Apocalypse Now im Weltraum: Ad Astra – Zu den Sternen von Regisseur James Gray
Der Titel des Films bezieht sich auf eine lateinische Redewendung, die auf den berühmten römischen Denker Seneca zurückgeht: „Per aspera ad astra“, was etwa für „Mit Mühsal gelangt man zu den Sternen“ steht. Dies war übrigens bereits bei der TV-Serie Star Trek das Motto der Sternenflotte.
In einer näheren Zukunft arbeitet Roy McBride (Brad Pitt) für den NASA-Nachfolger „SpaceCom“. Sein Markenzeichnen ist außerordentliche Coolness, sein Puls steigt nie über 80 Schläge pro Minute. Dies steht zugleich für seine außergewöhnlichen Fähigkeiten auch extrem gefahrvoll-kritische Situationen zu meistern. Die Ursache dafür liegt allerdings im autistischen Zug seiner Persönlichkeit begründet, welcher zur Trennung von Frau und Tochter geführt hat.
Seit einigen Monaten werden insbesondere die Erde, aber auch ihre Außenposten auf Mond und Mars, von starken elektromagnetischen Impulsen bedroht, die aus dem Bereich des Neptun stammen. SpaceCom vermutet, dass diese Gefahr auf das vor 20 Jahren verschollene LimaProject zurückgeht, das von Roys Vater, dem legendären Astronauten Clifford McBride (Tommy Lee Jones) geleitet worden ist. Roy erhält den Geheimauftrag, vom Mars aus mit seinem Vater möglichst per Funk in Kontakt zu treten und anschließend zum Neptun aufzubrechen, um gegebenenfalls das Lima-Raumschiff, das dereinst aufgebrochen war, um intelligentes außerirdisches Leben aufzuspüren, zu zerstören.
Direkt gesagt: Auf den äußerst gemächlichen, betont selbstreflexiv und meditativ angelegten Trip von James Grays Weltraum-Opus Ad Astra, muss man sich einlassen mögen. Der Film gehört in die Kategorie Arthouse, aber nicht in die des Mainstreamkinos, wobei letzteres für den Regisseur von Filmen wie The Yards – Im Hinterhof der Macht (2000), The Immigrant (2013) oder Die versunkene Stadt Z (2016) auch atypisch wäre. Als Kameramann fungierte Hoyte van Hoytem, der u.a. für die brillante Bildsprache von Interstellar und James Bond Spectre verantwortlich zeichnet.
Zwei eingestreute Action-Sequenzen, eine Verfolgungsjagd durch Mondpiraten sowie beim Flug zum Mars eine gefährliche Begegnung mit aggressiven Primaten auf einem Notrufe sendenden norwegischen Forschungsschiff, sind zwar durchaus spannend und auch visuell gut inszeniert. Aber auch wenn diese Roy McBrides Fähigkeiten, selbst haarsträubende Gefahrensituationen zu bewältigen, eindringlich zur Schau stellen, wirken sie letztlich völlig aufgesetzt und bilden daher entbehrliche Fremdkörper. Roys Fähigkeiten arbeiten nämlich bereits zwei andere, wesentlich organischere Sequenzen eindringlich genug heraus: der den Film eröffnende spektakulär in Szene gesetzte Unfall an einer gigantischen Außenantenne in der Stratosphäre, ausgelöst durch einen elektromagnetischen Puls, sowie die zwar wenig realistisch anmutende – die anfliegende Rakete wird exakt senkrecht, punktgenau aufgesetzt –, jedoch äußerst dramatisch umgesetzte Landung auf dem Mars.
