Faschismus und Zweiter Weltkrieg im Spiegel ausgewählter Kinofilme, Teil XVI
Edward Zwicks Defiance auf Blu-ray und DVD
Die berühmte Publizistin und Gelehrte Hannah Arendt (19061975) sprach einmal vom aktiven jüdischen Widerstand als von denjenigen, die sich nicht wie Schafe zur Schlachtbank führen lassen wollten. Im Kinofilm ist besagter bislang nur in Randnotizen gewürdigt worden. Edward Zwick (The Last Samurai, Blood Diamond), der bereits 1989 mit Glory den auf der Seite der Union im US-Bürgerkrieg kämpfenden Schwarzen erstmalig ein filmisches Denkmal setzte, hat sich des Themas angenommen: In Unbeugsam — Defiance beleuchtet er ein wenig geläufiges Kapitel des Partisanenkriegs im ehemals östlichen Polen, dem heutigen Weißrussland. Im Zentrum des Geschehens stehen jüdische Bauernsöhne, die Bielski-Brüder. Diese überlebten am 8. Dezember des Jahres 1941 als Gefangene im Ghetto der Stadt Nowogródek ein erstes Massaker. Deutsche und Kollaborateure ermordeten zwischen drei- und viertausend Juden. Die Eltern der Bielski-Brüder und weitere Verwandte fielen dieser Aktion zum Opfer. Die Bielski-Brüder gehörten zu einer kleinen Gruppe, die entkommen und sich in einem schwer kontrollierbaren Gebiet, dem etwa 220.000 Quadratkilometer großen, urwaldähnlichen Naliboki-Wald versteckten. Tuvia Bielski, der älteste der Brüder, war der Anführer. In der folgenden Zeit befreiten die Bielski-Partisanen aus umliegenden Ghettos weitere Juden, wodurch die anfänglich kleine Gemeinschaft nach und nach auf über Tausend anwuchs.
Die Bielski-Gruppe knüpfte Kontakt zu sowjetischen Partisanen, die ebenfalls im Naliboki-Wald ihr Rückzugsgebiet besaßen. Für diese wurde gearbeitet (Waffen instandgesetzt etc.), aber abgesehen von einzelnen gemeinsamen Aktionen blieben die Bielski-Partisanen weitgehend eigenständig und konzentrierten sich auf Befreiungsaktionen, um ihre Gruppe zu verstärken. So entstand ein verborgenes Gemeinwesen, genannt „Das Jerusalem der Partisanen“, das sich in weiten Teilen selbst versorgte und im Laufe der Zeit unter anderem über eine Schule, eine Synagoge und ein Krankenhaus verfügte. Die Bielski-Partisanen gelten als die größte jüdische Widerstandsgruppe des zweiten Weltkriegs. Es gelang ihnen, sich bis zum Entsatz durch die rote Armee im Jahr 1944 zu behaupten. Auf ihr Konto gehen etwa 1200 gerettete Juden.
Das 1993 erschiene Buch „Defiance: The Bielski Partisans“ der amerikanischen Holocaust-Forscherin Nechama Tec diente Regisseur Zwick für seinen Film als Vorlage. Das Leinwandprodukt ist nun sicher kein rundum wahrhaftiges Abbild dessen, was sich in und um „Das Jerusalem der Partisanen“ abgespielt haben mag. Der Film wirft aber trotz einiger Schwächen einen recht eindrucksvollen Blick auf Menschen, die in einer absoluten Grenzsituation, in einem Klima aus Gewalt, Hunger, Überlebenswillen und Hoffnung, wie auch zwischen Resignation und Rache dem Holocaust entkamen. Die Begleitumstände waren natürlich äußerst schwierig. Das Zusammensein dieser Menschen, die in permanenter Todesgefahr und Angst leben mussten, war sicher rau und von für uns kaum noch vorstellbaren Zwängen bestimmt. Eine harte, ja brutale Situation, in der eigentlich jeder von vornherein hoffnungslos überfordert ist. Die tatsächlichen Geschehnisse sind nur erahnbar. Ihre detaillierte Inszenierung würde zweifellos die Grenzen dessen weit hinter sich lassen, was dem Kinogänger gezeigt und damit was ihm überhaupt zugemutet werden kann. Unzweifelhaft wurden selbst unter diesen makaber anmutenden Umständen Beziehungen geknüpft, gab es auch Momente des Glücks. Wie Derartiges allerdings konkret vonstatten gegangen, von den Betroffenen erlebt wurde, das ist im Rahmen eines Kinofilms, der noch dazu Geld einspielen soll, kaum eingehender darstellbar. Noch dazu für ein junges Publikum, das nur in Wohlstand und Komfort groß geworden ist, und mehrheitlich Kinobesuche als reine Wohlfühlabende mit Getränken, viel Popcorn und sonstigen in den Multiplexen bereitgehaltenen Naschereien gestaltet.
