Das TV-Programm zum Jahreswechsel 2002/03 stand im Zeichen einer Reihe von aufwändigen Kostümfilmen. Zwei befassen sich mit dem Leben von Julius Caesar und Napoleon Bonaparte, zwei Figuren der Weltgeschichte, die ihre jeweilige Epoche nachhaltig geprägt haben.
Sowohl der Zweiteiler Julius Caesar als auch der Vierteiler Napoleon sind recht gelungene (farbenprächtige Bilderbogen im Stil der Monumentalfilm-Produktionen vergangener Tage wie Cleopatra (1963), Der Untergang des römischen Reiches (1964), Wojna i Mir • Krieg und Frieden (Regie: Sergej Bondartschuck, 1965-67) und Waterloo (1970). Wie die genannten Filme weisen auch die beiden TV-Produktionen unserer Tage Schwächen und Fehler auf. So werden aus dramaturgischen Gründen, um den Erzählfluss zu verbessern und zu straffen, zeitliche Abläufe verdichtet und/oder auch stark vereinfacht. Ebenso werden oftmals historische Nebenfiguren verändert (mitunter werden mehrere Charaktere in einer Person vereint) oder auch ganz weggelassen.
Unterm Strich handelt es sich daher bei Produkten der Gattung Historienfilm niemals um eine Geschichtsstunde, sondern bestenfalls um eine ordentliche Näherung, die Anlass zur eingehenderen Beschäftigung mit den Fakten sein kann.
Julius Caesar
Caesar war der Totengräber der von Unruhen zerrissenen römischen Republik, er begründete das Caesarentum, reformierte den Staat und legte den Grundstein für das „Imperium Romanum“. Im Szenario seines glanzvollen Aufstiegs war aber nicht (wie im Film gezeigt) allein Pompejus wichtig, sondern entscheidender noch war Crassus als Finanzier – Kennern von Kubricks Spartacus (1960) geläufig. Caesar, Pompejus und Crassus bildeten seinerzeit gar ein Triumvirat, an dem im Rom jener Tage niemand vorbei (handeln) konnte. Die TV-Verfilmung verschweigt nicht allein diese wichtigen Tatsachen, Crassus tritt überhaupt nicht in Erscheinung.
Als großer Feldherr vergrößerte Caesar (dargestellt von Jeremy Sisto) das Staatsgebiet das Römischen Reiches entscheidend, indem er Gallien unterwarf. Der Film schildert den Gallischen Krieg in verknappter Form. Er präsentiert Heino Ferch als Caesars Gegenspieler Vercingetorix und setzt Belagerung und Kampf um die wichtige Stadt Alesia recht opulent in Szene. Hier mussten die Römer sogar nach zwei Seiten kampfbereit sein. Zum einen umgaben sie die Stadt mit einem Belagerungsring, zum anderen musste dieser zugleich nach Außen, gegen das anrückende Entsatzheer der gallischen Stämme verteidigt werden können. Zwar bleiben die Umstände des großen römischen Sieges etwas nebulös, aber die Gefechtsszenen sind groß angelegt und wuchtig.
Das in Cleopatra (1963) breit ausgewalzte Verhältnis zu der berühmten ägyptischen Königin gehört zu den Dingen, die hier nur kurz gestreift werden. Der Sklavenaufstand des „Spartacus“ wird nicht direkt erwähnt. Dass es sich bei den in einer Szene zu sehenden Gefangenen um Nachwirkungen eben jenes Aufstandes handelt, wird eher dem Insider deutlich. Insofern erweisen sich die rund drei Stunden Laufzeit schon als etwas zu knapp, um dem reichhaltigen Leben der Figur gerecht werden zu können – eine wie bei Napoleon vierteilige Version wäre zwar besser gewesen, erschien den Produzenten aber offenbar als zu risikoreich. Dafür entschädigen zumindest teilweise die guten Dialoge sowie die recht sorgfältige – auf überzeugende Atmosphäre in Details Wert legende – Machart des Films. Regisseur Uli Edel dürfte vielen durch Filme wie Letzte Ausfahrt Brooklyn (1989) und Die Nebel von Avalon (TV, 2001) bekannt sein.
