Alice im Wunderland (Disney 1951, Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
12. Juni 2011
Abgelegt unter:
Blu-Ray

Film

(4.5/6)

Bild

(5.5/6)

Ton

(4/6)

Extras

(5.5/6)

Wer von Disneys 2010er Verfilmung der Buchvorlage von Lewis Carroll unter der Regie von Tim Burton nicht genug bekommen kann, der mag vielleicht Disneys im Jahre 1951 realisierte Zeichentrickversion jetzt ebenfalls eingehender in Augenschein nehmen. Das lohnt sich nun in ganz besonderem Maße. Rechtzeitig im Vorfeld des 60-jährigen Jubiläums (Uraufführung am 26. Juli 1951 in New York, deutsche Uraufführung am 17. Dezember 1952) ist Alice im Wunderland nämlich nun ebenfalls in HD auf Blu-ray erhältlich.

2010 hat Disney (nur in den USA) parallel zur aktuellen hauseigenen Realfilmversion Tim Burtons die 1951er Zeichentrickversion nochmals fix mitvermarktet. Das mag man als schamlos betrachten. Ein Augenzwinkern fehlte bei der Aktion freilich nicht, wurde das 2er-DVD-Set doch drolligerweise als „Un-Anniversary-Edition“ angeboten. Die aktuelle Version ist jetzt wiederum eine echte, nämlich eine „60th-Anniversary-Edition“. Allem was zum Film zuvor auf dem Markt war, ist die aktuelle, besonders die Blu-ray-Ausgabe, eindeutig überlegen.

Alice im Wunderland ein Disney-Klassiker?

4551Im Gegensatz zum 10 Lenze mehr zählenden Dumbo (1941) — welcher vor einem knappen Jahr ebenfalls seine HD-Premiere erlebte — zählt der episodenhafte, absurde Alice im Wunderland (1951) keineswegs zu den eher kleineren Produktionen des Disney-Studios. Dieser mitunter geäußerte Eindruck ist eher dem deutlich geringeren Bekanntheitsgrad des Films geschuldet. Alice zählt vielmehr zu den Stoffen, die Disney schon früh am Herzen lagen, deren Verwirklichung sich allerdings durch äußere Ereignisse, unter anderem den 2. Weltkrieg, bis 1947 verzögerten. Zwei Indizien dafür sind übrigens in der gut ausgestatteten Bonisektion in Form zweier Kurzfilme zu begutachten: der aus der animationstechnischen Frühzeit in den 20er Jahren, der Reihe „Alice Comedies“ entstammende, noch stumme und auf Schwarzweißfilm aufgenommene Alice‘s Wonderland sowie der Technicolor-Auftritt des berühmten Mäuserichs in Mickey im Traumland (Through the Mirror) aus dem Jahr 1936.

Hinter dem Erfolg des kurz zuvor in die Kinos gekommenen, storytechnisch wieder klassisch gehaltenen Cinderella (1950) und ebenso von Dumbo blieb Alice allerdings erheblich zurück. Inwieweit dieser Disneyfilm in die Kategorie der sehr guten Produktionen des Studios oder gar der Meisterwerke gehört, das ist schwierig einzustufen. Vom meisterhaften, sehr individuell gelösten Erzählkino von Schneewittchen und die sieben Zwerge (1938), Pinocchio (1940) oder Bambi (1942) ist in Alice fast gar nichts zu spüren. Die Art und Weise, wie Disney die Geschichten in den vorstehend aufgezählten Filmen erzählt, ist zudem ja keineswegs konventionell, sondern vielmehr bahnbrechend gemacht. Disney hat sich bei Alice schon an die skurrile Vorlage gehalten. Bei deren Umsetzung hat er jedoch andererseits zumindest in Teilen versucht, z. B. durch die ausgiebigen Musicaleinlagen, sich einem breiteren Publikumsgeschmack anzunähern.

Mit dem ebenfalls episodenhaft angelegten Fantasia (1940), der immerhin in den frech-witzigen Silly-Symphonies seine eindeutigen Wurzeln besitzt, hat Alice infolge der Absurdität des in seinen einzelnen Teilen Gezeigten nicht wirklich etwas gemein — auch wenn die beteiligte Top-Riege der Disney-Zeichner („Nine Old Men“) bei diesem Sujet beteiligt gewesen ist und, insbesondere in den Farbkompositionen, sehr experimentiert hat. Die zuvor genannten, heutzutage eher sehr schlicht wirkenden „Alice Comedies“ der 20er Jahre bilden dazu übrigens ebenfalls keinen echten Anknüpfungspunkt. Somit steht der 1951er Animationsfilm im Disney’schen ŒŒuvre weitgehend beispiellos und allein da.

Das soll aber nun keinesfalls heißen, dass man sich mit ihm nicht befassen sollte. Auch wenn dieser Film erzähltechnisch irritierend ist und dadurch insbesondere hierzulande nie einen nur annähernd vergleichbaren Klassikerstatus erreicht hat (und auch nicht erreichen wird) wie die o. g. Filme. Die künstlerische Seite dieses Zeichentrickprojektes verdient es in jedem Fall, entdeckt zu werden.