Regisseur Zwick versucht die Gratwanderung und schlägt sich wacker dabei, das Publikum nicht zu überfordern, aber die Lebensumstände im Waldlager auch nicht zu idyllisch zu inszenieren. Zwar zeigt er eine nach jüdischem Ritus zelebrierte Hochzeit: Tanzende, feiernde Juden bestimmen das Bild. Aber dieser Moment der Ausgelassenheit wird sofort gebrochen. In Gegenschnittmontage erlebt der Zuschauer parallel zu den kurzzeitig fröhlichen Bildern im Waldlager der Juden eine äußert brutale Aktion der russischen Partisanen gegen eine motorisierte deutsche Einheit. Dabei sind auch einige der Bielski-Partisanen beteiligt, unter ihnen Zus Bielski (Liev Schreiber), der auch Deutsche, die sich bereits ergeben haben, kaltblütig über den Haufen schießt. Zwick zeigt Zus als hitziges und rachsüchtiges Gegenstück zu seinem besonneren Bruder Tuvia, welcher „Das Jerusalem der Partisanen“ zusammenhält. Mag für manche Tuvia-Darsteller Daniel Craig nun direkt mit seinem jüngsten Bond-Auftritt (Ein Quantum Trost) assoziiert sein, die Wirkung seines Leinwandauftritts in Defiance beeinträchtigt das gewiss nicht zwangsläufig. Regisseur Zwick inszeniert ihn zwar als unerschrockenen Kämpfer, aber nicht als James Bond im Walde. Es entsteht also keineswegs das Bild eines tadellosen Beschützers, vielmehr das eines oftmals selbst gewalttätigen und, soweit diese Bezeichnung in derartigen Ausnahmesituationen nicht eh fragwürdig erscheint, äußerst zwiespältigen und zerrissenen „Helden“. Tuvia ist einer, den eine unmenschliche, kaum moralisch sauber zu handhabende Situation zu dem gemacht hat, was er ist. Das absolut schwierige der Situation wird u. a. deutlich, wenn er einen weißrussischen Bauern, dem er eine Lebensmittellieferung für die Besatzer abnimmt, vorwirft, dass er mit den Deutschen kollaboriere. Er erhält die sinngemäße Antwort: „Aus demselben Grund, warum ihr uns überfallt: Um zu überleben!“
Neben den im Zentrum stehenden Bielski-Brüdern sind die anderen Figuren des Plots ähnlich streng typisiert: Da ist der Talmud-Gelehrte, der die aus der Erfahrung der Pogrome der Vergangenheit herrührende stoische Haltung vieler Juden vertritt, die sich anpassen und Zeit gewinnen wollen, um zu überleben. Ebenso gibts den kommunistischen jüdischen Intellektuellen wie den ungebildeten und rückständigen Schtetl-Juden. Aber auch die im Osten verbreitete Ablehnung gegenüber den Juden, der traditionell tief verwurzelte Antisemitismus werden personifiziert: „Juden kämpfen nicht“ stellt der Kommandeur der sowjetischen Partisanen verächtlich fest und einer seiner Untergebenen verprügelt einen der Bielski-Partisanen, den er auf der russischen Latrine erwischt hat mit der Begründung, mit Juden scheiße er nicht ins selbe Loch.
Übertrieben wirkt allerdings die vom Regisseur mitunter etwas überbordend eingesetzte Symbolik, z. B. wenn der jüngste Bielski, Asael (Jeamie Bell), die gegenwärtige Situation nicht ohne Pathos mit der der Juden des Alten Testaments vergleicht. Im weiteren Verlauf erinnert dann die Flucht der zuvor bombardierten Juden, denen die Verfolger dicht auf den Fersen sind, durch eine Sumpfregion schon eklatant an die Durchquerung des roten Meeres durch die Israeliten. Was den Hintergrund betrifft, bezieht sich Zwick hier wohl auf die im Sommer 1943 von der SS und kollaborierenden Hilfstruppen unternommenen Aktionen gegen die Partisanenverstecke in den Naliboki-Wäldern. In der Chronologie des etwas ungenauen und in den Abläufen mitunter nicht völlig logischen Films passt das allerdings eher ins Jahr 1942. Doch das ist letztlich nur ein weiteres Indiz dafür, dass der Regisseur hier kein aufwändiges Dokumentarspiel im Visier hatte, sondern seine filmische Projektion wie es im Prolog heißt, „nach einer wahren Geschichte“, inszeniert hat. Und bevor die dem Sumpf glücklich Entkommenen sich in entlegeneren Regionen des Waldgebietes erneut einrichten dürfen, platziert er noch eine recht heftige Kampfsequenz. Bei dieser werden die deutschen Angreifer letztlich durch die von den russischen Partisanen zurückgekehrten jüdischen Kämpfer unter Zus in der Flanke attackiert und können schließlich geschlagen werden. Damit sind dann auch die Bielski-Brüder wieder vereint und können sich fortan gemeinsam um ihr „Jerusalem der Partisanen“ kümmern. Zwicks Film endet hier und gibt im Abspann Hinweise auf das weitere Leben der authentischen Bielski-Brüder.