Napoleon
Für den berühmten Korsen war Caesar ein großes Vorbild. Napoleon trat als 10-jähriger in die Militärschule von Brienne ein und bewährte sich 1793 bei der Einnahme von Toulon. Kurioserweise setzt überhaupt erst danach die Handlung des vom französischen Regisseur Yves Simoneau inszenierten Vierteilers ein.
Napoleon hat es geschickt verstanden, die Auswirkungen der französischen Revolution für die Umsetzung seiner ehrgeizigen Pläne zu nutzen, sich in Folge sogar die Kaiserkrone in Anwesenheit des Papstes eigenhändig auf’s Haupt zu setzen. Letzteres belegt aber auch, dasss Napoleon in vielem eher ein Anhänger der alten Ordnung war, der als Despot absolutistisch regierte und die Insignien der Revolution hasste: Die berühmte Marseillaise z. B. war in der Napoleonischen Ära verpönt. (Was für Victor Young seinerzeit offenbar kein Hinderungsgrund war, diese trotzdem für den kurzen Auftritt von Napoleon in der Schlussszene von Scaramouche zu zitieren.)
Trotz dieser eher rückwärts gewandten Züge und seiner ausgesprochen rücksichtslosen Vorgehensweise gegenüber politischen Gegnern war der Kaiser der Franzosen pragmatisch genug, Rechtswesen und Verwaltung zu reformieren, was auch die Lebensumstände der Untertanen auf breiter Front spürbar verbesserte. Etwas, was auch in den annektierten Gebieten ähnlich positiv wirkte, da infolge der Napoleonischen Kriege die rückständigen Staaten und Regierungen teilweise zertrümmert oder doch schwer angeschlagen waren. Die Vorzüge der „Franzosenzeit“ sowie das in Frankreich entstandene Nationalgefühl übertrugen sich unauslöschbar ins Bewusstsein der unterdrückten Völker, auch wenn sie den Ursupator mit vereinten Kräften schließlich doch vertrieben.
Mag die Verfilmung über Napoleon in manchem etwas zu sehr die französische – stärker den Staatsmann und erfolgreichen Feldherren verehrende – Sichtweise widerspiegeln und weniger das Bild des menschenverachtenden zynischen Despoten betonen, hier und auch an anderen Stellen helfen eine in vielen Details liebevolle und ausstattungsmäßig prächtige Umsetzung sowie gute Dialoge über einige Schwächen hinweg.
Etwas verwirrend und kurios zugleich wirkt der Rollenvorspann: zuerst mit breiten Balken – CinemaScope-ähnlich – daherkommend, werden diese anschließend auf das 16 : 9-TV-Breitbildformat aufgefahren.
Neben manchen in Gladiator-Manier mit Hilfe des Computers generierten Panorama-Ansichten (z. B. des alten Paris) findet man hier eine Bildsprache, die klar von den oben genannten Filmen, aber ebenso von Desiree (1954), Sascha Guitrys Napoléon (1955) und auch War and Peace • Krieg und Frieden (Regie King Vidor, 1956) inspiriert ist. In Guitrys Film erzählt Talleyrand vor einem Kreis begieriger Zuhörer das Leben der Titelfigur. Im TV-Vierteiler ist der Darsteller des Talleyrand, John Malkovich, sogar die überzeugendste und brillant verkörperte Figur der Filmhandlung. Damit können Christian Clavier als Napoleon, Isabella Rosselini als Josefine de Beauharnais und Gerard Depardieu als Fouché und Heino Ferch als Marquis de Caulaincourt trotz guter Leistungen nicht ganz mithalten. (Gerade Heino Ferchs Rolle wird durch einige unnötig zeitgeschmäcklerisch-moderne Gimmicks beeinträchtigt.)