Alice auf Blu-ray in „neuem Glanz“:

Die fantastischen Abenteuer der Alice hat Disney in besonders pralle Buntheit getaucht. Und dies kommt jetzt gerade in der aktuellen HD-Ausgabe der sorgfältig restaurierten Vorlage in besonderem Maße zur Geltung. Bereits die 2003er DVD-Edition sieht für sich betrachtet beachtlich aus. Allerdings erscheinen die vielfältigen, mitunter grellen Farbkompositionen des Films jetzt doch nochmals deutlich überzeugender und auch insgesamt merklich stimmiger. Die Bildqualität ist nahezu durchweg perfekt: sehr scharf, detailreich und versehen mit Top-Kontrast. Das ist es, was neben der bereits erwähnten brillanten Farbwiedergabe ein tolles Bild ausmacht. Da fallen die ganz vereinzelten Momente kaum noch ins Gewicht, in denen das Gezeigte mal etwas soft wirkt. Einmal mehr belegt damit der vorliegende High-Tech-Transfer nicht nur eine vorzügliche Restaurationsleistung, sondern er zeigt zugleich, wie erstklassig, ja fast neuwertig, auch ältere Filme aussehen können, die schon mehr an Jahren auf dem Buckel haben als die meisten Internetuser.

Auch Alice entstand noch vor Einführung der Breitwandverfahren und sollte in seinem originalen Format (1 : 1.37) belassen, auf den modernen 16:9-TV-Geräten nicht (!) formatfüllend aufgeblasen werden. Wer sich an den seitlich erscheinenden schwarzen Balken seines Breitbild-TVs stört, der teste „Disney-View“, das die Balken passend zum jeweiligen Bild gemäldeartig grafisch auffüllt.

Gegenüber dem Bild ist der sowohl als restaurierter Original-Mono-Mix als auch in einer behutsam stereofonisierten Variante anwählbare Ton eher unspektakulär. Da ist natürlich (in Deutsch) trotz DTS 5.1 gegenüber dem originalen Mono nur eine kleinere Portion an artifiziellem Raum drin. Das gilt übrigens auch für das Original in Englisch, trotz der etwas kraftmeierischen Kennzeichnung mit DTS HD 5.1. Nun, wer hier nicht eisern auf dem Original-Mono beharren mag, der dürfte die etwas fülliger und „heutiger“ wirkende Abmischung in „Electronic-Stereo“ schon als Gewinn empfinden.

Die Kapazität einer zweischichtigen Blu-ray-Disc (50 Gigabyte) macht es möglich, neben dem mit 75 Minuten relativ kurzen Kinofilm noch eine feine, umfangreiche Boni-Kollektion (zum Teil in HD) beizupacken. Darüber werden all diejenigen besonders erfreut sein, die sich in den zurückliegenden Jahren immer besonders darüber geärgert haben, dass die US-Ausgaben in diesem Punkt deutlich besser bestückt waren. Dafür, dass das aktuelle Produkt nicht unter „Diamond-Edition“ firmiert, ist gerade die Menge an enthaltenen Zugaben, die zum überwiegenden Teil aus älteren Editionen stammen, außerordentlich beachtlich. „Durch das Schlüsselloch: Ein Blick auf das Wunderland“ heißt das rund zwei Stunden umfassende, aus vielerlei, zum Teil sehr informativen wie auch amüsanten Einzelteilen bestehende Segment, in dem auch die bereits erwähnten frühen Alice-Kurzfilme zu finden sind. Nett und auch sehr nostalgisch ist da z. B., wenn Disney die Einführung des Farbfernsehens 1953 in den USA kommentiert, oder auch das jetzt erstmalig in HD zugängliche 50er-Jahre-„Making of“ (vermutlich ein Produktionstrailer) Operation Wunderland. Die umfangreiche Standbildkollektion als „Interactive Gallery“ in HD bringt den Charme und die Kreativität der Disney-Zeichner-Elite prächtig und somit angemessen zur Geltung.

Fazit: Alice im Wunderland ist und bleibt sicherlich ein Film, an dem sich die Geister scheiden. Nun, auch wenn dieses wenig disneytypische Produkt nicht jedermanns Sache ist: Wer sich auf ihn einlassen und auf Entdeckungsreise gehen möchte, der erhält dazu jetzt mit der vorzüglichen Blu-ray-Version die bislang eindeutig beste Gelegenheit. Diese Alice-Edition kann man sich also völlig unbesorgt gönnen: Sowohl zum Geburtstag als auch zum „Nichtgeburtstag“.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Pfingsten 2011.

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Erschienen:
2011
Vertrieb:
Walt Disney Studios Home Entertainment
Kennung:
BGH 0078404 (Platinum-Edition)
Zusatzinformationen:
USA 1951

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