Die TV-Serie Masada: Ein jüdischer Mythos gegossen in Zelluloid
Die als uneinnehmbar geltende Festung König Herodes I. (Herodes des Großen), das ist „Masada“ (aramäisch: die Festung). Gelegen auf einem kargen unzugänglichen Hochplateau am Südwestende des Toten Meeres, stand dieser selbst in Ruinen noch eindrucksvolle Ort im 20. Jahrhundert geraume Zeit im Zentrum eines jüdischen Geschichts-Mythos. Die Legende um den heroischen Widerstand von etwa 1000 jüdischen Patrioten gegen eine römische Übermacht als Abschlussfanal des 1. jüdischen Aufstandes von 66 n. Chr. ist allerdings keine alte Heldensaga. Interessanterweise wurden die Ereignisse im Winter 73/74 erst von der 1890 ins Leben gerufenen zionistischen Bewegung instrumentalisiert, zum Symbol des unbeugsamen jüdischen Überlebenswillens stilisiert.
Der Wunsch der über die Welt verstreuten und immer wieder verfolgten Juden, in die Region ihrer Väter heimzukehren, ist nicht neu, er reicht bis in die Antike zurück. Erstmalig in der Mitte des 13. Jahrhunderts kehrten in Frankreich verfolgte Juden „heim“, in den noch bestehenden Kreuzfahrerstaat „Königreich Jerusalem“. Die Nationalstaatsidee des 19. Jahrhunderts bereitete freilich erst den Weg für die Verfechter eines Judenstaates in Palästina. Bei einem derartigen Vorhaben können Mythen sehr hilfreich sein. Die Katastrophe des 2. Weltkriegs beschleunigte die schließlich am 14. Mai 1948 erfolgte Proklamation Israels, und das beflügelte auch den seit den frühen 1940er Jahren für die kollektive israelische Identität verständlicherweise wichtigen kämpferischen Masada-Mythos. Das gewollte Bild einer heroisch gegen eine feindliche Übermacht verteidigten Festung war in den Jahren um die Staatsgründung Israels sowie den Jahrzehnten danach ein Reflex des Lebensgefühls vieler Israelis. Geraume Zeit genoss der Mythos um die Bergfestung des Herodes den Stellenwert, kollektiver Inbegriff des kämpferischen jüdischen Selbstverständnisses schlechthin zu sein.
Dabei greift dieser Mythos nur bedingt auf die einzig überlieferte Quelle des Ereignisses zurück, die Aufzeichnungen in „Der jüdische Krieg“ des Historikers Flavius Josephus, der, bevor er das römische Bürgerrecht erhielt, den heutzutage weniger bekannten jüdischen Namen Joseph Ben-Matityahu führte. So handelte es sich lt. Josephus bei den Verteidigern um so genannte „Sikarier“ (Dolchträger), eine äußerst militante Untergruppierung der damaligen jüdischen Widerstandsbewegung, der Zeloten. Die Sikarier waren nach heutigen Maßstäben als Terroristen einzustufende, rücksichtslose Fanatiker, die alle umzubringen trachteten, die nur bereit waren mit den Römern zu verhandeln.
Der Bericht des Josephus taugt schon dadurch nicht wirklich zur Identifizierung und widerspricht einem Heroisieren noch in weiteren Punkten. So passt z.B. der kollektive Massensuizid vor dem siegreichen römischen Sturmangriff nicht wirklich gut ins Bild, da das jüdische Recht (die Halacha) ihn streng untersagt. Entsprechend trat dieser Teil der Überlieferung auch in den Hintergrund, ist im Masada-Mythos eher eine dezente Randbemerkung geblieben. Als ebenso verwerflich gilt überdies die Opferung von Kindern. Der rabbinischen Tradition galten die Zeloten auf Masada daher während der letzten rund zweitausend Jahre keineswegs als Helden, erst recht nicht als Vorbilder. Zudem dauerte die echte Belagerung nur einen Winter (73/74) und nahm nicht etwa drei Jahre in Anspruch. Darüber hinaus gibt es in der Darstellung des Josephus Ungereimtheiten, die mit den von den Römern bei Belagerungen überlieferten praktizierten Taktiken nicht zusammenpassen. Außerdem fanden sich archäologisch eben doch Hinweise auf Verteidiger der Festung.
