Ben Hur – Ultimate Collector’s Edition (Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. November 2011
Abgelegt unter:
Blu-Ray

Film

(5/6)

Bild

(6/6)

Ton

(5/6)

Extras

(6/6)

William Wylers Ben Hur (1959): Ein Monumentalepos der Superlative

Für MGM war das 1959er Ben-Hur-Projekt ein Rettungsanker, der das in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Studio vor dem drohenden Kollaps bewahren sollte. Man wollte durch ein Remake an den sensationellen Erfolg des 1925er Box-Office-Hits von Regisseur Fred Niblo (s. u.) anknüpfen. Produzent Sam Zimbalist wählte William Wyler als Regisseur der Neuproduktion, eine damals nicht unumstrittene Entscheidung, war Wyler doch zuvor ausschließlich in deutlich intimeren Sujets tätig und erfolgreich gewesen, z. B. Wuthering Heights • Stürmische Höhen (1939, Musik: Alfred Newman), The Little Foxes • Die kleinen Füchse (1941, Musik: Meredith Willson) oder The Best Years of our Lives • Die besten Jahre unseres Lebens (1946, Musik: Hugo Friedhofer). Durch die Zusammenarbeit mit Wyler bei The Big Country (1958, Musik: Jerome Moross) kam Charlton Heston zu seiner Rolle als Judah Ben Hur. Der Erfolg war wiederum überwältigend. Ben Hur spielte im ersten Durchgang weltweit rund 76 Mio $ ein und sicherte fürs Erste die Zukunft von MGM. Dieses Ergebnis beflügelte andere, wie Samuel Bronston — siehe auch El Cid — und 20th Century Fox mit Cleopatra.

4789Wohl kaum jemand wird von Regisseur William Wylers berühmtem Film Ben Hur (1959) nicht zumindest gehört und/oder Ausschnitte gesehen haben. Heute wie zur Zeit der Uraufführung sind es immer noch die überaus blumigen Werbesprüche, inkl. des fortwährenden Gefasels von „Meisterwerk“, die Wylers Filmversion nach dem gleichnamigen Erfolgsroman von Lew Wallace vorauseilen. Entsprechend ist unmäßig viel über den Film geschrieben worden, wobei längst nicht alles einer kritischen Prüfung standhält. Das betrifft z. B. die Behauptung, die Musik von Miklós Rózsa sei von bis dato unübertroffener Länge. Da muss man nur mit Max Steiners Komposition zu Vom Winde verweht (1939) vergleichen. Beide Filme unterscheiden sich mit 232 Minuten bei Vom Winde verweht und 222 Minuten bei Ben Hur in der Lauflänge nur geringfügig. Während jedoch Steiner für das Südstaatenepos mehr als drei Stunden Filmmusik geliefert hat, ist Rózsa mit „nur“ rund zwei Stunden eindeutig sparsamer. Auch so manch Fragwürdiges ist in Ben Hur hineininterpretiert worden, wie die angebliche Homoerotik beim forcierten Leistungstest der Rudersklaven durch den neuen Kommandeur Quintus Arrius (Jack Hawkins).

Ich schätze den Film durchaus, bin aber beim Hochjubeln zurückhaltender. Insbesondere der im Handlungsablauf immer wieder überdeutlich spürbaren Tendenz zur christlichen Verklärung kann ich wenig abgewinnen. Wobei man hierzu fairerweise anmerken muss, dass diese bereits Teil der Romanvorlage ist — Film wie Buch tragen den Untertitel „A Tale of the Christ“. Offenbar ist dadurch bei vielen Amerikanern sogar der Eindruck entstanden, dass es sich bei den Protagonisten insgesamt um Figuren der Bibel handle. Das Spiel von Charlton Heston in der Titelrolle empfinde ich zudem recht überschätzt. Häufiger wirkt es eher statisch denn oscarverdächtig. Dies gilt z. B. für die ungelenke, reine Grimassenschneiderei in der Auseinandersetzung mit Messala (Stephen Boyd) nach dem Zwischenfall beim Einzug des neuen Statthalters Gratus in Jerusalem.

