Die britischen Hammer Studios haben mit dem Stil ihrer Horrorfilmproduktionen das Bild einer fantastischen, von Untoten bevölkerten Welt nachhaltig (mit-)geprägt. Dafür stehen besonders die Leinwandadaptionen mit dem berühmtesten Vampir der Leinwandgeschichte: dem Grafen Dracula, so markant verkörpert von Christopher Lee. Wer darüber hinaus Lust auf einen ungewöhnlichen Vampir-Trip der Hammer-Studios verspürt, wer sich also auf einen Ausflug in eine Welt, merklich abseits gelegen vom so vertrauten Stil des „Hammer House of Horror“ einlassen mag, der liegt richtig bei Captain Kronos: Vampire Hunter (1973).
Brian Clemens war Mitbegründer und Drehbuchautor einer berühmten TV-Serie, die Geheimagent 007 mit den Weg bereitet hat: The Avengers • Mit Schirm, Charme und Melone (1961-1969) mit Patrick Macnee als John Steed und Diana Rigg als sexy Mrs. Emma Peel. Sein Captain Kronos: Vampire Hunter blieb nicht allein die einzige Regie-Arbeit des Brian Clemens; es war außerdem sein einziges Projekt für die große Kinoleinwand. Dieses eine Mal fungierte er allerdings sogar in Personalunion: als Drehbuchautor, Produzent wie auch Regisseur. Dabei ist sein kinematografischer Ausflug ins Vampir-Horror-Genre in vielem schon ungewöhnlich geraten — mitunter vielleicht auch etwas gewöhnungsbedürftig. So agieren seine Vampire beispielsweise nicht ausschließlich nachts, sondern auch tagsüber. Sie können dafür allerdings sogar durch Erhängen getötet werden. Die bissigen Unholde sind dafür weniger auf das Blut ihrer jungen Opfer fixiert, als vielmehr auf deren jugendliche Lebenskraft. Entsprechend bleiben die Attackierten in einem sekundenschnell gealterten und ausgelaugten Körper sterbend zurück. Der hier das Unheil verbreitende Vampirmeister, ein Dracula-Gegenstück, zeigt dabei übrigens kein Gesicht. Er tritt nicht nur in nachtschwarzem Gewand auf; er verbirgt seine Züge außerdem hinter einer üppigen Kapuze.
Und Captain Kronos, der Vampirjäger, ehemaliges Mitglied einer imperialen Garde, sticht ebenso deutlich vom berühmten Vorbild des Dr. Van Helsing ab. Kronos steht hier für „Zeitreisender“, einem Wanderer zwischen den geschichtlichen Epochen, der sein Leben dem Kampf gegen den Vampirismus gewidmet hat; ist er doch dereinst fast selbst das Opfer eines Vampirs geworden. Kronos gerät damit ein wenig zum frühen Vorbild von Blade. Er agiert als zwar agiler aber eher schweigsamer Held (da lässt der Italo-Western grüßen) und ist (gemäß der Hippie-Ära) auch mal einem kleinen Joint nicht abgeneigt. Seinen Gegnern rückt Kronos in Swashbuckler-Manier forsch mit einer Art Samuraischwert zu Leibe.
Im mitunter recht blutigen Treiben bleibt aber auch Ironisches nicht ausgespart. So, wenn sich der scheinbar vom Kreuz einer Kirche geworfene Schatten als Zeichen des Bösen entpuppt: Wird er doch von einem Vampir mit seitlich ausgestreckten Armen geworfen.
Bei Hammer verlor man allerdings rasch das Interesse an diesem ursprünglich sogar als Ausgangspunkt einer Serie geplanten Projekt. Captain Kronos: Vampire Hunter wurde nämlich an den britischen Kinokassen ein Totalflopp und ist seinerzeit in Deutschland gar nicht erst aufgeführt worden. Als männlicher Hauptdarsteller fungiert übrigens Horst Janson, der diese Rolle im zeitlichen Umfeld des zweiten Immenhof-Nachziehers Frühling auf Immenhof (1974) verkörperte.
Die Musik-CD ist jetzt erschienen bei BuySoundtraX Records ( www.buysoundtrax.com] ) — produziert in Zusammenarbeit mit GDI Records. Laurie Johnson, britischer Komponist, geboren 1927 in Hampstead bei London, genoss eine Ausbildung am Royal College of Music. Späterhin war er dort auch als Lehrender tätig. Seine Liebe gehört der Unterhaltungsmusik, wobei er sich schon früh nachhaltig dem Jazz zuwandte. Johnson arbeitete bevorzugt als Komponist und Arrangeur verschiedener Big-Bands. Bis heute steht er dem eigenen Ensemble vor: The London Big Band.
