Baarìa (Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
31. Oktober 2010
Abgelegt unter:
Blu-Ray

Film

(3/6)

Bild

(5.5/6)

Ton

(5/6)

Extras

(5/6)

Mit Baarìa — Eine italienische Familiengeschichte setzt Giuseppe Tornatore — Cinema Paradiso (1988), Die Legende vom Ozeanpianisten (1999), Der Zauber von Malèna (2000) — seiner italienischen Heimat im Allgemeinen und seiner sizilianischen Herkunft im Speziellen ein weiteres Mal ein Denkmal. Tornatores jüngstes Leinwandopus trägt dabei in ganz besonderem Maße autobiografische Züge, denn Baarìa ist die mundartliche Bezeichnung für Bagheria, den Geburtsort des Regisseurs. Der Film erzählt in der für das Kino Tornatores so typischen, poetisch-sinnlichen, mitunter auch mythischen Bildsprache eine sizilianische Familienchronik, angelehnt an die seiner eigenen Familie. Beginnend in den frühen 1930er Jahren reicht der bildgewaltig inszenierte Bogen über rund fünf Dekaden bis in die 1980er, wobei sich zugleich die Wirren des turbulenten 20. Jahrhunderts widerspiegeln.

Im Zentrum steht der zu Beginn als kleiner Junge eingeführte Peppino, der, schließlich selbst ergraut und in die Jahre gekommen, seinen eigenen, fast erwachsenen Spross, Pietro, am Bahnhof auf die Reise in ein eigenes, vielleicht erfolgreicheres Leben entlässt. Doch so richtig wollen dieses Mal die aus den o. g. Filmen Tornatores wohlbekannten Ingredienzien nicht funktionieren. Es fehlt nämlich eine eingehendere Charakterisierung der im Zentrum stehenden Figuren. Dem allzu sehr dem Rausch seiner Bilder verhaftet bleibenden, in seiner anekdotischen Erzählweise aber kurzatmig, mitunter sprunghaft anmutenden Epos gelingt es dabei nur bedingt, den Zuschauer für seine Protagonisten einzunehmen. Manches, was in den insgesamt rund 150 Filmminuten zu sehen ist, besitzt freilich Charme und erzeugt ein Lächeln auf dem Gesicht des Betrachters. Dabei zählt die Selbsthommage an Cinema Paradiso zu den besonders ansprechenden Momenten. Das Kino besitzt nämlich offenbar für alle drei der im Film auftauchenden Generationen der Familie nicht unbeträchtliche Bedeutung. Großvater Cicco lernt dank der Stummfilme anhand der von einem Vorleser rezitierten Zwischentitel Lesen, und Peppino geht häufiger mit seinem Sohn Pietro ins verrauchte Dorfkino. Pietro wiederum wird bereits durch das Sammeln von Filmschnipseln quasi zu einer Art Spiegelung des kleinen Toto aus Cinema Paradiso. Dies im Rahmen einer Szene, wo anhand der erkennbaren Filmtitel zugleich das Verrinnen der Zeit deutlich und aus dem Kind Pietro schließlich ein junger Mann geworden ist.

Doch unterm Strich will der Regisseur einfach zu viel und verzettelt sich in der Fülle angerissener einzelner Mini-Handlungsmomente. Das macht es dem Zuschauer nicht nur schwer, in der sich in zu vielen Einzelheiten verlierenden Handlung die Übersicht und damit den roten Faden im Blick zu behalten. Auch das, was sich auf der Leinwand abspielt, berührt ihn so nur teilweise. Außerdem spiegelt Tornatores 30 Millionen Euro teures sizilianisches Fresco des 20. Jahrhunderts die Wirklichkeit ausschließlich romantisiert und nostalgisch verbrämt wider, verpackt in mitunter etwas seltsam anmutende komödiantische Einlagen, wie die Korruption in der Figur eines blinden Stadtplaners. Ähnlich eher grotesk gelagert spiegeln sich der Widerstand gegen den Faschismus wie auch der politische Kampf der Partita Communista gegen die Democrazia Cristiana im Nachkriegsitalien, und nicht zuletzt die in Sizilien ihren Ursprung besitzende und nach dem 2. Weltkrieg wiedererstarkte „Ehrenwerte Gesellschaft“: die Mafia.