Das Drehbuch zu Ben Hur ist allerdings trotz einiger Schwächen unterm Strich deutlich über dem Durchschnitt derartiger Massenunterhaltungen angesiedelt. Zusammen mit dem verschwenderisch betriebenen Aufwand, der inklusive der Marketingkampagne mit rund 19 Mio $ zu Buche schlug — es ist einer der teuersten Filme seiner Zeit —, funktioniert der Film insgesamt denn auch deutlich besser, ist erheblich weniger triefig geraten als beispielsweise Cecil B. DeMilles 1956er Die zehn Gebote. Und so resultiert unterm Strich schon ein eindrucksvoller Film der Superlative. Neben der prachtvollen Ausstattung (Bauten und Statistenheere) sind es vor allem zwei großangelegte Actionmomente, die den Zuschauer in ihren Bann ziehen: zum einen die für ihre Zeit sehr gut getrickste Seeschlacht und zum anderen das berühmte Wagenrennen, welches allein rund drei Monate Drehzeit benötigte und 1 Million Dollar an Kosten verursachte. Die hierfür benötigte Rennbahn mit den beiden markanten, für die Teilnehmer gefährlich zu umfahrenden (!) Wendemarken ist in ihren auch heutzutage noch gigantisch erscheinenden Dimensionen historischen Vorbildern sehr überzeugend nachgestaltet worden. Allein deren Konstruktion erforderte rund ein Jahr Bauzeit. Da mag man dann schon mal über die dank rotierender „Sägeblätter“ an den Achsen eher fantasyhafte Ausstattung des Wagens von Ben Hurs Gegner Messala hinwegsehen, der darüber hinaus durch die schwarzen Rösser seines Wagens unübersehbar zum Bösewicht stilisiert ist.

Das Tüpfelchen auf dem i verleiht der Einsatz von damals innovativer Spitzentechnologie in Form des auch heutzutage qualitativ noch unübertroffenen MGM-Kamera-65-Verfahrens in Kombination mit hochwertigem 6-Kanal-Magnet-Stereo-Ton. Für die Freunde breitorchestraler Filmmusik ist die exzellente Filmmusik von Miklós Rózsa eh ein über jeden Zweifel erhabener Genre-Klassiker. Zumindest den „römischen“ Marsch vor dem großen Wagenrennen haben zweifellos viele mindestens schon einmal gehört, die nicht unbedingt zur Ben-Hur-Fanklientel zu rechnen sind.

Seit Gladiator (2000) sind derartige Sandalenepen wieder in Mode gekommen, und somit dürfte auch für manchen Nachwuchsfilmfreund die Schwelle herabgesetzt sein, sich diesem Monumentalfilmklassiker vielleicht doch einmal eingehender zu widmen. Für viele der Älteren dürfte hingegen auch eine Portion Nostalgie eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen. Belegt der Film als gigantische Materialschlacht doch so eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit des gut geölten klassischen Hollywooder Studiosystems, welches sich damals bereits im Niedergang befand.

Seine volle majestätische Wucht kann der Film freilich nur auf der ganz großen Kinoleinwand entfalten. Erst da werden die Vorzüge wie auch die Brillanz der auf 65mm-Negativmaterial im Seitenverhältnis 1 : 2,75 faszinierende Panoramen ermöglichenden MGM-Kamera-65-Bilder und damit der qualitative Vorsprung zu dem, was auf dem üblichen 35mm-Filmmaterial machbar ist, völlig unübersehbar. Aber das bedeutet nicht, dass man im kleineren High-Tech-Heimkino-Maßstab nicht doch vieles von der atemberaubenden Qualität des Originals sicht- und damit erlebbar machen kann.

Ben Hur in der „Ultimate Collector’s Edition 2011“ auf Blu-ray

4790Eigentlich sollte der neue hochauflösende Transfer des in die Jahre gekommenen Kameranegativs inklusive erforderlicher Restaurationsarbeiten rechtzeitig zum 50. Jubiläum von Ben Hur im Jahr 2009 fertig geworden sein. Nun sind es zwei Jahre mehr geworden, weil Warner erfreulicherweise auf höchste Qualität Wert gelegt hat, anstatt auf Zeit arbeiten zu lassen. Man hat sich den neuen außergewöhnlichen 8K-Transfer — 4K markieren den von Hollywood geforderten Kinostandard (die meisten digitalen Abspielstätten projizieren hierzulande derzeit allerdings „nur“ in Auflösungen von etwa 1,6 bis 2K), die Blu-ray bietet 2K, HD-TV 1K und die DVD 0,5K — etwa 1 Million Dollar kosten lassen. Ein derartiger Aufwand ist natürlich nicht nur für den Home-Video-Markt betrieben worden, sondern für digitale Präsentationen des „geretteten“ Films auf ganz großer Leinwand. Und so erlebte der neu transferierte und restaurierte Ben Hur am Samstag, den 1. Oktober 2011, seine Premiere auf dem New York Film Festival.

