Independence Day

Geschrieben von:
Dietrich Haas
Veröffentlicht am:
27. Februar 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Mit Independence Day brachte Roland Emmerich 1996 seinen zweiten, kommerziell ungemein erfolgreichen, Blockbuster in die Kinos. Wieder einmal war nicht die ausgeklügelte Handlung dafür verantwortlich – im Gegenteil; Logische Brüche und so mancher dramaturgische Fehler sorgten damals für eher schlechte Kritiken, die den Film nicht ganz unberechtigt als patriotisch-plattes Popcornkino aburteilten.
Unbestritten war allerdings der hohe Unterhaltungsfaktor des Filmes mit bis dahin nicht bekannten Spezialeffekten und furiosen Actionszenen.

Zum Inhalt:

Ähnlich wie in Stargate geht es wieder um den Kampf zwischen der Menschheit und schlecht aufgelegten Außerirdischen. Nur ist es dieses Mal nicht nötig, mittels Sternentor auf einen fernen Planeten zu reisen, der extra-terrestrische Ungemach trifft uns direkt vor der Haustür.
Im folgenden gigantischen Zerstörungsszenario geht es der Menschheit an den Kragen.
Doch natürlich gelingt es den Gepeinigten, inklusive so mancher Slapstick-Szene, ein wirksames Gegenmittel zu finden.
Negativ aufgestoßen sein dürfte wohl vor allem dem internationalen Publikum, dass ausgerechnet ein Europäer den wohl pro-amerikanischsten Film der 90er drehte. Schließlich sind es unsere Freunde jenseits des großen Teichs, unter deren Führung die angesichts der globalen Bedrohung verbündeten Völker der Erde zum final-erfolgreichen Gegenschlag gegen die außerirdischen Invasoren ausholen, und so fehlt es auch nicht an flammenden Reden, wehenden Flaggen und einem US-Präsidenten, der selbstlos in die Schlacht zieht.

Um der äußerst abwechslungsreichen, groß besetzten Filmmusik zu Independence Day gerecht zu werden, ist es nötig, auf einzelne Titel der CD näher einzugehen.

Der Film beginnt mit einer Einstellung, die einen Blick auf das Mahnmal der ersten Mondlandung freigibt, eine friedensbringende Botschaft der Menschheit an alle Lebensformen, die sich in ferner Zukunft mal auf den Erdtrabanten verirren sollten.
Plötzlich beginnt der Boden zu beben, und der Zuschauer bekommt zum ersten Mal das – gigantische Mutterschiff der Aliens zu Gesicht – ein sehr düsterer, beklemmender Auftakt.

David Arnold untermalt diese Anfangsszene (Titel 1 „We Came – in Peace“) mit einem tiefen Klangteppich, über dem eine Solo-Trompete erstmals das heroische Hauptthema intoniert. Die Passage weckt Erinnerungen an die Ouvertüre von James Horners Score zu Apollo 13.
Analog der Filmhandlung steigert sich die Musik im Folgenden, Arnold baut konsequent Spannung auf, die sich schließlich im dramatischen Finale im tiefen Blech, massivem Schlagwerk und Chor entlädt.
In Titel 2 „S.E.T.I.-Radio Signal“ erklingt in den Blechbläsern zum ersten Mal das düstere Alien-Leitmotiv. Zusätzlich offenbart sich hier ein markanter Unterschied zu oben besprochenem Stargate-Score: Arnold bedient sich hier in Form von akustischen Effekten deutlich hörbar der elektronischen Komponente. So lassen sich (u. a. in Cue 3 „The Darkest Day“) Klangparallelen zu den späteren Bond-Scores ziehen.
Im Bereich der dynamisch-wilden Actionpassagen sind Titel 5 „Evacuation“ und 6 „Firestorm“ hervorzuheben. In zuerst genanntem Stück werden mit der Zerstörung des Empire State Buildings die wahren Absichten der Außerirdischen deutlich. Nach zunächst lyrischem Beginn schwingt sich die Musik zur donnernden Schlachtenuntermalung empor,
neben dem obligatorischen Blech und Schlagwerk fällt vor allem die geschickte Verwendung der Streicher auf;
Wann immer ein Raumschiff mittels seines zerstörerischen Energiestrahles ein Gebäude dem Erdboden gleichmacht, wird das durch ein ausgedehntes Glissando der hohen Streicher begleitet. Während dieser „Ruhe vor dem Sturm“ hat das Orchester Pause, um in der Folge nur – noch vehementer loszubrechen.
Den Höhepunkt in dieser Richtung – stellt Titel 6 „Firestorm“ dar. Allerdings ist das Stück isoliert vom Film meines Erachtens nur schwer zu verdauen; wild und konfus, gespickt mit schreienden Dissonanzen kann man hier von klanglichem Lärm sprechen.
Wohltuendes Gegenstück ist Titel 7 „Aftermath“, traurig-melancholisch unterlegt kriegt man hier das ganze Ausmaß der Zerstörung zu sehen, wobei der Chor pathetisch in den Vordergrund rückt, sobald die gefallene Freiheitsstatue ins Bild kommt.
Auch andere Stücke zeigen auf gefällige Weise, dass der Komponist nicht nur den Klangbombast beherrscht. So z. B. Titel 4 „Canceled Leave“, der, mit Harfe und einfachem Holzbläsersatz zurückhaltend orchestriert, einen akustischen Ruhepol auf der CD darstellt.

Insgesamt offenbart der Score einen enormen melodischen Einfallsreichtum des Komponisten, um einen anderen Rezensenten zu zitieren: „Die Musik bietet genug thematisches Material, um noch so manch andere Filme damit zu versorgen.“

Das definitive Highlight dieses Scores bildet der „End Title“. Hier werden neben einer bis dahin noch nicht präsentierten Anfangs-Fanfare in einer Art Suite noch mal nahezu alle Themen präsentiert, das majestätische Hauptthema ist in schwelgerisch auskomponierter Weise mit voller Besetzung zu hören. Nach einem von Solo-Cello getragenem Zwischenteil und anschließender Reprise schwillt die Musik zum Schluss noch mal zu einer regelrecht bombastischen Schlussakkordreihe (volles Blech, Chor, Schlagwerk inklusive Tamtam) an.

Allein aufgrund dieses rund neunminütigem Schlusstitels hätte der Score ohne Bedenken noch einen halben Stern mehr verdient, doch leider verspielt dies die Album-Konzeption:
Bedauerlicherweise repräsentiert die auf der CD befindliche Musik, bei ordentlicher Spielzeit, nur rund die Hälfte der für den Film komponierten Musik. Ein Schicksal, dass David Arnold im Übrigen auch bei Tomorrow Never Dies • Der Morgen stirbt nie widerfahren ist. Nur gab es hier noch eine spätere Edition, die diesen Mangel behob.
Des Weiteren ist es ärgerlich, dass man die Tracklist nur auf die CD selber gedruckt hat – ein Missgriff, der eigentlich einem renommierten Label wie RCA Victor nicht passieren dürfte.
So kann man nie mitlesen, was man sich eigentlich gerade anhört.

Der Musik tut dies keinen Abbruch, wohl aber der ansonsten sehr positiven Bewertung dieser Score-Veröffentlichung.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Arnold, David

Erschienen:
1996
Gesamtspielzeit:
50:41 Minuten
Sampler:
RCA Victor/BMG Classics
Kennung:
09026 68564 2

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