Für immer Immenhof

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
10. April 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Ponys in sommerlicher Sonne auf den sattgrünen Wiesen eines Gutshofes in der romantischen Holsteinischen Schweiz: Das ist die Szenerie für eine besonders erfolgreiche Filmtrilogie der 50er Jahre: Die Mädels vom Immenhof (1955), Hochzeit auf Immenhof (1956) und Ferien auf Immenhof (1957). Ausgangspunkt war der Kinderroman „Dick und Dalli und die Ponies“ von Ursula Bruns, der (zusammen mit den Filmen) zugleich die Popularisierung der Islandponys einleitete.

Populär machten die Filme besonders Heidi Brühl, die Darstellerin der kessen blonden Dalli. Der Kinderstar der 50er avancierte daraufhin nicht allein zur erfolgreichen Musical- und Schlagersängerin, er lächelte dem deutschen Kinopublikum der 60er und 70er Jahre auch regelmäßig von der Leinwand entgegen. Neben Heidi Brühl agiert als zweites Mädel vom Immenhof die brünette Angelika Meissner-Voelkner. Heute würde man sie pubertierende Teenager nennen, seinerzeit waren die beiden „Backfische“, deren erste Liebesnöte und Herzschmerz-Geschichten zeittypisch noch wenig sexbetont sind. Auch dieses heutzutage unschuldige Backfisch-Flair war etwas, das den Erfolg mitbegründen half.

Sieht man die Filme heute, wirken sie wie eine nostalgische Zeitreise, zurück in die Ära des einsetzenden Wirtschaftswunders. Sommersonne und Hufgetrappel auf grünen Wiesen, das riecht stark nach typischem Heimatfilm. In diese Kategorie passen die Filme schon, allerdings besitzen sie bei allem zeittypischen Flair einer „heile(n) Welt“ auch ein gerütteltes Maß an Alltagsproblematik. Etwas, mit dem sich auch das damalige erwachsene Publikum identifizieren konnte. So baut sich der Reiterhofbetreiber Jochen von Roth (Paul Klinger), ein Spätheimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft, mühsam eine neue Existenz auf und die Immenhof-Familie um Oma Jantzen (Margarethe Hagen) sucht ihr völlig verschuldetes Anwesen vor der Zwangsversteigerung zu bewahren. In der Art und Weise, wie der Immenhof-Clan allen Widrigkeiten trotzt und Hindernisse zupackend und gemeinsam aus dem Wege räumt, spiegelt sich die Aufbruchstimmung des langsam in Fahrt kommenden Wirtschaftswunders wider. Die Immenhof-Trilogie gehörte zu Filmen, die seinerzeit ein generationsübergreifender Kinospaß für jung und alt und damit Kino für die ganze Familie waren. Dank vielfacher Wiederholung im TV sind die Filme aber außerdem für mehr als nur eine Generation von Kinogängern zur unauslöschlichen Kindheitserinnerung geworden.

Der Produzent Gero Weder versuchte übrigens in den 70ern nochmals an den Erfolg des filmischen Dreierpacks anzuknüpfen: Allerdings, sowohl Die Zwillinge vom Immenhof (1973) als auch Frühling auf Immenhof (1974) stießen nur auf geringfügige Zuschauerresonanz. Neben den veränderten Seh- und Rezeptionsgewohnheiten eines nachgewachsenen jüngeren Publikums dürfte dafür mitverantwortlich sein, dass außer Heidi Brühl von der alten Schauspieler-Garde niemand mehr dabei war. Nicht allein Margarethe Hagen und Paul Klinger lebten nicht mehr, auch ein weiteres Original der Filme, Paul Henckels, der den humorigen Landtierarzt Dr. Pudlich verkörperte, war zwischenzeitlich verstorben.

Auf der Kompilations-CD „Für immer Immenhof“ hat jetzt Bear Family Records der „klassischen“ Immenhof-Filmtrilogie der Fifties ein sehr liebevoll ausgestattetes und wohlklingendes Denkmal gesetzt. Die Gemeinde der Immenhof-Fans erhält einen überzeugend konzipierten Querschnitt aus den drei Filmmusiken.