Nun, das Warten hat sich auch für die Heimkinofreunde echt gelohnt. Warner hat nämlich auch die Kompression des 8K-Masters auf den Blu-ray-Standard vorzüglich ausführen lassen und damit Kompressionsartefakte vermieden. In derart brillanter Qualität hat man Ben Hur zuvor zuhause zweifellos noch nie erleben können. Zwar hat das Monumentalepos spätestens seit der Laser-Disc-Ära auf Video recht solide ausgesehen, aber die aktuelle Blu-ray lässt alle ihre Vorgänger, auch die sehr respektable 2005er 4er-DVD-Edition locker hinter sich. In derart vorzüglicher Detailschärfe, auch in dunkleren Sequenzen, mit Top-Kontrast, vorzüglichem Schwarzwert und ebenso in einer derart überzeugend konsistenten Farbgebung, hat man sich das Epos zuvor noch nicht nach Hause holen können. Jedes Detail der prachtvollen Ausstattung, der Sets und Kostüme ist nun erkennbar. Selbst die leuchtendsten Farben wirken nicht, wie in manch anderen Transfers, mehr oder weniger übertrieben, sondern stimmig. Auch Pastelltöne erscheinen besonders natürlich und darüber hinaus sind feinste farbige Abstufungen auszumachen, die bislang so nicht sichtbar gewesen sind.

Der sechskanalige Magnet-Stereo-Ton von 1959 rangiert auch heutzutage noch qualitativ auf sehr hohem Niveau. Natürlich muss man zugutehalten, dass damals krachende Surroundeffekte wie in manchen Blockbustern unserer Tage noch nicht vorgesehen waren. Insbesondere auf den vorderen Kanälen ist dafür die Stereobasis sehr ausgewogen, das Klangfeld erscheint sehr differenziert, wartet in der deutschen Fassung allerdings nur mit überzeugend räumlich platzierter Musik und Geräuscheffekten auf, wobei auch die in TV-Präsentationen immer abgeschnittene Ouvertüre, Pausen- und Schlussmusik nicht fehlt. Die ursprünglich auch bei den Dialogen vorhandene Direktionalität (der Ton wanderte mit dem Schauspieler durch das Bild) ist leider verschwunden, praktisch alles Gesprochene kommt ausschließlich aus dem Center — ein Wermutströpfchen in einer ansonsten tadellosen Umsetzung.

Wie schon in der 2005er DVD-Edition ist der Film wiederum auf zwei Discs untergebracht. Die Unterbrechung erfolgt völlig stilecht bei der auch im Kino erfolgten Pause. Disc 3, ebenfalls eine Blu-ray, wartet mit einer umfangreichen, keine Wünsche offen lassenden Boni-Kollektion auf. Darunter finden sich sämtliche der umfangreichen Beigaben der 2005er Ausgabe (sämtlich in SD), wie der informative Audiokommentar zum Film, geschickt montiert aus Anmerkungen von Kommentator T. Gene Hatcher und Schnipseln aus Charlton-Heston-Interviews. Leider fehlen dazu aber auch hier wiederum deutsche Untertitel. Das ist schon etwas ärgerlich. Denn auch wenn sich offenbar kaum noch einer traut es zuzugeben, so perfekt sind die Englischkenntnisse vieler Interessierter denn doch nicht, dass man wirklich jedes gesprochene Wort richtig versteht und damit alles zu Hörende fehlerfrei interpretieren kann. Dafür ist erfreulicherweise dieses Mal die bereits bei der 2005er Edition gelistete, aber nicht vertretene (!) „Tonspur nur mit Musik“ mit im Paket. Die übrigen aus der älteren Veröffentlichung übernommenen Boni sind bis auf die dem Film auf Disc 1 vorangestellte Trailerkollektion komplett auf der dritten Blu-ray-Disc untergebracht — die gegenüber der DVD drastisch vergrößerte Speicherkapazität macht’s möglich.

