Der letzte Wagen

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
21. April 2011
Abgelegt unter:
DVD

Film

(5/6)

Bild

(3.5/6)

Ton

(3.5/6)

Extras

(3.5/6)

The Last Wagon • Der letzte Wagen (1956) zählt zu den sehr guten der insgesamt acht Western von Regisseur und Drehbuchautor Delmer Daves (1904—1977). Zugleich zeigt sich 1956 als ein für den Western sehr gutes Jahr. In ihm gingen an den Start: The Searchers • Der schwarze Falke (Regie: John Ford, Musik: Max Steiner), The Last Hunt • Die letzte Jagd (Regie: Richard Brooks, Musik: Daniele Amfitheatrof) und ebenso der erst seit wenigen Jahren wieder zugängliche Seven Men from Now • Der Siebente ist dran (Regie: Budd Boetticher, Musik: Henry Vars).

Wie White Feather • Die weiße Feder (1954, Regie: Robert D. Webb, Musik: Hugo Friedhofer) zeigt auch Der letzte Wagen eindeutig Nähe zum berühmten Broken Arrow • Der gebrochene Pfeil (1950, Regie: Delmer Daves, Musik: Hugo Friedhofer). Einen Abriss der Filmhandlung sowie eingehendere Infos zur feinen Filmmusik dieses Edel-Westerns finden Sie im Artikel zum zugehörigen Intrada-CD-Album. (Der Vergleich des Intrada-Albums mit dem Film von DVD zeigt übrigens, dass nur ein paar Stücke — ca. fünf Minuten Musik — fehlen.)

Aus heutiger Sicht und mit veränderten Sehgewohnheiten betrachtet hat Der letzte Wagen zweifellos in Teilen eine gewisse Patina angesetzt. Das gereicht dem Film aber nicht zum Makel. Zwar mag man Verschiedenes in diesem Lehrstück gegen Rassismus in einigen Punkten als etwas zu dick aufgetragen empfinden. Ebenso sind ein paar Logiklöcher und filmische Übertreibungen vorhanden: So übersteht Komantschen-Todd, der offenbar beim nächtlichen Indianerüberfall mitsamt dem Planwagen, an dessen Rad er gekettet war, einen steilen Abhang hinabgestürzt worden ist, dies sogar völlig unbeschadet. Dass die bei Nacht im Fluss Badenden vom Indianerüberfall auf den Treck überhaupt nichts mitbekommen, erscheint ebenso unwahrscheinlich. Und das gilt auch für die heftigen Explosionen, welche die Apachen ablenken und so die Flucht der Überlebenden des Trecks inkl. der handvoll Soldaten des Militärtransports ermöglichen. Die Szene ist zwar visuell packend, aber die explosive Ladung zweier Planwagen dürfte damals weder eine derartige Brisanz besessen haben, noch eine derartige Serie heftiger Explosionen auslösen können. Das ist halt für das Scope-Format virtuos inszenierter Kintopp, der bereits ein wenig die an derartiger Action reicher werdende folgende Kinodekade vorwegnimmt. Doch diese „Mängel“ vermögen die insgesamt beeindruckende Wirkung des Films nur unwesentlich zu beeinträchtigen.

Das Drehbuch besitzt eindeutig Qualitäten und überspielt die zuvor genannten Schönheitsfehler mit Leichtigkeit. Mitunter vorgebrachte Kritik, der Film konterkariere seine Absicht, da er die Apachen praktisch gesichtslos inszeniere, geht dagegen fehl. Die Apachen liefern zwar ein entscheidendes Moment der Bedrohung im Handlungskonstrukt. Dieses ist aber letztlich „nur“ der Hintergrund, welcher die Reise und damit auch die Läuterung der eindeutig im Zentrum der Erzählung stehenden Protagonisten überhaupt erst möglich macht.

Besonders bemerkenswert ist die geschickt konzipierte und mit dem so vielseitigen Richard Widmark (1914—2008) optimal besetzte Figur des Komantschen-Todd. Seine zweifellos ebenfalls kompetent agierenden Mitspieler (u. a. Tommy Rettig, Felicia Farr, George Matthews und Susan Kohner) bleiben dabei deutlich weniger prominent im Gedächtnis haften.

Zunächst erscheint der von Widmark verkörperte Todd äußerst zwiespältig. Lauert dieser doch in der Eröffnungsszene einem Reiter auf und erschießt ihn (wie an der Mimik zu erkennen) kaltblütig und mit sichtlicher Befriedigung, ohne dass die Beweggründe des Täters unmittelbar deutlich werden. Dass dieser Mord mit der Ermordung von Todds Frau und seinen beiden Söhnen durch die Harper-Brüder zusammenhängt, wird erst am Schluss des Films deutlich. Todd liefert sich während der Gerichtsverhandlung im Fort zu seiner Verteidigung mit dem „bibelfesten“ General Howard ein leidenschaftliches Wortduell — mit demselben General Howard übrigens, der bereits in Broken Arrow eine wichtige Rolle spielt.

Erst jetzt wird klar, dass dem Mord in der Eröffnungsszene einer der ihn verfolgenden Harpers zum Opfer fiel, die ihn unter der Führung des ältesten Bruders, des sadistischen Sheriffs, jagten. Und besagter Sheriff überwältigt ihn kurz darauf und legt ihn in Eisen, worauf die eigentliche Filmhandlung erst beginnt.

