Korngold: Der Schneemann

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
30. September 1999
Abgelegt unter:
Klassik

Korngold: Der Schneemann/Korngold: Cellokonzert/Militärmarsch

Nach der ersten, verdienstvollen Veröffentlichung der Orchesterwerke Korngolds im Jahr 1991 (vier CDs auf dem cpo-Label der Firma jpc/Georgsmarienhütte), sind in der Nachfolge nun auch auf Chandos (Vertrieb durch Codaex), seit 1993 mehrere CDs eines vergleichbaren Projektes erschienen. Hier erarbeitet der Dirigent Matthias Bamert mit dem in Manchester beheimateten BBC Philharmonic Orchester seine Version der Korngoldschen Orchesterwerke. Aufnahmetechnik und Interpretation, auch durch die jeweiligen Solisten, sind auf sehr hohem Niveau.

Dank besonders aktiver Musikarchäologie, sind hier im Vergleich zur cpo-Edition noch verschiedene, überaus reizvolle, Erstveröffentlichungen zu hören. Da ist der faszinierende, schwungvolle, kleine Militärmarsch aus dem Jahr 1917, den Korngold während seiner kurzen Militärdienstzeit komponierte. Von seinem erstem Bühnenwerk, der Ballett-Pantomime „Der Schneemann“, wird hier erstmalig der vollständige erste Akt in der Orchesterfassung geboten. Am 4. Oktober 1910 wurde das Werk des Elfjährigen sogar an der Wiener Hofoper, in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph II., uraufgeführt. Die Instrumentierung musste hierzu noch vom Freund und Lehrer Alexander von Zemlinsky erfolgen. Der Abend wurde zu einem sensationellen Erfolg, der auch den kleinen Korngold (der „alte Korngold“ war ja ein gefürchteter Musikkritiker) quasi „über Nacht“ auch über die Grenzen Wiens hinaus bekannt machte. Die Musik zum „Schneemann“ ist überaus charmant, voller raffinierter melodischer und harmonischer Einfälle und wirkt eigentlich überhaupt nicht kindlich.

Eine echte Entdeckung sind die „Märchenbilder“ Opus 3. Diese im Sommer 1910 entstandenen Klavierstücke, wurden vom 13-jährigen Korngold kurze Zeit später sogar selbst instrumentiert. Nur ein einziges mal gespielt — in Karlsbad 1911 — und anschließend verschollen, konnte die Originalpartitur, fast vollständig, wieder beschafft werden. Sechs der ursprünglich sieben Stücke liegen jetzt als Premiereneinspielung (der Orchesterfassung) vor. Besonders interessant sind diese Miniaturen, da sie die wohl ersten eingehenden Instrumentierungsversuche dieses „letzten Wunderkindes“ darstellen. Für mich war das Anhören dieser Stücke besonders faszinierend. Ein eindrucksvoller Beleg dafür, in welch außerordentlich hohem Maße, schon der noch kindliche Korngold es verstand, unterschiedliche Stimmungen in Töne zu verwandeln. Ein großer Schritt zum späteren, erfolgreichen Musikdramatiker und Filmkomponisten. Der Orchestersatz ist ebenfalls schon außerordentlich raffiniert.

Die Schauspielovertüre, ein effektvolles und optimistisches Werk, schrieb der junge Komponist mit 14 Jahren sogar direkt in Partitur. Es wurde sein erstes veröffentlichtes Orchesterwerk. „Violanta“ ist des Komponisten zweite Oper. Das eingespielte „Prelude and Carnival“ aus dem leidenschaftlich glühenden venezianischen Eifersuchtsdrama lässt schon deutlich den späteren Filmkomponisten erahnen. Das Cellokonzert Op. 37 ist die erweiterte Konzertfassung eines kurzen Solo-Konzertstückes, das als Teil der Filmmusik zu Deception, Korngolds letzter Filmmusik für Hollywood, im Jahre 1946 entstand. Ein virtuoses und, wie fast immer bei Korngold, auch sehr melodisches Stück. Die Symphonische Serenade Op. 39 für Streicher entstand 1947/48, als der Komponist bereits seine Heimkehr nach Österreich vorbereitete. Dieses für großes Streicherensemble gesetzte, schwierig zu spielende Stück pendelt zwischen herber Expressivität und melancholisch-nostalgischem Wohlklang. Korngold verarbeitete hier auch Material aus seiner Filmmusik zu Anthony Adverse. Das einsätzige Klavierkonzert Op. 17 für die linke Hand entstand für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein und wurde 1924 uraufgeführt. Für diesen komponierte auch Maurice Ravel sein bekanntes Klavierkonzert für die linke Hand. Das bis zum Tode Wittgensteins 1961 als persönliches Eigentum des Pianisten schwer zugängliche Werk wurde vom Interpreten der britischen Uraufführung 1985, Gary Graffman, als „Salome“ des Klaviers bezeichnet. Es ist ein, für seine Entstehungszeit, durchaus sehr modernes Werk, ohne allerdings mit extremen Dissonanzen zu verschrecken. Kein Solokonzert im herkömmlichen Sinne, ist es eines der eigenwilligsten Werke im Schaffen Korngolds geblieben. Vielleicht beim erstmaligen Hören etwas spröde wirkend, enthält es doch eine Reihe verinnerlichte, von impressionistischer Klangmalerei geprägte, Partien tiefer Schönheit.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Erschienen:
1998
Gesamtspielzeit:
65:41 Minuten
Sampler:
Chandos
Kennung:
CHAN 9631
Zusatzinformationen:
BBC Philharmonic, M. Bamert

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