Chisholm: Piano Concerto No. 1

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
21. Februar 2018
Abgelegt unter:
Klassik

Erik Chisholm, Der widerentdeckte Moderne der schottischen Musik des 20. Jahrhunderts zum Zweiten: Die Klavierkonzerte

Eigentlich ist die Überschrift nicht ganz korrekt, denn  das Album mit Erik Chisholms (1904–1965) Klavierkonzerten erschien bereits im Jahr 2012 und damit deutlich vor dem im Herbst 2017 veröffentlichten und kürzlich in der Klassik-Ecke von Cinemusic.de präsentierten CD mit dem Violinkonzert/Tanzsuite. Da mich Letztere außerordentlich schnell in Ihren Bann gezogen hat, war klar, dass es dabei nicht bleiben sollte. Darum wird vom britischen Independent-Label Hyperion („Britain’s brightest record label“) hier nun auch noch das genannte CD-Album mit den beiden Klavierkonzerten Chisholms vorgestellt:  Nr. 1 „Pìobaireachd“, was für die Dudelsackmusik des schottischen Hochlandes steht, sowie Nr. 2 „Hindustani“. Ein weiteres Mal sind damit traditionelle Einflüsse aus Schottland und Indien auf so faszinierende wie außergewöhnliche Art und Weise mit klassizistischen Formmodellen der europäischen Kunstmusik kombiniert auf einer CD vereint.

Das unverwechselbar Schottische im ersten Konzert, wird direkt zu Beginn des Kopfsatzes deutlich, wenn über einem Bordun der Fagotte die Oboe ein Originalthema „Maol Donn – MacCrimmon’s Sweetheart“ intoniert und dem Hörer dabei zugleich erstmalig der Klang der Dudelsäcke elegant versinnbildlicht wird. Dass die schöne Originalmelodie, auf welcher der Kopfsatz aufbaut, eine Totenklage für eine verstorbene Lieblings-Kuh darstellt, erscheint für den Unbelasteten auf den ersten Blick skurril und drollig zugleich. Es erklärt sich jedoch aus der immensen Bedeutung, welche Nutztiere damals für die Hochländer besaßen. Markant rhythmisch betonte Teile wechseln mit lyrischen Passagen ab. Dies gilt auch für das zweite Klavierkonzert „Hindustani“, dessen besonders ungewöhnliche, exotischen Klangkombinationen, ähnlich wie auch beim Violinkonzert, für viele Hörer anfänglich in stärkerem Maße sperrig erscheinen. Man muss sich aber weder in Dudelsackmusik noch im komplexen indischen Raga auskennen, um auf diesem musikalischen Terrain Fuß zu fassen und dessen eigenwillige Schönheiten für sich erschließen zu können. Wie ja häufig bei Neuer Musik wird in erster Linie etwas mehr Zeit zum Einhören benötigt. Der Entdeckungsfreudige dürfte von dieser Musik dank ihrem Biss in Kombination mit Klasse schon bald überzeugt, wenn nicht sogar mitgerissen werden.

Das edel klingende und unüberhörbar ambitioniert aufspielende BBC Scottish Symphony Orchestra überzeugt dieses Mal unter der Leitung von Rory Macdonald, der hier sein CD-Debut liefert. Der Pianist Danny Driver ist ein ebenso überzeugender Sachwalter dieser Musik und brilliert mit virtuosem und präzisem Klavierspiel. Weitere Pluspunkte dieses Geheimtipps für Entdeckungsfreudige sind neben dem superb aufgefächerten, transparenten Klangbild auch der kompetente Begleithefttext von Chisholm-Biograf John Purser. Dass dessen deutsche Übersetzung nicht gerade elegant geraten ist, bleibt ein kleinerer Schönheitsfehler.

So wartet auch das vorliegende Album mit weiterer energiegeladener und letztlich immer fesselnder Musik von „MacBartók“ auf, eines in seiner Tonsprache außergewöhnlichen und auch originellen britischen Tonsetzers, dessen bedeutende Bereicherungen der musikalischen Moderne lange Zeit praktisch vergessen waren. Erik Chisholms Werke verdienen es unbedingt, breiteren Schichten von Musikinteressierten ins Bewusstsein gerückt zu werden. Somit bleibt zu hoffen, dass das nächste Chisholm-Album nicht allzu lange auf sich warten lässt.

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Komponist:
Chisholm, Erik

Erschienen:
2012
Gesamtspielzeit:
68:43 Minuten
Sampler:
Hyperion
Kennung:
CDA 67880
Zusatzinformationen:
BBC Scottish Symphony Orchestra, Dirigent: Martin Brabbins, Danny Driver: Piano

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