Me Right“ bildet ebenfalls keinen Fremdkörper. Im hübsch mit Szenenfotos illustrierten Begleitheft sind zu sämtlichen Songs die Texte und detaillierte Produktionsangaben enthalten.

5637Das warme, liedhafte Thema für die Titelfigur bildet zusammen mit dem Wiegenlied die beiden zentralen Themen der Filmmusik. Es wird übrigens stimmig erst im Finale („Merida’s Home“) voll und breit ausgespielt. Es entwickelt sich, wie ja auch der Charakter der Titelfigur im Verlauf der Handlung, und tritt somit erst nach und nach deutlicher hervor. Im eröffnenden „Fate And Destiny“ erklingen davon nur urnebelhafte Bruchstücke. In „Remember To Smile“ ist es dann in Form der Eröffnungsphrase zu hören. Im sehr einfühlsam gestalteten „Legends Are Lessons“ (ein Dialog zwischen Mutter Bär und Tochter) tritt Meridas Thema, nachdem es zuerst auch in Form variierter Bruchstücke vorbereitet wird, erstmalig annähernd komplett hervor. Es wird dabei zuerst vom irischen Dudelsack (Uilleann Pipes) sehr dezent und warm zugleich intoniert und dann zuerst von der Trompete und anschließend von den Streichern aufgegriffen. Den Schluss des Stückes bildet ebenso überzeugend eine Phrase des unmittelbar eingängigen, reizenden Wiegenlieds „Noble Maiden Fair“ (s. o.).

Fazit: Der aktuelle Pixar, Merida — Legende der Highlands, tendiert — wie auch Cars 2 — zweifellos stärker zur Gattung guter Disney-Familienunterhaltung als zum innovativ-experimentellen Pixar-Event. Aber auch wenn die Taten der Pixar-Crew für das Animationskino gegenwärtig nicht gerade revolutionierend sind, für eine zweifellos kurzweilige und dabei visuell auf allerhöchstem Niveau rangierende prachtvolle Unterhaltung für die ganze Familie „reicht“ es in jedem Fall. Das CD-Album ist insbesondere in durch Programmieren leicht gestraffter Form ein sehr willkommenes, da charmantes Souvenir zum Film, eines, das all denen besonderen Spaß bereiten dürfte, die gekonnt in Sinfonik integriertes folkloristisch schottisches Flair zu schätzen wissen.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

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Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Erschienen:
2012
Vertrieb:
Walt Disney Studios Home Entertainment, Diamond-Edition
Kennung:
BGY 0111104 (3D-BD + 2x BD)
Zusatzinformationen:
USA 2012

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