Doch was an dieser Stelle vielleicht etwas kitschig erscheinen mag, ist es im Kontext des Films allerdings nicht. Wird man doch zuvor in einigen eindringlichen Szenen gewahr, in welcher extremen Ausnahmesituation sich die Betroffenen befanden. Gerade im ersten Winter müssen die Lebensbedingungen unbeschreiblich schlecht gewesen sein: so schlimm, dass verschiedene der ins Waldversteck Geflohenen, die in unbeheizten Erdlöchern oder primitiven Hütten hausen mussten, eine Rückkehr in ihre Ghettos erwogen. Die extreme Anspannung der in den Wald Geflohenen zeigen auch folgende Szenen: Ein ins Lager gebrachter, gefangener Deutscher fleht um sein Leben. Er wird zuerst beschimpft, dann misshandelt und anschließend vom durch die Erinnerung an das durch die Nazis Erlittene sich zunehmend in rasende Wut steigernde Kollektiv brutal zu Tode geprügelt. Und ebenso ist da eine Schwangere, die ihre einzige Bestimmung darin sieht, das in ihr heranwachsende Leben auszutragen, obwohl es aus der Vergewaltigung durch einen Deutschen entstanden ist
Defiance verpackt dies alles in einen zwar nicht perfekten, aber sehr sehenswerten, handwerklich gut gemachten Film, der versucht, seine Zielgruppe mit einer soliden Portion Actionkino bei der Stange zu halten. Damit zählt er in dieselbe Kategorie mehr oder weniger exakter, möglichst spannend aufbereiteter zeitgeschichtlicher Filmdramen, wie Operation Walküre.
James Newton Howard hat dazu eine sehr elegische, die Actionmomente komplett aussparende Filmmusik komponiert. Das auf die Soli des Geigers Joshua Bell fokussierende Konzept orientiert sich an John Williams Arbeit zu Schindlers Liste (1993). Die Musik trumpft nicht auf, agiert zurückhaltend hinter dem Bild. Die Schönheit weiter Teile der Komposition steht dabei in scharfem Kontrast zum eher bedrückenden Leinwandgeschehen.
Defiance auf Blu-ray und DVD
Das Bild macht bereits von DVD einen vorzüglichen, von Blu-ray hinterlässt es einen praktisch perfekten Eindruck. Fast durchgehend liegen Schärfe, Kontrast und Detailzeichnung in der Topklasse. Das kann Referenzqualität beanspruchen. Auch die Farben wirken häufig durchaus satt, z. B. Vegetations- und Laubfärbungen in Abhängigkeit von den Jahreszeiten. Dabei ist freilich ein dramaturgisch gewollter starker Blaustich dafür verantwortlich, dass insbesondere die Fleischtöne der Personen sehr unterkühlt wirken. Den Ton gibts dazu von DVD in Dolby-Digital-AC3-5.1, von Blu-ray hingegen in dts-HD-5.1. In den Naturszenen wartet dieser mit einer sehr fein detaillierten, atmosphärisch sehr überzeugenden, dabei insgesamt zurückhaltenden Geräuschkulisse auf. In den Actionpassagen tritt der Sound sehr druckvoll und bassintensiv aus der Reserve. Dabei überzeugt er durch seine räumlich sehr präzise platzierten Effekte.
Bei den Boni ist die Blu-ray-Version etwas umfangreicher ausgestattet als die DVD. Letztere wartet neben dem für beide Ausgaben obligatorischen Audiokommentar von Edward Zwick (leider nicht mit deutschen Untertiteln versehen) nur noch mit dem 26-minütigen Making-of „Rückkehr in den Wald“ sowie Darstellerinfos auf Texttafeln auf. Auf der Blu-ray ist das Making-of ebenfalls nur in Standard-Auflösung untergebracht. Das spart Platz für rund 37 Minuten zusätzlicher Extras, sämtlich in Full-HD: „Interviewausschnitte“ (10 Min.), „Blick hinter die Kulissen“ (5 Min.), „Die Entstehung der Filmmusik“ (7 Min.), „Die Kinder der Partisanengruppe“ (13 Min.) sowie „Die Überlebenden der Bielski-Partisanen“ (2 Minuten).
Es folgt demnächst:
Anhang zu Defiance: Eine kleine Auswahl weiterführender Publikationen
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2009.
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Mehrteilige Rezension:
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