Das Buch zum Film
Die Macher von Microcosmos (1996), Claude Nuridsany und Marie Pérennou, zeigen in ihrem neuen Film Genesis – seit dem 14. Oktober 2004 in den deutschen Kinos – ihre ganz persönliche Version des Schöpfungsmythos. Das hier Präsentierte ist zweifellos eigenwillig, ist eine Mixtur aus Fiktion und modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Einen Ausgangspunkt für den Film lieferte die Inspiration durch einen Illustrationsband zum ersten Buch des Alten Testaments. Daraus resultierte unter anderem die Idee, die Schöpfungsgeschichte in Form eines eigenen Mythos erzählen zu lassen. Der Schauspieler Sotigui Kouyaté verkörpert dabei einen Schamanen, der als Afrikaner im doppelten Sinne Symbol sein soll: Afrika steht für die Wiege der Menschheit und der Schamane für die Urform des (Märchen-)Erzählers überhaupt.
Über 80 Minuten zieht am Zuschauer eine bildgewaltige Collage erlesener Naturschauspiele, fotografiert in Topqualität (sämtlich aufgenommen auf 35-mm-Film) vorüber. Die Geschichte der Evolution und der Zyklus des Lebens als Reigen von Geburt, Leben und Tod wird in teilweise witzig-komischen, aber auch dramatischen Bildern visualisiert, in denen Darwins schonungsloses Prinzip vom Überleben des Stärkeren drastisch veranschaulicht wird.
Die beiden Franzosen arbeiteten an diesem Film insgesamt 6 Jahre, wobei die Außenaufnahmen in mühevoller Detailarbeit an vielfältigen Originalschauplätzen, Island, Madagaskar, den Galapagos Inseln und in Polynesien, aufgenommen wurden. Als Darsteller fungieren Tiere (wie der Grabfrosch), die, wie auch Alltägliches – z. B. Inseln aus Schaum auf Milchkaffee – als Metaphern fungieren: So steht der langsam aus dem Schlamm emporsteigende Grabfrosch für den biblischen Mythos der Erschaffung des Menschen aus einem Lehmklumpen; die aufeinander zustrebenden und zusammenfließenden Schauminseln auf einer Flüssigkeit symbolisieren die Liebe und die Verschmelzung zweier Körper durch Sexualität. Dem gegenüber stehen wiederum eindrucksvolle, nie zuvor gesehene Aufnahmen eines menschlichen Fötus, die aus Dr. Jean-Marc Levallants rund zweieinhalbjähriger Forschungsarbeit mit Hilfe einer neuartigen Ultraschalltechnik stammen.
Wer sich auf diese zweifellos eigensinnige Synthese aus poetischer Mystik und Wissenschaft der beiden Biologen Claude Nuridsany und Marie Pérennou einlassen mag, für den dürfte der als Foto-Textband zum Film aus der Reihe „Großartige Natur“ (erschienen im Gerstenberg Verlag) besonders prädestiniert sein. Das Buch präsentiert eine Reihe prachtvoller Hochglanzfotos auf Kunstdruckpapier eingerahmt in lyrische Texte, in denen die Macher ihre Gedanken und Ideen für die Herstellung von Genesis darlegen. Ein komplettes Kapitel ist dabei der „Genese des Films“ gewidmet. Und bei der Schönheit und Faszination, die auch durch die hier vereinte Auswahl fotografischer Highlights aus den 80 Filmminuten erfahrbar wird, kommt auch die Poesie nicht zu kurz. Eingestreut zwischen die Bilderfolgen finden sich auf halbdurchsichtigen Seiten aus Pergamentpapier Auszüge der im Film vom als Erzähler fungierenden Schamanen dargebotenen Texte, wie: „Wie zwei Liebende ziehen die Inselchen aus Schaum einander an und verschmelzen miteinander. So wurde die Liebe geboren, die uns alle gebar. Geboren aus dieser Spielregel des Lebens, der zufolge man zu zweit sein muss, um ein Drittes zu erzeugen. Jeder besitzt nur die Hälfte von dem, was dafür erforderlich ist, etwas Neues zu schaffen. Um sich seiner anderen Hälfte zu nähern, gibt es nur einen Weg: sie zu verführen. Die Verführung ist eine Kraft, die Entfernungen überwindet – wie die Anziehungskraft der Körper. Sie ist ein mächtiger, drängender Ruf “
Woher kommen wir? Eine eigenwillige Antwort auf die essentielle Frage zur Schöpfungsgeschichte präsentiert neben dem Film auch das gleichnamige Buch, das als Souvenir und zugleich Ergänzung zum Film gedacht ist. Aber nicht ausschließlich diejenigen, die bereits vom Kinobesuch fasziniert waren, dürften von der geschmackvoll aufgemachten Publikation angetan sein. So mancher Freund derartiger Bildbände dürfte allein durch das Studium dieses prächtigen Buches auf den Film neugierig gemacht werden können.