Nach ersten Anläufen in den 1950ern wurde Masada in den 60er Jahren im Rahmen einer spektakulär inszenierten Ausgrabungsaktion des israelischen Archäologen (und zugleich Generals!) Yigal Yadin komplett freigelegt. Damit erreichte die mythologische Überhöhung der Legende wohl zugleich ihren Höhepunkt. Es gilt als sicher, dass bei Yadin in Interpretation und Gewichtung der Funde Ausgrabung und Mythos häufig zu dicht beieinander standen.
In der betont sachlichen 1994er Ausstellung des Tel Aviver Kunstmuseums „Die Geschichte von Masada“, die später auch in Deutschland gezeigt worden ist, schlug die Kuratorin, Gila Hurvitz, entsprechend zurückhaltendere Töne an. So lasse sich beispielsweise der angebliche kollektive Massenselbstmord nicht eindeutig belegen.
In den 1970er Jahren begann die Bedeutung des Masada-Mythos langsam zu schwinden. Auch immer mehr Israelis erschienen die oben angerissenen Punkte, insbesondere der Fanatismus der Sikarier, in zunehmendem Maße bedenklich. Seit 1991 wird Masada denn auch nicht mehr als patriotischer Wallfahrtsort für die Vereidigung israelischer Soldaten genutzt — worauf der Pro- und Epilog zur ABC-TV-Serie noch stolz Bezug nehmen. Das triefende Pathos der den Rekruten als brennende Inschrift präsentierten Zeile „Masada darf nie wieder fallen!“ des 1927 erschienenen Gedichts „Masada“ von Yitzchak Lamdans gehört damit hoffentlich dauerhaft der Vergangenheit an. Damit dürfte auch der Mythos um die Bergfestung des Herodes als ein israelisches „Alamo“ wohl endgültig entzaubert und überflüssig geworden sein.
Masada: Die TV-Serie von ABC
Die 1981er TV-Serie von ABC ist eh kein Geschichtsdrama, sondern beruht vielmehr auf einer Romanvorlage: Ernest K. Ganns „Lorbeer für die Besiegten“. Regie führte federführend der primär bei TV-Produktionen engagierte Boris Sagal (Solo für O.N.K.E.L., Der Omega Mann). Die Handlung fasst die Legende alles in allem recht geschickt in einen fiktiven Rahmen, der zum Teil mit historischen Figuren bevölkert ist. Überwiegend konnte an den Original-Schauplätzen und in deren Umfeld gedreht werden. Außerdem genoss man die Unterstützung der israelischen Armee. So ist das Ergebnis, abgesehen von einigen eher bescheiden getricksten, typisch fernsehhaft wirkenden Momenten, durchaus unterhaltsam geraten. Beispielsweise ist das vom renommierten Albert Whitlock als Matte-Painting sorgfältig rekonstruierte Jerusalem des Jahres 70 n. Chr. sehr überzeugend. Allerdings wirken die zur Visualisierung der Erstürmung durch die Römer mit dem Hintergrund kombinierten Feuereffekte selbst auf kleinerem Bildschirm betrachtet recht dilettantisch. Darunter leidet zumindest zum Teil der positive Eindruck, welchen das den historischen Verhältnissen gut angenäherte Bild des antiken Jerusalems hinterlässt. Entsprechendes gilt für das der Erstürmung vorausgehende Feuer nebst Rauch an der Festungsmauer. Diese sind ähnlich unzulänglich einkopiert. Umso besser wirkt dagegen allerdings die in der ersten Folge der Serie zu sehende nächtliche Totale Roms.
Der Bau der imposanten römischen Belagerungsrampe wird im Film geschickt nachempfunden, und das gilt auch für die zur Zerstörung des Festungswalls eingesetzte große Ramme. Die originale Belagerungsrampe hat die Zeitläufe übrigens erstaunlich gut erhalten überdauert. Sie wirkt selbst von Fotos beeindruckend.
Über die insgesamt rund sechs Stunden bekommt man nun gewiss keinen Action-Blockbuster zu sehen. Angesprochen werden hier vielmehr diejenigen, die ein gewisses Faible für die Antike besitzen, solche, die vielleicht auch gern einmal ein Römerfest besuchen und/oder vergleichbare filmische Umsetzungen mögen, wie Ben Hur (1959), King of Kings (1961), The Fall of the Roman Empire (1964) oder auch Gladiator (2000).
