Indiana Jones: The Soundtracks Collection

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
5. Februar 2009
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

Wohl keiner kennt ihn nicht, den berühmten Indiana-Jones-Marsch, der in vergleichbarem Maße mitsummbarer Bestandteil der Popkultur geworden ist wie die Star-Wars-Fanfare und ganz besonders der Darth-Vader-Marsch. Manch einer dürfte das 1993er Star-Wars-Boxed-Set von Arista im Schrank stehen haben. „Nur“ rund sechzehn Jahre nach dem Start des ersten Films des aus einer weit entfernten Galaxis stammenden — mittlerweile zur Filmhexalogie angewachsenen — Leinwandopus erhielten die Freunde und Fans der zugehörigen Williams-Musiken erstmalig Nachschlag zu den zum jeweiligen Kinostart veröffentlichten Musikalben. Auf drei CDs finden sich darin erweiterte Versionen der Musiken zu den ersten drei Star-Wars-Filmen sowie ein vierter Tonträger mit zusätzlichen Bonusstücken aus allen drei Filmen.

Auf die Hebung des verlorenen musikalischen Schatzes zu den Abenteuern des so markanten Archäologen mit Hut und Peitsche musste sogar noch erheblich länger gewartet werden. Zwar erschien bereits 1995 auf DCC eine um rund 32 Minuten verlängerte CD-Version der Musik zum 1981er Erstling Raiders of the Lost Ark. Die damit genährten Erwartungen auf ähnlich expandierte Ausgaben der Musiken zum zweiten und dritten Film blieben jedoch lange unerfüllt. Erst nochmals rund 13 Lenze später, 2008, im Jahr des vierten Films Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels, wurde von Concord die „Indiana Jones: The Soundtracks Collection“ angekündigt, welche seit Mitte Dezember auch hierzulande erhältlich ist.

Besagte Kollektion ist in einem soliden Pappschuber mit lederartigem Look beheimatet und besteht aus insgesamt fünf CDs. Drei CDs im Digipak-Design beinhalten erweiterte Fassungen zu den ersten drei Indiana-Jones-Filmabenteuern. Digipak Nummero vier enthält das bereits im vergangenen Jahr separat erschienene CD-Album zum vierten Indy-Film, freilich ohne zusätzliche Musik. Die fünfte CD der Kollektion kommt dafür in einer schlichten Papp-Stecktasche daher. Sie enthält rund 30 Minuten weiteren Musikmaterials aus den ersten drei Filmen nebst einem Konglomerat von rund 17 Minuten Interviewmaterial mit Filmproduzent George Lucas, Regisseur Spielberg und Komponist John Williams. Hinzu kommt noch ein 30-seitiges Begleitheft, das allerdings ausschließlich mit einer netten Bilder-Sammlung zum Indy-Mythos sowie Produktionscredits des Reissue-Teams um Laurent Bouzereau aufwartet. Zwar ist jedem der vier Digipaks noch ein kleines separates Begleitheft beigegeben. Neben überwiegend Bildern finden sich darin aber nur äußerst knappe, völlig allgemeine Infos, die darüber hinaus auch noch in allen Broschüren zum Großteil identisch sind. Auf eingehendere Hinweise zur Musik, wie im hochformatigen, dicken Begleitheft zur o. g. Star-Wars-Trilogie-Box, verfasst von Jon Burlingame, muss man hier also leider komplett verzichten.

Dafür wartet die Indiana-Jones-Box gegenüber den bisherigen Veröffentlichungen immerhin mit insgesamt rund 80 Minuten neuer Musik auf. Davon entfallen rund 45 Minuten auf Temple of Doom und etwa 30 Minuten auf Last Crusade. Beim 1981er Erstling Raiders of the Lost Ark fällt infolge der o. g. DCC-Edition der Zugewinn (ca. 5 Minuten) deutlich bescheidener aus. Zwar sind im in der Kollektion vertretenen Musikmaterial zu Raiders of the Lost Ark drei völlig neue Stücke (Tracks 5, 10 & 14), dafür aber leider nicht sämtliche bereits zuvor auf LP und/oder CD veröffentlichte Musik enthalten. Dabei geht es an dieser Stelle allerdings um eher kleinere Auslassungen. Recht markant ist dabei die auf der 1993er DCC-CD komplette „Desert Chase“, welche hier nun wieder im alten, um rund eine Dreiviertelminute kürzeren LP-Albumschnitt vorliegt.

In einem Interview für Film Score Monthly hat Produzent Laurent Bouzereau eine Reihe aufschlussreicher Anmerkungen zum Produktionsprozess gemacht. Offenbar waren zuerst nur geringfügig erweiterte Widerveröffentlichungen der alten Alben geplant — was übrigens gut mit der nach der Ankündigung von Concord geraume Zeit bestehenden Unklarheit über das zu Erwartende zusammenpasst. Erfreulicherweise entwickelten sich die Dinge anschließend für die Sammler bedeutend freundlicher (s. o.). Zwar bekommt man nicht die jeweils komplette Filmmusik, aber pro Film liegt jetzt immerhin eine repräsentative Musikzusammenstellung vor, deren Umfang über den der alten Doppel-LP-Ausgaben zu Star Wars oder Superman noch etwas hinausgeht. Für sich genommen erscheint CD Nr. 5, bestückt mit „nur“ rund 36 Minuten Musik sowie eher wenig aufregenden Interviewschnipseln, auf den ersten Blick etwas unausgegoren. Allerdings beruht dieser Tonträger auf einer Entscheidung in allerletzter Minute. Und da sich John Williams und Lucasfilm letzte editorische Entscheidungen vorbehalten haben, erklären sich Fälle wie im o. g. „Desert Chase“.

