Kurz-Kommentar zum Film: Nackte Gewalt ∗ The Naked Spur (1953)
In diesem betont Film-Noir-mäßig angehauchten Anthony-Mann-Western befindet sich der Bürgerkriegsveteran Howard Kemp (James Stewart) auf einer Art Rachefeldzug. Er jagt den Mann, Ben Vandergroat (Robert Ryan), der ihm seine Verlobte ausspannte und ihn auch um seinen Besitz, eine Ranch, gebracht hat. Kemp will das auf den wegen Mordes gesuchten Vandergroat ausgesetzte Kopfgeld kassieren, um sich seine Ranch zurückkaufen zu können.
Dabei erlaubt sich das Drehbuch von Sam Rolfe und Harold Jack Bloom im Handlungsablauf allerdings schon diverse Holprigkeiten und Logiklöcher. Etwa wenn Kemp im Rahmen eines Gefechts mit Indianern angeschossen und im weiteren Verlauf sogar vom Pferd gestoßen wird, dabei einen recht steilen Abhang hinunterstürzt, ohne dass ihn dies in seinen weiteren Handlungen offenbar nennenswert einschränkt. Auch Kemps im Finale ultrafix vollzogene Wendung zum Helden wirkt gerade heutzutage allzu plakativ aufgesetzt und ist kaum mehr glaubhaft. Da hat man schon den Eindruck, dass das Drehbuch bzw. der Regisseur sich für ihre Zeit als zu weit vorgewagt wähnten und krampfhaft versucht haben aus der moralisch allzu schroffen Handlung dieses „Drama of Savage Desire“, wie der Original-Trailer verkündet, mit Hilfe einer übermäßig konventionellen Schlusswendung wieder herauszufinden. Insofern erscheinen die zum Film verbreitet zu findenden betont vollmundigen Lobeshymnen zumindest in Teilen als überzogen. Im betont rauen Handlungsablauf, den ausgeprägt auf den Film-Noir verweisenden Figuren inklusive der bereits recht ausgeprägten Gewaltdarstellung zählt Nackte Gewalt zu den Hollywoodwestern, die das Genre des Italowestern beeinflusst haben.
Die sehr beachtliche Kameraarbeit von William C. Mellor reißt hier allerdings visuell schon einiges raus, indem sie die Handlung elegant in oftmals faszinierende Landschaftsaufnahmen einbettet. Nackte Gewalt zeichnet sich darüber hinaus auch durch das hierbei eingesetzte 3-Farb-Technicolor-Aufnahmeverfahren aus. Dieses liefert hier insgesamt kräftige und schon auch mal betont sattere Farben. Vom für diese Farbfilmtechnik immer noch weit verbreiteten Klischee einer angeblich allzu betont vorherrschenden Buntheit sticht er allerdings durch seine Nüchternheit besonders klar ab.
Die ebenfalls auf das Noir-Kino und naheliegend auch auf Miklós Rózsa verweisende, recht rauh und dissonant gehaltene, nichtsdestoweniger sehr gelungene Filmmusik von Bronislaw Kaper (Meuterei auf der Bounty) verdient es unbedingt noch erwähnt zu werden. Als charmant-lyrischer Kontrast fungiert hier der verschiedentlich eingewobene Stephen-Foster-Song „Beautiful Dreamer“. Der Interessierte findet die komplette Musik (rund 41 Minuten) in recht frisch klingendem Stereosound im derzeit allerdings vergriffenen 3er-CD-Box-Set von FSM „The Naked Spur: Classic Western Scores From M-G-M“, erschienen im Jahr 2008.
Nackte Gewalt ∗ The Naked Spur im Mediabook auf Blu-ray
Bild und Ton
Plaion Pictures hat Nackte Gewalt als Teil seiner bewährten „Edition Western Legenden“, also im sehr ansprechenden Mediabook veröffentlicht. Darin enthalten ist derselbe HD-Transfer, den Warner Archive in den USA bereits im Jahr 2021 veröffentlichte. Das Bild im Normalformat (1 : 1,37) zeigt nicht bloß sehr gute Werte für Kontrast und Schärfe. Die satte Farbwiedergabe des 3-Farben-Technicolors sorgt darüber hinaus zusammen mit dem tadellosen Schwarzwert für einen insgesamt überaus frischen und knackigen Bildeindruck, der mit fein abgestuften, vielfältigen Details aufwartet. Hierdurch kommen insbesondere die in den Bergen Colorados und in Kalifornien eingefangenen Landschaften besonders packend zur Geltung. Mir erscheint das Bild von Blu-ray sogar insgesamt noch etwas besser als das der ebenfalls sehr soliden ARTE-Ausstrahlung im September 2025.
Auch die Tonspur zeigt sich sehr solide. Sie wartet insbesondere im englischen Original, aber auch in der deutschen Synchronfassung nur geringfügig dahinter liegend, mit einem sehr klaren, recht frischen Monosound auf.
Extras
Das besondere Sahnehäubchen bildet hier das 8-seitige informative Booklet, verfasst von Fritz Göttler. Daneben ist das ebenfalls sehr frisch und knackig aussehende, witzige Tex-Avery-Cartoon Little Johnny Jet (7 min.) von 1952 eine besonders nette Zugabe für’s stilechte Vorprogramm der Fifties innerhalb der Warner-Kinoketten. Neben dem englischen Originaltrailer gibt’s auch noch einen deutschen Erstaufführungstrailer dazu. Davon ist insbesondere der deutsche in bescheidener, stark rötlich stichiger Bildqualität. Und schließlich bildet noch die übliche nette Bildergalerie ein besonders hervorzuhebendes Austattungsmerkmal. Primär für Nostalgiker ist dagegen das ziemlich altbackene Pete-Smith-Speciality-Short „Things We Can Do Without“ (9 min.).
Fazit: Anthony Manns Rachewestern mit ausgeprägtem Noir-Touch, dafür in 3-Farben-Technicolor, Nackte Gewalt ∗ The Naked Spur, aus dem Jahr 1953 ist trotz seiner nicht voll überzeugenden Handlung und trotz einiger Logiklöcher immer noch sehr ansehnlich. Was die erneute Begegnung mit dem Film besonders reizvoll macht, ist in ganz besonderem Maße die edle Farbfotografie des Kameramanns William C. Mellor. Derart hochwertig und damit visuell überzeugend kraftvoll wie im jetzt auch hierzulande verfügbaren HD-Transfer von Warner Archive hat der Film seit Jahrzehnten auf Video nicht ausgesehen.
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