Für die Musik zum ersten Film, Die Mädels vom Immenhof, zeichnet Norbert Schultze verantwortlich. Da keine separaten Musikaufnahmen mehr existieren, hat man hier zwei Lieder und die Schlussmusik direkt vom Film transferiert. Hans-Martin Majewski betreute sowohl Hochzeit auf Immenhof als auch Ferien auf Immenhof. Hier konnte nahezu vollständig auf Magnetaufzeichnungen der Musik-Einspielungen zurückgegriffen werden. Von den beiden Majewski-Kompositionen sind jeweils über eine halbe Stunde vertreten. Die Auffrischung der hörbar betagten Tonmaster ist recht gut gelungen: Somit ist der Mono-Klang zwar qualitativ leicht schwankend und altersbedingt etwas belegt, darf aber alles in allem als recht präsent und durchaus befriedigend bezeichnet werden.

Das Rückgrat aller drei Filmvertonungen bilden die Themen der einkomponierten Lieder. So sind zweifellos „Dideldum-Didelda“ aus dem ersten oder auch das „Pony-Lied“ aus dem zweiten Film vielen Liebhabern in Erinnerung. Entsprechend ist Nostalgie-Charme sicherlich eine wesentliche Ingredienz, die die Ausgrabung dieser Musiken rechtfertigt. Dabei fällt beim Anhören schnell das überaus solide Handwerk von Hans-Martin Majewski auf. Dem Hörer bietet sich ein sorgfältig gestaltetes Spektrum, das thematische Variationen der Lied-Themen geschickt in verschiedene klangliche Gewänder kleidet. So finden sich sehr solide gearbeitete und abwechslungsreich instrumentierte, melodiebetonte Light-Sinfonik und ebenso swingende Big-Band-Einflüsse. Und auch für Cowboy-Romantik ist gesorgt. Dafür steht das für Ferien auf Immenhof im Hillbilly-Stil komponierte Lied „Meine Wiege stand im Westen“. In „Reitersilhouette“ erscheint es gefühlvoll-schimmernd instrumentiert, lässt so die in der Ferne (wohl in der Abendsonne) Vorüberreitenden plastisch werden und sorgt geradezu für ein Prä-Karl-May-Film-Feeling — verweist auf Riz Ortolanis Musik zu Old Shatterhand (1967). Und natürlich fehlt auch manch spielerisch und zugleich fantasievoll umgesetztes Mickey-Mousing nicht, z. B. wenn das Wiehern der Ponys tonmalerisch durch gestopfte Trompeten in Musik umgesetzt wird. Dies alles macht das Album zur sehr unterhaltsamen und überhaupt sehr runden Sache. Und obwohl viele der einzelnen Tracks nur eine Minute oder sogar kürzer sind, entsteht nicht der Eindruck eines totalen Flickenteppichs und nur vereinzelt wirkt das Gebotene etwas redundant und hängt damit ein wenig durch.

Die spielzeitmäßig randvolle Kompilation ist mit einem 48-seitigen, sehr informativen Begleitheft versehen, welches das charmante Digipack auf einen vergleichbaren Ausstattungslevel hebt wie bei den Alben der hauseigenen Reihe „Deutsche Filmkomponisten“. Wertungstechnisch ist es hier neben der luxuriösen Ausstattung aber bereits die sorgfältig im Light-Music-Stil auskomponierte Musik, die schon für sich betrachtet dreieinhalb Sterne rechtfertigt. Aus diesem Grunde möchte ich darüber noch etwas hinausgehen und im Sinne einer „Albumbewertung“ das Gesamtprodukt durch volle vier Sterne hervorheben.

Fast ein halbes Jahrhundert nach Entstehung der Filme liegt nun für die Immenhof-Enthusiasten dieses sehr ambitioniert gefertigte klingende Deluxe-Souvenir zur Kino-Saga vor. Da dürfte es eigentlich zu einer entsprechend sorgfältigen DVD-Edition der Filme auch nicht mehr allzu lange hin sein, oder?

Und hier geht’s zu den Immenhof-Filme(n) auf DVD.

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Erschienen:
2003
Gesamtspielzeit:
73:12 Minuten
Sampler:
Bear Family
Kennung:
BCD 16644

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