Baarìa eröffnete im September 2009 die 66. Filmfestspiele in Venedig. Vollmundigen Beifall erhielt der Film allerdings in erster Linie von Silvio Berlusconi, dessen Gesellschaft Medusa-Film als Mitproduzentin beteiligt war. Das hat wohl die fast durchweg ablehnende Haltung der Kritiker noch zusätzlich beflügelt. Auch wenn sich der Film politisch gibt — Peppino wird z. B. Kommunist und durch eine Reise in die stalinistische Sowjetunion wieder geläutert —, er ist es nicht wirklich. Gerade die von krassen sozialen Gegensätzen geprägten sizilianischen Verhältnisse werden nicht hinterfragt, eher als notwendiges Übel hingenommen. So ist es, so sind wir eben, scheint der Regisseur hiermit ausdrücken zu wollen. Und wohl gerade das dürfte zu Berlusconis Begeisterung beigetragen haben.

An den deutschen Kinokassen erwies sich der Film als arger Flop und war bereits nach nur vier Wochen Laufzeit praktisch überall wieder von den Leinwänden verschwunden. Ob dies nun auch auf Berlusconi zurückzuführen ist, sei dahingestellt. Nun, so ganz verdient hat das Epos das ausgesprochen geringe Zuschauerinteresse m. E. denn doch wieder nicht. Denn trotz unleugbarer Schwächen besitzt der episodenhafte Bilderbogen gerade durch die gute Kameraarbeit Enrico Lucidis einigen visuellen Reiz und wird ebenso durch die Musik von Altmeister Ennio Morricone ein Stück aufgewertet. Das zusammen ergibt schon eine gerüttelte Portion solider Unterhaltung.

Ennio Morricones Filmmusik auf CD

Es ist schon erstaunlich, wie inspiriert Ennio Morricone, der im November 2010 immerhin seinen 82. Geburtstag begehen wird, immer noch seine nach wie vor unverwechselbaren, oftmals einschmeichelnden Hauptthemen zu komponieren vermag. Auch das elegische für Baarìa enttäuscht keineswegs. Da tut es wenig zur Sache, dass es dabei nicht wirklich Neuartiges zu Hören gibt. Dieses Mal garniert der Altmeister seine Filmmusik mit einer kräftigen Prise sizilianischen Lokalkolorits. Neben einer schon afrikanisch anmutenden Vokalise erhalten der Zampogna (Dudelsack) und auch die sizilianische Flöte Fiscalettu ihren Auftritt, und selbst das Orchester der sizilianischen Carabinieri fehlt nicht. Eingestreut findet sich nicht nur ein Selbstzitat aus Allonsanfan (1973) im Marsch „Ribellione“. Wobei die Melodie im Thema des Prelude aus „L’Arlésienne“ von Georges Bizet zumindest ein markantes Vorbild besitzt. Bei den letzten rund vier Minuten der das Album einleitenden, rund 10-minütigen Suite handelt es sich um die End-Credits des Films: eine eigenwillige, recht gewöhnungsbedürftige Collage aus Musik, Geräuschen und Dialogschnipseln. Eine wenig glückliche editorische Entscheidung, die allerdings dem Morricone-Liebhaber die Freude an diesem Spätwerk des italienischen Maestros nicht unnötig vergällen sollte.

Der Film auf DVD & Blu-ray

Bild- und auch tontechnisch gibt es kaum etwas zu beanstanden. Der Bildtransfer ist von sehr hoher Güte, zeigt bereits von DVD exzellente Detailfreudigkeit, sehr gute Schärfe und satte Kontraste. Die Blu-ray lässt diese für sich schon sehr beachtliche Bildpräsentation dann nochmals deutlich hinter sich, indem sie dem Ganzen das an dieser Stelle schon verschiedentlich erwähnte, entscheidende Quantum Brillanz hinzufügt. Der nicht extrem effektlastige, eher atmosphärische Tonmix schafft die dazu passende und damit stimmige akustische Ergänzung, von Blu-ray auf Wunsch auch in DTS HD Master Audio 5.1.

Auch in Sachen Boni ist es wiederum die Blu-ray-Ausgabe, die durch Exklusivität zusätzlich zu punkten vermag. Ein erweitertes, rund einstündiges internationales Making -of ist neben dem mit rund 11 Minuten zwar knappen, aber dennoch soliden Blick hinter die Kulissen des deutschen Making-of’s zusätzlich vertreten und vermittelt vertiefte Einblicke in die Entstehung des Films.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

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Mehrteilige Rezension:

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Erschienen:
2010
Vertrieb:
Tobis & Universal Pictures
Zusatzinformationen:
I 2010

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