Den Freunden guter Machart bieten sich geschickte Regieeinfälle: So z. B. beim Treffen mit dem Zaren beim „Frieden von Tilsit“, wo auf ein in Arbeit befindliches Gemälde eines Malers überblendet wird. Zu Beginn des Spanien-Abenteuers werden Landschaftspanorama und nachfolgende Bankettszene (Napoleon mit dem spanischen König nebst Thronfolger) raffiniert zusammen montiert – vergleichbar mit den fantasievollen Übergängen zwischen den verschiedenen Zeitebenen der Filmhandlung in Highlander (1985). Zwar zeigen die Spanien-Sequenzen recht eindringlich Guerilla-Aktion und blutige französische Vergeltung, im Kolorit sind sie aber insgesamt wenig überzeugend geraten.
Licht und Schatten bieten auch die mit Hilfe von viel Computer-Trick im Stile von The Patriot zum Teil eindrucksvoll gestalteten Schlacht- und Marschpanoramen. Austerlitz kommt ordentlich herüber, bei Jena allerdings wirkt die zwischen den teilweise bereits zusammenbrechenden preußischen Schlachtformationen in der Kutsche durchfahrende Königin Luise doch völlig unglaubwürdig und damit unnötig lächerlich. Der knappe Sieg über die Russen bei Eylau (1807) findet im Februarschnee, in kühlem winterlichem Blau und dazu stark gedämpften Farben statt. Und sehr eindrucksvoll ist das stark an Wojna i Mir • Krieg und Frieden (1965-67) erinnernde Auftauchen der „Großen Armee“ vor Moskau. Wobei hier allerdings die diesem Ereignis vorausgegangene große Schlacht von Borodino nicht nur nicht gezeigt wird, ja in einem Dialog sogar der Anschein entsteht, als stünde sie noch bevor. Überhaupt wird das Scheitern des Russland-Feldzuges anschließend allein durch eine recht kurze Szene knapp angedeutet – lang gezogene Marschkolonnen im Schneegestöber, kleiner Kosakenangriff inklusive.
Auf die Befreiungskriege (1813-14) wird kaum visuell eingegangen, die hierbei entscheidende und zugleich größte Schlacht der Epoche, die „Völkerschlacht bei Leipzig“, findet im Film überhaupt keine Erwähnung. Dafür wird die, nach der Rückkehr von der Insel Elba, am 18. Juni 1815 bei Waterloo stattgefundene letzte Schlacht klar im Geiste des großen Kinovorläufers Waterloo (1970) inszeniert – zwar deutlich kleiner, aber recht respektabel umgesetzt.
Die Filme auf DVD
Beide Filmteile von Julius Caesar sind ohne Pause auf einer DVD zusammengefasst. Napoleon besteht aus zwei DVDs, die jeweils zwei Filmteile, komplett mit Vor- und Abspann sowie einleitender Rückblende enthalten. Die Bildqualität ist in beiden Fällen sehr gut. Allein gelegentliche leichte Unschärfen trüben ein wenig den ansonsten sehr positiven Eindruck. Insbesondere Napoleon kommt in strahlenden Farben daher.
Ebenso ist der Ton beider Produktionen qualitativ vergleichbar. Die Tonkulisse ist in der Regel sauber verräumlicht, allerdings in den Schlachten von Napoleon etwas effektschwach geraten. Nur bei Julius Caesar kann der Ton in Deutsch und Englisch gewählt werden, das DVD-Doppelpack zu Napoleon verfügt allein über die deutsche Tonfassung.
Im Zusatzmaterial gibt’s bei Julius Caesar ein knapp 12-minütiges kleines Making of und eine Chronologie über das Leben der Titelfigur sowie Infos zu Cast und Crew auf ordentlichen Texttafeln. Napoleon bietet auf der DVD-1 allein entsprechende Texttafeln mit Infos zu Cast und Crew und auf der DVD-2 gibt es Texttafeln zu „Napoleon – Chronologie eines Lebens“ und „Napoleon und Macht“.