Und damit sind wir beim Hauptproblem des Films angelangt, den geradezu in Serie attestierbaren Unwahrscheinlichkeiten und zum Teil massiven Logiklöchern des Drehbuches. Hierfür ein paar Beispiele: Dass ein wie auch immer supermoderner Kern-(Fusions)-Reaktor in der Nähe des im Grenzbereich unseres Sonnensystems kreisenden Eisriesen Neptun und damit etwa 4,6 Mio km von der Erde entfernt, derart starke elektromagnetische Impulse aussenden könnte, dass davon die Erde ernsthaft bedroht wird, deren Ausgangspunkt jedoch nicht geortet werden kann, das ist bereits jedes für sich absurder Blödsinn. Die beim Zwischenstopp auf dem Mond für Action sorgenden Mondpiraten sind ebenfalls ein sehr abenteuerliches, in der Realität undenkbares Konstrukt. Richtig absonderlich wird es, wenn es für den auf dem Mars angekommen Roy McBride zuerst nicht weiter geht, da er, durch einen psychologischen Test gefallen, plötzlich zurück zur Erde soll. Unterstützt von der Stützpunktleiterin taucht er während des Countdowns für den Raketenstart komplett verpackt im Raumanzug unterhalb der Rakete aus einer Art Wassertank auf und gelangt doch tatsächlich noch hinein. Bei der sich anschließenden Auseinandersetzung mit der Besatzung, welche ihn neutralisieren soll, überlebt er als einziger. Dabei gibt allerdings neben den sorglos abgefeuerten Pistolenschüssen ebenso sehr zu denken, dass sich die Astronauten Sekunden vor dem Start von ihren Sitzen losschnallen – mit entsprechend dramatischen Konsequenzen. Dann stellt sich heraus, dass die Flugzeit zum Neptun nur gerade mal 78 Tage beträgt. Wieso man da nicht längst etwas unternommen hat, um aufzuklären, was mit dem Lima-Projekt schief gelaufen ist, ist das nächste riesige Logikloch. Dass Voyager 2 zur Überbrückung dieser Entfernung immerhin rund 11 Jahre brauchte, sei nur angemerkt.
Hier könnte man noch diverses mehr aufzählen und dem Film damit quasi den Todesstoß versetzen. Soweit möchte ich allerdings keineswegs gehen, denn natürlich ist auch klar, dass man im Kinofilm zwangsläufig nicht ausschließlich die Realität abzubilden vermag, sondern im Interesse einer funktionierenden Dramaturgie auch gewisse Kompromisse eingehen muss. Zudem ist die Story von Ad Astra, trotz diverser Schwächen des Drehbuches, insgesamt durchaus interessant. Es geht zwar auch um die Frage nach der Existenz weiterer intelligenter Lebensformen im All, deren Bejahung der Mensch als Herdentier ersehnt, aber zugleich auch fürchtet. Der Film beschäftigt sich jedoch in besonderem Maße mit der ebenso wichtigen Frage, ob der durch die Galaxis reisende Erdling überhaupt in der Lage sein wird, angesichts der völligen Stille und gigantischen Leere des Weltalls lange Raumaufenthalte psychisch in guter Verfassung zu überstehen – ein Aspekt der übrigens auch in Christopher Nolans Interstellar (2014) eine gewisse Rolle spielt. Außerdem klingen gegenüber der Menschheit, die offenbar auch in der nahen Zukunft nur wenig dazu gelernt hat, kritische Töne an, wenn Roy in einem seiner Monologe diese als nach wie vor rücksichtslose Weltenfresser bezeichnet, die überall denselben Raubbau betreiben wie auf der Erde.
Wenn Roy und sein Vater sich im letzten Filmdrittel in der Nähe des Neptun begegnen, wird rasch klar, dass der alte Clifford McBride, der schon früher von der Idee besessen war, außerirdische Intelligenz zu entdecken, völlig den Verstand verloren hat. Als die ihn begleitenden Forscher des Lima-Projekts nach langer Arbeit des Auswertens sämtlicher Messungen feststellten, dass die Menschheit im erfassbaren Universum ganz allein ist und zur Erde zurückkehren wollten, kam es zur Katastrophe, bei der er den Tod der gesamten Besatzung verursachte. Clifford McBride ist auch jetzt noch fanatisch vom Gedanken beseelt, noch tiefer ins All hinaus zu fliegen, um sich das Scheitern nicht eingestehen zu müssen: Manchmal müsse eben der Wille das Unmögliche überwinden. Roy hat erkannt, dass er seinem Vater zwar in manchem sehr ähnlich ist, aber dessen Weg keinesfalls beschreiten wird. Und somit läuft es letztlich auf einen Vater-Sohn-Konflikt und ein finales Desaster hinaus (Clifford McBride entschwebt auf eigenen Wunsch in die Tiefen des Alls), das nicht allein an Gravity erinnert, sondern auch gewisse Ähnlichkeiten zu Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ und damit auch zur bekanntesten filmischen Umsetzung des Stoffes in Francis Ford Coppolas Apocalypse Now (1979) besitzt. Der Dialog der beiden ist von den Darstellern Brad Pitt und Tommy Lee Jones vorzüglich in Szene gesetzt. Gerade weil dabei nicht dick aufgetragen wird und auch der Wahnsinn des Vaters nur sehr subtil angedeutet ist kommt dank des eher zurückhaltenden, aber eindringlichen Minenspiels noch manches mehr zum Ausdruck als allein durch die gesprochenen Worte.