Seit 1956 vertonte er bevorzugt diverse TV-Produktionen, daneben arbeitete er auch für Musical und Theater. Für das Kino entstanden unter anderem First Men in the Moon (1964) sowie für Stanley Kubrick Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (1964). Seine wohl populärste Arbeit ist das Hauptthema zur TV-Serie Mit Schirm, Charme und Melone. Und so war er für Clemens auch direkt erste Wahl, als der Ausflug ins Vampir-Horror-Genre Gestalt annahm. 1980 erschien bei Varèse eine sehr überzeugend neu eingespielte Laurie-Johnson-Filmmusik-LP: „First Men in the Moon“, die unter anderem auch Suiten aus den genannten (Kino-)Filmkompositionen vereint. Johnson dirigiert hier das London Studio Symphony Orchestra. Aus Captain Kronos: Vampire Hunter ist darauf ebenfalls eine knapp 6-minütige Suite (2 Tracks) vertreten. Später wurden der LP-Schnitt in neuer Zusammenstellung, nämlich zusammen mit Suiten aus The Avengers und The New Avengers, als Kompilations-CD, VCD47270, wiederveröffentlicht.
Der Main Title mit seinem bildhaft „galoppierende(n)“ Rhythmus-Ostinato und dem darüber gelegten fanfarenartigen Hauptthema zählt wohl zum markantesten Einfall dieses Hammer-Horror-Scores aus der Feder Laurie Johnsons. Diesem quasi „Swashbuckler-Thema“ für den das Schwert führenden titelgebenden Helden des Films steht eine eher motivische Tonfolge für die Vampire gegenüber. Deren Aktionen unterlegt der Komponist bevorzugt mit aus den tiefen Registern des Fagotts erzeugten, so typischen und zugleich unheimlich „knarrenden“ Klängen. Hierbei kann man zu Recht von liebevoll gespiegelter Herrmann-Imitation sprechen. Das gilt ebenso für die gelegentlichen auf Psycho verweisenden Glissandi-Figuren der hohen Streicher. Johnson hat Bernard Herrmanns Musik nicht nur außerordentlich geschätzt, er war auch mit ihm befreundet. Dazu finden sich im Kronos-Score auch Manierismen des typischen Dracula-Hammer-Sounds der 1960er eines James Bernard, wie die charakteristischen trancehaft-schwebenden Klänge zu hypnotischen Momenten zwischen Vampir-Macht und Opfer-Ohnmacht.
In den rund 50 Minuten Score gibt es eine Reihe durchaus nett umgesetzter Einfälle. Dazu zählen lyrische Einlagen (z. B. „Carla released from stocks“), vorgetragen von Oboe plus Streichern. Außerdem finden sich überzeugend das Bedrohliche in Töne fassende Passagen. Dazu gehört die Vertonung der oben erwähnten Szene mit dem vom Schatten des Vampirs gebildeten Kreuz in der Kapelle („Evil in the Church“). Hier gleitet die anfänglich in den Kirchentonarten gehaltene, so überzeugend sakral anmutende Musik durch die plötzlich auftauchenden Fagotteinsätze hübsch ins Dämonische ab. Hinzu kommen stimmungsvolle Einsätze des Cimbaloms, das nicht nur für die Zigeunerin Carla Atmosphäre schafft. Und das gilt auch für einige nervöse Cembalopassagen für die schließlich bedrohte adlige Vampir-Clique.
Unterm Strich kann man hier sicher von atmosphärisch ansprechender, aber nicht von wirklich großer Filmmusik sprechen. Dafür sind die (allzu) häufig anzutreffenden und mitunter recht gedehnten Spannungsostinati denn doch schlichtweg zu simpel gehalten. Und so gilt auch hier: Was im Film sicher funktioniert, wirkt davon gelöst in Gänze gehört denn doch etwas ermüdend. Die wohl praktisch vollständig vertretene Musik erklingt in sauberem, weitgehend klarem Mono aus den Boxen. Rund achteinhalb Minuten zusätzlicher Bonus-Stücke bestehen neben einer speziell editierten Version des Hauptthemas aus einer netten Kollektion knapper, primär atmosphärischer Klang-Effekt-Tracks. Obendrauf kommt ein Begleitheft, das neben ansprechendem Bildmaterial auch recht umfangreichen, informativen Text bereithält. Randall D. Larson, Autor von „Music from the House of Hammer“, vermittelt hier kompetent und unterhaltsam zugleich vielfältige Infos zur Entstehung des Films und zur Filmmusik von Laurie Johnson. Und auch das ist es, was diesem Album nicht nur für den Hammer-Filmmusikfreund einigen editorischen Wert verleiht.
Wertungsmäßig halte ich rein auf die Musik bezogen solide drei Sterne für ausreichend. Im Sinne einer Albumwertung ist ein Zuschlag von einem halben Stern für die insgesamt sorgfältige, ja liebevolle Machart angemessen. BuySoundtraX Records hat übrigens angekündigt, dass das vorliegende Album nur der Einstieg in eine Reihe derartiger Produktionen sein soll. Für Freunde der Hammer-Scores sicher eine gute Nachricht.
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