4788Darunter befindet sich übrigens auch die bereits erwähnte komplette 1925er Ben-Hur-Stummfilm-Version von Fred Niblo, in der Thames-TV-Restauration, unterlegt mit der von Carl Davis in den 1980ern neu komponierten, sehr gelungenen Musikfassung. Der Vergleich der 1925er mit der 1959er Verfilmung ist lohnend, er zeigt z. B. verschiedene Szenen, wo sich die 1959er Version eindeutig hat inspirieren lassen — siehe dazu auch die Anmerkungen zum Silva-Sampler „The Silents“. Der 59er Ben Hur besitzt zwar durchaus einige kräftig verkitschte Momente, insbesondere in der finalen „Wundersequenz“. Trotzdem ist die Wyler-Version gegenüber der 1925er Fassung deutlich entkitscht worden und damit ein Stück moderner angelegt. Hier wird die Zeitgebundenheit jeder Inszenierung eines Stoffes schön nachvollziehbar. Bei der 1925er Version war William Wyler übrigens auch schon mit dabei. Er fungierte als einer von 30 Regieassistenten, welche den Einsatz der Statistenheere beim schon damals beeindruckenden großen Wagenrennen leiteten.

Die 78-minütige Doku „Charlton Heston & Ben Hur: Eine persönliche Reise“ ist neu hinzugekommen und wird in HD präsentiert. Hestons Sohn Fraser fungiert hier als Hauptkommentator. Zusammen mit privaten Filmaufnahmen der Heston-Familie werden neben einigen biografischen Infos interessante Impressionen zum Hauptdarsteller Heston während der neunmonatigen Dreharbeiten in den Cinecittà Studios in Rom und zur Bedeutung von Ben Hur für seinen weiteren Lebensweg vermittelt. Dass Heston offenbar die Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King unterstützt hat, zählt zum weniger Geläufigen. Dies macht den als sehr konservativen Republikaner geltenden und wegen seines Engagements für die „National Rifle Association“ (NRA) heftig kritisierten Schauspieler auch noch etwas sympathischer.

Darüber hinaus finden sich im Set noch zwei prächtige kleine Bücher, gedruckt auf Hochglanzpapier, die zwischendurch zum Stöbern einladen — so etwas ist im Zeitalter von DVD & Blu-ray eine echte Rarität. Da gibt es einmal über 64 Seiten ein ansprechendes Souvenir zum Film, bestehend aus Pressetexten und reichhaltig illustriert mit Bildmaterial. Die Nummer zwei bildet das 130 Seiten umfassende „Charlton Heston: Das Ben Hur Tagebuch“, in dem ein Faksimile des persönlichen Tagebuchs, das Heston in der Zeit der Produktion führte, enthalten ist. Dies wird ergänzt durch dazu passende private Fotos aus dem Familienarchiv. Dieses Büchlein bildet damit zugleich eine gelungene Ergänzung zum neuen Bonussegment „Charlton Heston & Ben Hur: Eine persönliche Reise“ und dürfte für manch einen gar ein ganz besonders willkommenes Sammlerstück darstellen.

Dies alles ist vorzüglich in einem sehr stabilen und edel aufgemachten Pappschuber untergebracht, in einer Aufmachung, welche der schon sehr ansehnlichen 2005er „Collector’s Edition“ eindeutig den Rang abläuft. Erfreulich und zugleich befriedigend ist dabei aber auch, dass die deutsche Ausgabe der „Ultimate Collector’s Edition“ zu Ben Hur mit der US-Version inhaltlich komplett identisch und nicht wie in anderen Fällen abgespeckt worden ist.

Fazit: Jetzt ist auch Ben Hur, eine der Perlen des monumentalen Sandalen-Kinos einer vergangenen Ära, im HD-Zeitalter angekommen. In einer zu Recht als ultimativ zu bezeichnenden Edition erstrahlt der Film von Blu-ray in nie zuvor gesehener Qualität. Dabei wartet das Box-Set darüber hinaus mit feinen Zugaben und edler Aufmachung auf. Die vier DVDs umfassende „Collector’s Edition“ aus dem Jahr 2005 wird somit durch die „Ultimate Collector’s Edition“ des Jahres 2011 würdig abgelöst.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2011.

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Regisseur:
Wyler, William

Erschienen:
2011
Vertrieb:
Warner Home Video
Kennung:
5000127154 (3-Blu-ray-Set)
Zusatzinformationen:
USA 1959

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