In Punkto Plausibilität und weitestgehender Annäherung an die Realitäten belegt derzeit eindeutig Ridley Scotts brillanter Der Marsianer (2015) den Spitzenplatz, im dezentem Sicherheitsabstand gefolgt von Christopher Nolans ebenfalls sehr eindrucksvollem Interstellar (2014) und dem raffinierten Survival-Thriller Gravity (2013) von Alfonso Cuarón. Alle drei punkten aber auch durch ihre ausgeprägten visuellen Qualitäten und zumindest in diesem Punkt vermag auch Ad Astra in oberster Liga mitzuspielen. In manchen Bildern fühlt man sich an Interstellar, aber natürlich auch an die Mutter aller modernen Space-Opera, Stanley Kubriks 2001 – Odyssey im Weltraum (1968), und in besonderem Maße an Gravity erinnert. Zwar vermag die vorzügliche Optik die Mängel des Drehbuchs nicht komplett zu überspielen, aber diese doch zumindest deutlich abzumildern.
Die Szenen am Neptun bilden dabei freilich ein besonderes Highlight des Films. Wenn Brad Pitt in großer Ferne die als ein geradezu gleißend heller Stern erscheinende Sonne ausmacht und sich dadurch an das Leben auf der Erde erinnert, dann ist dies zwar auch nicht voll realitätskonform, da der Neptun und seine Umgebung eindeutig zu hell dargestellt werden. Aber dieser Kompromiss ist nicht nur einleuchtend, er führt im eigenen Universum des Films zweifellos zu einem besonders eindringlichen Moment von geradezu magischer Schönheit. Und entsprechend mag man, allein weil es so toll aussieht, auch noch durchwinken, wenn Brad Pitt am Ende auf dem Weg zurück zu seinem Raumschiff (und zur Erde) durch den äußeren Teil eines der dünnen Neptunringe gleitet und dabei eine Metallplatte als Schild gegen winzige Eis- und Staubpartikel benutzt.
Im Endeffekt behält damit vielleicht der weise Lucius Annaeus Seneca recht, der sich bereits in der Antike eher kritisch über das Reisen ausließ: „Was kann an sich das Reisen einem nützen? Es tut der Genusssucht keinen Einhalt, es zähmt nicht die Begierden, beschwichtigt nicht den Zorn, unterdrückt nicht die ungestümen Erregungen der Liebe, kurz entlastet unsere Seele nicht von ihren Übeln.“ Und er resümierte: „Warum konzentrierst du dich nicht lieber mit deinem kurzen Leben auf wesentliche Dinge und lebst nicht mit dir und der Welt in Frieden?“
Ad Astra in HD auf BD & in UHD auf 4K UHD-BD
Seit dem 6. Februar 2020 sind die beiden folgenden Ausgaben auf dem Markt: Die Blu-ray-Veröffentlichung ist als Einzel-BD in konventioneller Amaray-Box erhältlich und die 2-Disc-Combo aus BD und 4K-UHD-BD ist derzeit als limitiertes Steelbook zu haben.
Bild und Ton
Das HD-Bild der Blu-ray sieht für sich genommen über weite Strecken schon grandios aus. Beachtliche Schärfe sowie eine sehr solide Farbwiedergabe gehen Hand in Hand mit einem sehr guten Kontrastverhältnis. Einige Einstellungen, etwa mit gewollter Unschärfe oder matterem Kontrast, fallen hingegen zwangsläufig dezent ab. Dies betrifft etwa die Szenen auf dem weiter von der Sonne entfernten Mars, welche erheblich blasseres Licht und damit geringeren Kontrast aufweisen als die auf der Erde. Auf dem Mars ist daher alles in matteren rost- und orangeroten Farbtönen gehalten. Demgegenüber sind die Außenaufnahmen auf der hellen Seite des Mondes realistischerweise eindeutig vom starken Licht der Sonne völlig überstrahlt, und das geht mit entsprechend hartem Kontrast einher.
Das Bild von der 4K UHD-BD ist gegenüber dem der BD auffällig dunkler eingestellt. Dies wird ihm aber nicht zum Verhängnis, da die matteren Details im Bild von BD auch in der dunkleren UHD-Darstellung nicht einfach verschluckt werden. Sie bleiben (bei abgedunkelter Umgebung) vielmehr durchaus erkennbar, und das Drumherum zeichnet sich nun in aller Regel durch deutlich feinere Abstufungen im Kontrast und der Detailauflösung aus. Die Unterschiede in der Bildschärfe sind in einzelnen Szenen deutlicher, in anderen (etwa auf dem Mars) sind gegenüber der bereits dezent matten BD-Darstellung keine markanten Verbesserung augenfällig. Das UHD-Bild zeigt darüber hinaus in Teilen jedoch auch eindeutig markantere, sattere Farben. Davon profitieren u.a. Planetenansichten, wie die des Saturns. Auch das Blau in der Neptun-Sequenz sieht besonders eindrucksvoll aus. Bestechend sind außerdem nicht zuletzt diverse Weltraumszenen, die mit sattem Schwarzwert und besonders funkelndem Sternenfirmament aufwarten. In seinen besten Momenten erscheint das Gezeigte in UHD im Detail besser durchzeichnet und beeindruckt in besonderem Maße durch die deutlich satteren Farben.