Die äußerst sorgfältige, die Stimmungen unterstreichende Kameraarbeit von Wilfried Cline schwelgt dazu in superb eingefangenen, stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen. Der visuell packende Eindruck wird auch durch die sorgfältig ausgewählten, im Norden Arizonas, bei Sedona, gelegenen Drehorte mit verursacht. Die prächtigen Landschaftspanoramen sind zwar dem weiter südlich in Utah gelegenen Monument Valley vergleichbar, aber dank deutlich mehr an Vegetation, mit deren frisch erscheinendem Grün, ist der Wüstencharakter viel weniger ausgeprägt. Und so kontrastiert das Grün der Vegetation vorzüglich mit den so detailliert sichtbaren farblichen Abstufungen in den dank Eisenvorkommen so markanten Rot-/Ockerfärbungen der Erde und auch den Gesteinsformationen.

Wenn die kleine Gruppe Überlebender sich unter Todds Führung auf die strapaziöse und gefährliche Reise durch das Indianergebiet begibt, dann tritt ein auch in anderen Filmen immer wieder aufgegriffenes klassisches Handlungsmotiv auf den Plan: das Überleben eines abgeschnittenen Kollektivs in lebensfeindlicher Wildnis. Dabei wird der von einigen der Gruppe anfänglich so misstrauisch Beäugte für sie und ebenso den Zuschauer nach und nach zum anerkannt positiven Charakter und damit zum Sympathieträger. Am Schluss haben alle Überlebenden im Film ihre Lektion gelernt. Und wenn Todd mit Jenny (Felicia Farr) und ihrem Bruder Billy (Tommy Rettig) in ein neues Leben aufbricht, dann überträgt sich der Optimismus der Szene auch auf den Zuschauer, der vielleicht sogar etwas wehmütig von den Leinwandfiguren und diesem feinen Produkt eines Wohlfühlkinos einer anderen, vergangenen Kinoära Abschied nimmt.

Der letzte Wagen auf DVD

Die vorliegende Edition ist nun die Nr. 3 der unchronologisch erscheinenden Reihe „Koch Media Western Legenden“. Auch diese DVD überzeugt mit einem zwar nicht perfekten, aber sehr beachtlichen Bild, das erfreulicherweise annähernd dem originalen Scope-Format entspricht und kaum Materialschäden aufweist. Satte Farben, überwiegend gute Schärfe, Kontrast und Detailliertheit sind auf der Habenseite zu verzeichnen. Das insbesondere bei größeren Bilddiagonalen deutlich erkennbare Korn sowie ein leichtes Flackern zählen hingegen zu den dezenten Schwächen. Doch nicht zuletzt die insgesamt überzeugenden, kräftigen Farben lassen gerade in den prächtigen Landschaftsaufnahmen — und davon gibt’s hier reichlich — die kleineren Einschränkungen in den Hintergrund treten.

Ähnlich zufriedenstellend ist der Eindruck beim Ton. Besonders die stereofone englischsprachige Tonspur klingt für ihr Alter recht frisch und erzeugt einen durchaus ansprechenden Raumklang, freilich ohne die vom heutigen Actionblockbustersound vertrauten, knackigen Surroundeffekte. Die beiden deutschen Tonspuren (Original-Filmton und TV-Synchronisation) erklingen in ordentlichem, etwas flachem Mono. Wieso das deutsche Fernsehen den Film nochmals (mit anderen Sprechern) synchronisiert hat, bleibt leider im Dunkel. Beide Synchronfassungen unterscheiden sich textlich eher geringfügig. Dass offenbar ein Musik-Geräuschmix zur Verfügung stand, erkennt man an der durchgängig vertretenen Originalfilmmusik. Die kleine Boni-Kollektion ist ebenfalls durchaus okay. Sie wartet mit dem englischen Original-Trailer und einer Bildergalerie auf.

Hinzu kommt noch das im Digi-Book eingeklebte achtseitige Begleitheft. Zwar machen die dieses Mal präsentierten Schwarzweißfilmbilder nicht allzu viel her. Aber der wiederum gute Einführungstext von Hank Schraudolph zum Film wiegt das weitgehend auf. Auch in Anbetracht des fairen Preises für das ansprechend aufgemachte Produkt resultiert ein insgesamt sehr zufriedenstellender Eindruck. Zum viele Sammler verärgernden großen FSK-Logo auf dem Frontcover hat sich Koch-Media zusätzlich etwas Gutes einfallen lassen: Dabei handelt es sich nämlich erfreulicherweise um einen problemlos entfernbaren, nur aufgeklebten Sticker.

Fazit: Seit den 90er Jahren sind Edelwestern der 1950er im deutschen Fernsehen nur noch selten zu sehende Gäste. Das gilt auch für einen der Top-Kategorie jener Zeit: The Last Wagon • Der letzte Wagen (1956). Entsprechend zu begrüßen ist die sowohl von der ansprechenden Aufmachung als auch durch die sehr solide Videoqualität überzeugende DVD der Reihe „Koch Media Western Legenden“.

Die Western von Delmer Daves (beteiligt als Regisseur und/oder Drehbuchautor):

The Hanging Tree • Der Galgenbaum (1959)
Cowboy • Cowboy (1958)
3:10 to Yuma • Zähl bis drei und bete (1957)
The Last Wagon • Der letzte Wagen (1956)
Jubal • Der Mann ohne Furcht (1956)
White Feather • Die weiße Feder (1954)
Drum Beat • Der einsame Adler (1954)
Broken Arrow • Der gebrochene Pfeil (1950)

Lesen Sie auch den Artikel zur 2016er Blu-ray-Edition.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Ostern 2011.

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Regisseur:
Daves, Delmer

Erschienen:
2011
Vertrieb:
Koch Media DVD
Kennung:
DVM000667D (Western Legenden No. 3)
Zusatzinformationen:
USA 1956

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