Nicht so ohne Weiteres erklärlich sind dafür andere Dinge: So die Tatsache, dass die neuen Abmischungen zwar insgesamt klanglich gegenüber den früheren verbessert wurden, jetzt zwar mehr Transparenz und damit Details offenbaren, aber unnötigerweise in der Dynamik eingeengt worden sind. Sie sind im Pegel angehoben, klingen insgesamt lauter, aber ein wirkliches Piano gibt es halt nicht mehr. Ebenfalls ist etwas seltsam, dass offenbar einige Stücke nicht mit völlig korrekter Geschwindigkeit überspielt worden sind.

Zum „Soundtrack“, also der Filmtonspur, wird die Box-Edition übrigens streng genommen nur an einer Stelle: in der den Film fulminant eröffnenden Szene im Nachtclub in Temple of Doom. In der exzellenten wie augenzwinkernden Hommage an die Ära der Hollywood-Musicals mit „Anything Goes“ sind neben der Musik kurzeitig auch Geräusche (hier das Getrappel der steppenden Revue-Tänzerinnen) vernehmbar. Ein kleinerer Lapsus, der sich ebenso bereits beim alten LP-Schnitt findet.

Doch unterm Strich überwiegt klar das Positive. Wer darüber hinaus mehr Informationen zu den einzelnen Indiana-Jones-Musiken möchte und vielleicht auch eine Vorstellung davon bekommen will, was uns in fernerer Zukunft mit ziemlicher Sicherheit dargebotene wahrhaft vollständige Ausgaben der Musiken zu allen vier Filmen zusätzlich noch zu bieten haben, der wird hier fündig: www.indianajonesmusic.com.

Primär eine Abfolge schmissiger Themen mit Ohrwurmqualität bedeutet allerdings auch die musikalische Reise durch das musikalische Indiana-Jones-Imperium von John Williams nicht. Leichter und unmittelbar Zugängliches, mitreißend eingesetzter breite thematische Einfälle und anfänglich eher spröde, dabei freilich nur selten blutleere, stärker atmosphärische Teile stehen häufig dicht nebeneinander. Was unmittelbare Hörqualität angeht, ist z. B. der alte LP/CD-Schnitt von Temple of Doom ganz vorzüglich, besitzt einen Effekt, den die Langfassung so nicht erreicht, auch wenn sie bei etwas eingehenderem Hörstudium ihre klaren Vorzüge rasch offenbart.

Die Musik zum zweiten Indiana-Jones-Filmabenteuer gewinnt durch die Ergänzungen am meisten Substanzielles hinzu. Temple of Doom erweist sich damit (vergleichbar mit The Empire Strikes Back) als der an Einfällen reichhaltigste und auch kompositorisch insgesamt besonders meisterhaft ausgeführte Score des Indy-Kosmos. Neben der geschickt eingearbeiteten klanglichen Exotik steht dafür auch eine äußerst vielseitige Instrumentierung. Hierfür müssen in jedem Fall fünfeinhalb oder gar volle sechs Sterne angesetzt werden. Last Crusade rangiert mit vollen fünfen etwas dahinter; gefolgt von Raiders of the Lost Ark mit viereinhalb und als immerhin doch sehr respektables „Schlusslicht“ auf der Bewertungsskala folgt Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels mit vier Cinemusic.de-Sternlein.

Die fünf Sterne für die CD-Box „Indiana Jones: The Soundtracks Collection“ sind dagegen im Sinne einer „Albumwertung“ zu verstehen. Neben der Musik zielt diese einmal auf den Repertoirewert, aber auch auf die technische Präsentation ab. Aber natürlich soll damit ebenso der erst einmal die Cinemusic.de-Präsentation überfliegende, zuerst nach besonders „Markantem“ Ausschau haltende Leser bei der Stange gehalten werden.

Fazit: Die vorliegende „Indiana Jones: The Soundtracks Collection“ ist zwar nicht die definitive Ausgabe (im Sinne von vollständig) zu John Williams’ Indiana-Jones-Musiken, aber in jedem Fall eine, mit der man erst einmal sehr gut leben kann. Die durchweg sehr günstigen Preise der diversen Anbieter sind dabei behilflich, über die meist kleineren Unzulänglichkeiten des Box-Sets hinwegzusehen und hinwegzuhören.

© aller Logos und Abbildungen bei den Rechteinhabern (All pictures, trademarks and logos are protected).

Komponist:
Williams, John

Erschienen:
2008
Sampler:
Concord
Kennung:
CRE-31000-02 (5-CD-Box)

Weitere interessante Beiträge:

Million Dollar Baby

Million Dollar Baby

Frank Bridge – Orchestral Works, Vol. 2

Frank Bridge – Orchestral Works, Vol. 2

Terminator 3: Rise of the Machines

Terminator 3: Rise of the Machines

Martin Böttcher: Deutsche Filmkomponisten, Folge 1

Martin Böttcher: Deutsche Filmkomponisten, Folge 1

Cinemusic.de