Zwar kommt die deutsche Tonspur sowohl auf der BD als auch der UHD-BD „nur“ in einer klassischen (komprimierten) dts-Abmischung daher. Ausschließlich die englische Sprachfassung der UHD-BD gibt’s auch in Dolby-Atmos. Aber dies sollte man trotzdem nicht überdramatisieren. Auch wenn Dolby-Atmos gewiss eine feine Sache ist, die in gewissen Momenten zu punkten vermag. Die Unterschiede gegenüber einer 7.1- oder auch einer sauberen 5.1-Tonwiedergabe stellen den Hörer in aller Regel nicht derart schlechter, dass Verzweifeln angesagt ist. Man muss vielmehr meist sehr häufig hin- und herschalten und Abschnitte wiederholen, um auch mal fündig zu werden. Hier sollte man sich von den mit Superlativen gespickten, allzu blumigen Werbeversprechen nicht blenden lassen. Auch inwieweit ein Unterschied zwischen dts komprimiert und unkomprimiert (HD-Master-Audio) wirklich greifbar ist, sei dahin gestellt. In jedem Fall sind selbst die mit Datenkompression arbeitenden Tonverfahren eindeutig besser als ihnen von manchen Fans zugestanden wird. Will damit sagen, dass es mittlerweile insbesondere beim Tonmix häufiger um eher marginale Differenzen geht, die zudem auch individuell recht unterschiedlich empfunden werden können. Unterschiede in der jeweiligen Abmischung sind jedenfalls wesentlich eindeutiger für Qualitätsunterschiede verantwortlich als das zugehörige Tonformat an sich. Im vorliegenden Fall lässt jedenfalls der dts-5.1-Tonmix kaum Wünsche offen. Dieser arbeitet bereits sehr effektiv mit in den Klangraum um den Zuschauer fein differenziert eingebetteten oftmals dezenten Geräuschen. In den entscheidenden Momenten (etwa Raketenstarts), wird der Raum von Sounds satt geflutet und außerdem verfügt er noch über ein betont sattes (Subwoofer) Bassfundament. Gegen dessen Oscarnominierung dürfte wohl kaum jemand Einwände erheben.
Extras
Es gibt eine ordentliche Kollektion aus fünf informativen Featuretten (über insgesamt rund 45 Minuten), die recht solide Einblicke in die Produktion bieten. Darüber hinaus ist in besonderem Maße der hervorragende Audiokommentar von Regisseur James Gray erwähnenswert, der sowohl von der BD als auch der UHD-Fassung verfügbar ist und neben zusätzlichen Infos zur Film-Entstehung auch aufschlussreiche Erläuterungen zu einzelnen Szenen enthält. Hinzu kommen noch zwei kurze geschnittene Szenen sowie zwei Trailer. Dabei sind zu sämtlichen englischsprachigen Bonusmaterialien (inkl. des feinen Audiokommentars!) sorgfältig eingedeutschte Untertitel abrufbar. Das ist leider keineswegs selbstverständlich und daher umso erfreulicher.
Fazit: Zwar fällt Ad Astra – Zu den Sternen durch die vielen Logiklöcher des Plots in der Gesamtwirkung schon ein Stück ab. Aber die Geschichte besitzt zugleich eine Reihe interessanter Aspekte und überwältigt letztlich doch durch die bestechende Optik in der Inszenierung. Am Ende des kaum massentauglichen Films bleibt man ob seines ernüchternden Blicks auf die Raumfahrt etwas nachdenklich zurück.
Weiterführende Informationen:
Zur Frage um die Existenz von intelligentem Leben im All gibt’s von Harald Lesch als Antwort ein eindeutiges „Jein“, das der Interessierte in zwei TV-Schnellkursen gut fassbar erklärt bekommt: „Wo sind die Aliens? Das Fermi-Paradoxon“ (Erstausstrahlung 2016) sowie „Der Außerirdische ist auch nur ein Mensch“ (Erstausstrahlung 14. Jan. 2010).
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.