Im Jahr 1994 hat Brouce Broughton mit der Sinfonia of London für das Label Intrada eine sowohl interpretatorisch wie klanglich sehr gute, umfassende Neueinspielung des Scores zu Ivanhoe vorgelegt. Das Jahr 2002 brachte auf dem Rhino-Label erstmals eine (fast) komplette Ausgabe des Originals. Beide Alben haben ihre Meriten. Wer auf Vollständigkeit entscheidenden Wert legt und auch wer grundsätzlich die Original-Einspielung besitzen möchte, kommt an der sehr sorgfältig editierten Rhino-CD nicht vorbei. Diese wartet mit sehr ordentlichem klarem Mono-Sound auf – die ursprünglichen Stereo-Magneton-Filmmaster existieren nicht mehr. (Ein Fehler befindet sich im Tracklisting auf der Rückseite der CD-Box, das einen Track zuwenig nennt. Die Auflistung auf der vorletzten Seite des sehr informativen Booklets hingegen ist mit ihren 27 Track-Titeln korrekt.)
Die Intrada-Version kommt mit sehr sattem und transparentem Stereo-Klang daher. Infolge anderer Abmischung klingt die Neueinspielung schon merklich anders ausbalanciert und nuanciert als das Original. Bruce Broughton dirigiert dynamisch, geht aber mit etwas langsameren (jedoch keinesfalls zerdehnenden) Tempi zu Werke, so dass auf den ersten Blick nicht auffällt, dass die Intrada-CD trotz rund drei Minuten längerer Spielzeit etwa fünf Minuten weniger Musik-Material enthält. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um das Material folgender Stücke der Rhino-Edition: „Isaac of York“, „Bois Guilbert’s Passion“ sowie den „Epilogue“.
Auf der Rhino-CD fehlen gegenüber der Filmfassung mindestens zwei weitere Fanfaren – eine beim Ashby-Tournier und eine beim Gottesgericht. Darüber hinaus sollen sich im MGM-Archiv noch einige weitere – wohl alternative – Fanfaren befinden, die ebenfalls nicht den Weg auf das Album gefunden haben. Die Intrada-Version ist gegenüber der Rhino-Fassung noch etwas fanfarenärmer geraten: Broughton spielte nur zwei der Tournier-Fanfaren ein, dafür enthält allein seine Einspielung eine Passage der den finalen Zweikampf beim Gottesgericht begleitenden archaischen Paukenschläge.
(Dies sei hier aber mehr der Vollständigkeit halber angemerkt: Ich will keinesfalls wegen ein paar fehlender kurzer Fanfaren oder auch etwas fehlendem – keineswegs entscheidenden – Musikmaterial den Wert der beiden Editionen relativieren oder gar überhaupt in Zweifel ziehen!)
Die Broughton-Neueinspielung hat, obwohl etwas weniger vollständig, besonders klangliche Vorzüge. Wer für eine interpretatorisch tadellose Stereo-Neuaufnahme des Scores in einer „substanziell“ vollständigen Fassung offen ist, der geht hier keineswegs fehl. Und auch wer vielleicht nur eine der beiden Ivanhoe-Editionen haben möchte und dabei eben möglichst optimale Klangtechnik wünscht, ist mit dem Intrada-Album gut beraten. Das Booklet ist ebenfalls recht informativ gehalten, aber insgesamt etwas sparsamer ausgestattet.
Eine nicht allein editorische Glanzleistung ist das FSM-Doppel-CD-Album mit den vollständigen Musiken zu Knights of the Round Table und The King’s Thief. Die CD-1 präsentiert den vollständigen Score der Filmversion von Knights of the Round Table und CD-2 im rund 22-minütigen Anhang (zu The King’s Thief) alternative Versionen einiger Cues sowie von Rózsa komponierte Source-Music. Besonders erwähnenswert ist hierbei der gerade bei den Rittern außergewöhnlich gute Zustand der immerhin rund 50 Jahre alten Stereo-Tonmaster, die sogar durchgehend geradezu fantastisch klingen: Es darf schon als ein echter Glücksfall bezeichnet werden, dass sich das Original dieser brillanten Filmmusik in derart hervorragender Qualität erhalten hat.
Zusammen mit der ebenfalls sehr hörenswerten Musik zu The King’s Thief erhält der Käufer insgesamt rund 150 Minuten guten bis hervorragenden Rózsa und das (mit 24,95 $) zu einem fairen Preis. Das Booklet ist (wie üblich) recht üppig bebildert, wobei allerdings das Bildmaterial zu Knights of the Round Table so unscharf und grobkörnig aussieht, als sei es von mittelmäßiger VHS-Kassette kopiert worden. Zu den verschwommenen Hintergründen der oben genannten Muir-Mathieson-Einspielung finden sich allerdings keinerlei klärende Informationen: eine verpasste Chance. Im Übrigen liefert der Booklet-Text (wie gewohnt) willkommene detaillierte Infos zu den einzelnen Musikstücken und auch zur Produktion der Filme. Die ticker-tape-Ausgabe von The King’s Thief bleibt dabei in der Aufzählung bisheriger (auch auszugsweiser) Veröffentlichungen ungenannt. Das ist schon dubios – immerhin handelt es sich dabei um eine hierzulande immerhin legale, wenn auch (da nicht offiziell lizensiert) nicht sauber legitimierte Veröffentlichung.
Nicht zuletzt wegen des Spektakels um das damals neuartige CinemaScope war auch Knights of the Round Table an den Kinokassen so erfolgreich, dass Richard Thorpe nochmals einen Film realisieren sollte, in dem ritterliche Tugenden eine gewichtige Rolle spielen; und auch Robert Taylor war in der Titelrolle ein weiteres Mal mit von der Partie. Mit Quentin Durward • Liebe, Tod und Teufel (1955) setzten Thorpe und Taylor zugleich den Schlusspunkt einer Trilogie über Aufstieg (Knights of the Round Table), Blüte (Ivanhoe) und Niedergang (Quentin Durward) des Rittertums. Bronislaw Kapers schöne Musik zum Letztgenannten wäre ein weiterer Kandidat für eine entsprechend liebevolle FSM-Veröffentlichung. Alles in allem kann der Freund von nicht allein der Musik Miklós Rózsas mit der Bilanz des Jahres 2002 und auch der des laufenden mehr als nur zufrieden sein.
Dank an Reinhard Kröner, der sich nicht allein die Mühe machte, beide Ivanhoe-Einspielungen detailliert miteinander zu vergleichen, sondern auch einige wertvolle Anregungen beigesteuert hat.
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