Zwar ist bei Masada wie in den genannten Vorbildern für die große Kinoleinwand ausstattungsmäßig so manches längst nicht perfekt. So sind z. B. die seltsamerweise aus Leder statt Eisen gefertigten Schienenpanzer der römischen Rüstungen nicht nur falsch, sie sind zugleich völlig unbrauchbar. Aber trotz gewisser Einschränkungen in puncto historischer Genauigkeit ist die Serie recht ambitioniert umgesetzt. Gerade aus der Liebe zu ansonsten nicht gezeigten oder nur gestreiften Details resultiert eine recht dichte Atmosphäre und dadurch zugleich ein zumindest pseudo-historisches Empfinden beim Zuschauer. Das gilt z.B. für die Einblicke in das Lagerleben während der Belagerung oder auch für den kleinen römischen Festumzug anlässlich des Geburtstags von Kaiser Vespasian. Sorgfältig inszeniert sind in diesem Zusammenhang auch die regelmäßig durchgeführten Opferzeremonien der Römer. Bei diesen schlossen Priester anhand des Zustandes der Innereien der Opfertiere darauf, ob die Götter dem jeweiligen Unternehmen gewogen waren.
In weiten Teilen sind der Roman und entsprechend der TV-Plot in den Abläufen und deren innerer Logik schon deutlich vereinfacht. Es hat zudem Methode, eher moderne, dem Publikum geläufige Sichtweisen unserer Tage auf die Inszenierung weit zurückliegender Vorfälle zu übertragen. So ist unter anderem das durch das Bibel-(Kitsch)-Kino vermittelte Bild von Judäa unter römischem Joch schlichtweg falsch. Eine bereitstehende, im quasi NS-Marschtritt jede Opposition niederwalzende römische Besatzungsmacht gab es bis zum 1. Jüdischen Aufstand nicht. Die römische Armee war im Verhältnis zum damalig riesigen Weltreich eher klein: Sie umfasste insgesamt nur etwa 250.000 Mann. Davon waren übrigens nur etwa die Hälfte „waschechte“ römische Legionäre. Die anderen 50 % bildeten Hilfstruppen, rekrutiert aus nicht ausschließlich (!) unterworfenen Völkern. Das bedeutete, dass Truppen in größerer Stärke nur in einzelnen, besonders unruhigen Grenzregionen positioniert werden konnten. Erforderliche Verstärkungen mussten daher häufiger erst aufwändig zusammengezogen und herangeführt werden. In diesem Fall allerdings hatten es die Truppen nicht allzu weit: Rückten sie doch aus ihrem Standlager in Syrien an.
Zudem ist das Bild von König Herodes I. (Herodes dem Großen) traditionell, entsprechend der biblischen Überlieferungen, eindeutig zu negativ besetzt. Mit seinem Namen wird nur der Kindermord von Bethlehem assoziiert. Mit der historischen Wahrheit hat derartiges freilich wenig zu tun. Herodes der Große mag ein paranoider und skrupelloser Mensch gewesen sein, aber gerade der besagte Kindermord gilt unter Wissenschaftlern längst als unhaltbare Legende. In jedem Fall war der Herrscher ein recht tüchtiger Landesvater, dem es dank kluger Staatsführung gelang, seinem Herrschaftsgebiet lange Zeit den Status eines in weiten Teilen souveränen (!) römischen Bundesgenossen zu sichern. Erst nach seinem Tod und der Aufteilung des Reiches an seine zum Teil unfähigen Nachkommen kam es verstärkt zu Konflikten, welche die Römer letztlich zum massiven Eingreifen zwangen. Bis dahin waren sie im Lande nur durch kleine, rein repräsentative Kontingente vertreten.
Einer der unfähigen Nachkommen von Herodes I. war sein Sohn Herodes Antipas — beide Herrscher werden mitunter miteinander verwechselt. Diesen kennt man besser als (Stief-)Vater der berüchtigten Salome, woraus Oscar Wilde ein Bühnendrama gestaltete, das Richard Strauss in seiner gleichnamigen Oper brillant vertont hat. Vielen Kinofreunden ist sicher die entsprechend zwiespältige Darstellung des Herrschers als niederträchtiger Charakter in King of Kings • König der Könige (1961, Musik: Miklós Rózsa) geläufig.
