Das altbekannte Märchen vom liebenswerten und gutartigen Aschenputtel, das von seiner bösen Stiefmutter nebst Töchtern malträtiert wird, ist nicht allein im deutschen Sprachraum bekannt. Vielmehr existieren international etwa 700 Varianten dieses Stoffes und ebenso eine Reihe von Verfilmungen. Manchem der gestandenen Leser dürfte an dieser Stelle prompt Walt Disneys reizende, zeitlos-charmante Zeichentrickversion Cinderella (1950) einfallen; den ab etwa 1970 Geborenen vermutlich die als tschechisch-deutsche Koproduktion entstandenen Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (1973).
Regisseur Václav Vorlíček hat diesem DEFA-Märchenfilm die Fassung der Schriftstellerin Bozena Nemcova (1816-1862) zugrunde gelegt. Er hat die Version der freigeistigen und sozialkritischen Autorin des 19. Jahrhunderts behutsam aufgepeppt. Erfreulicherweise wurde beim Entstauben dem mittelalterlich-renaissancehaften Zeitbezug der Märchenhandlung keine übergroße Gewalt angetan. Das Resultat ist ein modernisiertes und emanzipiertes Aschenputtel, das seinen Charme nicht verloren hat – im Gegenteil! Die Figuren agieren modern und altertümlich zugleich. So wird beispielsweise zwischen Prinz und König gar lustig der Generationenkonflikt ausgetragen, ohne dass Sprüche und Tonfall zwischen Vater und Sohn allzu modern-salopp werden. Dank dezent verschnörkelter Sprechweise bleibt ein überzeugender Resthauch zeittypischer Distanz im sozialen Umgang von Menschen aus einer weit zurückliegenden Epoche. Umso origineller wirkt dann beispielsweise der Hinweis der Königin für den verdutzten Gatten (Rolf Hoppe), wie ähnlich sein Sohn ihm doch sei. Ebenso ist das hübsche Aschenbrödel keineswegs nur graziöse Ballschönheit, sondern auch — trotz widriger Lebensumstände — ein lebensfrohes, couragiert auf Gleichberechtigung pochendes Geschöpf: eines, das nicht allein temperamentvoll hoch zu Ross wie auch mit der Armbrust seinen „Mann“ steht, sondern das ebenso ihrem Prinzen die (dezenten) Macho-Allüren auf die nette Art abzugewöhnen weiß.
Die stimmungsvoll-verträumte Love-Story um Aschenbrödel und den Prinzen, in der neben den (Titel-)Haselnüssen auch der Schimmel Nikolaus, der Hund Kasperle und last but not least die Eule Rosalie wichtige Rollen spielen, hat mittlerweile Kultstatus erlangt — im Zusatzmaterial der DVD gibt es dazu wertvolle Hinweise auf Texttafeln (in allerdings etwas kleiner Schrift) und auch diverse weiterführende Links zum Internet sind vermerkt.
Bereits im Jahr 2002 erschien der Film bei Icestorm Entertainment auf DVD. Wie farbtechnisch relativ bescheiden diese Version ist, belegt der im Zusatzmaterial untergebrachte, rund viertelstündige Beitrag über den beachtlichen Babelsberger Kostümfundus, „Brummkreisel Achims Märchen-Wanderung“. Diese ist dabei zugleich Werbung für weitere DEFA-Märchen auf DVD (siehe hierzu auch das Special „DEFA-Märchen-Klassiker“). Unter anderem sind zwei Ausschnitte des alten Aschenbrödel-Transfers zu sehen: Matt und stark braunbetont ist hier der Farbeindruck, in einem außerdem deutlich dunkleren, detailschwächeren Bild. Im Vergleich dazu zeigt die vorliegende DVD, der die vom WDR restaurierte Fassung zugrunde liegt, nicht allein markant leuchtende, satte Farben, sondern offeriert in den prächtigen Kostümen und Dekorationen zusätzlich eine Detailfreudigkeit, die das Bild zur Augenweide macht. Auch der Schärfeeindruck ist sehr gut. Mitunter wird durch kleine Artefakte verursachte dezente Unruhe in den Flächen sichtbar, und auch gibt es kurzfristig ein paar stärker verrauschte Momente. Allerdings, diese Schwächen fallen nur aus kurzem Betrachtungsabstand auf. Einer sehr positiven Bildbewertung stehen diese nicht im Wege, müssen aber einen Spitzenplatz konsequenterweise ausschließen. Den Ton gibts in Deutsch, in sehr solidem klarem Mono.
Auch die reizende, oftmals walzerhafte und auch hübsch historisierende Filmmusik Karel Svobodas (zur CD-Besprechung hier) mit ihren eingängigen liedhaften Themen (zum Mitsummen) hat an der Wirkung des entzückenden Films einen vergleichbar wichtigen Anteil, wie auch die sorgfältige Inszenierung und die schönen Schauplätze: das nordwestlich von Dresden gelegene malerische Schloss Moritzburg sowie die geschickt zum stiefmütterlichen Hof verfremdete Ruine der gotischen Wasserburg vihov.
Václav Vorlíčeks Version des berühmten Stoffs präsentiert sich damit als farbenfroh und humorvoll inszeniertes, im wahrsten Wortsinn frisches Wintermärchen, das aber letztlich zu jeder Jahreszeit gleichermaßen gut „funktioniert“. Die Drei Haselnüsse für Aschenbrödel sind ein besonders liebenswerter Märchenfilm, bei dem man nicht nur die Kleinen (ab etwa 6 Jahren) zwischendurch mal bedenkenlos vor der Glotze parken kann. In der neuen, farbrestaurierten Version kommt dabei besonders viel Freude auf.
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