Auch die TV-Serie Masada belässt es bei diesen gewohnt geklitterten Bildern. Die unter Flavius Silvas (Peter OToole) Führung stehende 10. Legion war erst durch die um 66 n. Chr. ausgebrochenen massiven Unruhen ins Land gekommen und in Jerusalem stationiert worden (s. o.). Hier wird zumindest dem Eindruck, es handle sich um eine bereits länger vor Ort befindliche Besatzungsmacht, nicht widersprochen. Den bereits aus anderen Filmen geläufigen Verfälschungen wird aber auch mindestens eine neue Verzerrung hinzugefügt. So ist mehrfach davon die Rede, die Legionäre hätten massives Heimweh und Flavius Silva habe versprochen, die Truppen schnellstmöglich in die Heimat zurückzuführen. Historisch ist das jedoch ebenfalls völliger Unsinn. Hier wird nämlich ein vollkommen entstelltes, wiederum allzu sehr aus heutiger Sicht interpretiertes Bild dem Dienst im römischen Heer übergestülpt. Für die Legionäre gab es weder Wochenendheimfahrten noch einen beliebig zu verbringenden Jahresurlaub oder ähnliches: Wer sich dienstverpflichtete, wusste vielmehr von vornherein, dass er seinen ursprünglichen Wohnsitz — in der Regel — bis zum Dienstende (und oft darüber hinaus) nicht wieder sah. Außerdem gab es für Otto Normalverbraucher damals praktisch kaum Reisemöglichkeiten. Dementsprechend war — außer eben bei den Legionären — die heutzutage normale regelmäßige Fluktuation größerer Teile der Bevölkerung noch völlig unbekannt. Für den Soldaten wurde damit wahrlich die Armee selbst zur Heimat. Dafür garantierte ihm diese allerdings eine Art Beamtenstatus, verbunden mit einer damals keineswegs allgemein zugänglichen, umfassenden Versorgung, die bis hin zu einer Quasi-Verrentung im Ruhestand reichte.
Judäa als Bundesgenosse Roms, das ist exakt das, was der römische Feldherr Flavius Silva (Peter OToole) dem Anführer der auf Masada verschanzten Zeloten, Elazar Ben-Yair (Peter Strauss), anfänglich durch Verhandlung mit Kaiser Vespasian verschaffen will. Dass dieses Ziel dann allerdings unerreichbar bleibt, der Kampf unausweichlich wird, ist letztlich eine Sache der Staatsräson. In diesem Punkt besitzt Masada für sich genommen einen durchaus akzeptablen allegorischen Ansatz.
Im Übrigen ist es auch die überwiegend renommierte, vorwiegend britische Darstellerriege, die den Film im Sinne einer soliden Unterhaltung mit History-Touch sehenswert macht. Neben den bereits genannten sind in jedem Fall noch zu erwähnen: Anthony Quayle als raffinierter Belagerungsfachmann, Nigel Davenport als Senator Mucianus und David Warner als Senator Falco.
Nicht vergessen werden darf die von Jerry Goldsmith in Teamarbeit mit Morton Stevens entworfene Filmmusik. Eine angemessene offizielle, dabei möglichst vollständige, Veröffentlichung dieser insbesondere in den von Jerry Goldsmith stammenden Teilen sehr inspirierten und kraftvollen modernen Antikepenfilmmusik steht derzeit allerdings noch aus. Dabei sollten allerdings auch die kleineren Musikpartikel wie diverse Fanfaren und der Geburtstagsmarsch für Kaiser Vespasian nicht auf der Strecke bleiben.
Masada auf DVD
Polyband hat die komplette TV-Serie jetzt auch dem deutschen Markt beschert. Das Geschehen kommt in acht 45-Minuten-Folgen auf zwei DVDs daher. (Die seinerzeit aus der TV-Serie zusammengeschnittene und hierzulande auch im Kino gezeigte 121-Minuten Version ist zwangsläufig recht sprunghaft und damit von insgesamt deutlich blasserer Wirkung.) Die beiden DVDs werden in einem aufklappbaren Digipack geliefert. Das hier verwendete Material stammt offenbar nicht aus einer mit hochwertiger HD-Technik ausgeführten Neuabtastung des Filmmaterials. Entsprechend ist die Bildqualität nicht auf oberstem Qualitätslevel angesiedelt, aber meist solide. Das Bild im Normalformat (1 : 1,37) macht bei Farbe, Kontrast, Schärfe und Detailliertheit in der Regel einen überwiegend guten Eindruck. Neben kleinen Bildschäden fallen allerdings eine Reihe von Szenen insbesondere durch merkliche Defizite bei der Schärfe auf. An diesen Stellen reicht es nur für ein knappes Befriedigend. Die Tonspuren in Deutsch und Englisch sind typisch für die frühen 1980er. Sie sind unspektakulär, aber in durchweg sauberem, klarem Mono. Obendrauf gibts noch ein insbesondere optisch ansprechend gemachtes 10-seitiges Marketing-Begleitheft, das im Bildteil auch ein eindrucksvolles Foto der römischen Belagerungsrampe aufweist.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2009.
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