Auf den allerersten Blick ist dies vielleicht die etwas weniger spektakuläre der beiden Rafael-Kubelík-CD-Box-Sets des australischen Ablegers von Universal Music. Doch ein zweiter, tieferer Blick auf das insgesamt Gebotene zerstreut eventuelle Bedenken. Die ersten acht der insgesamt 12 Datenträger vereinen Kubelíks Decca-Aufnahmen von 1954 bis 1959 in einem Mix aus überwiegend gut bis sehr gut klingenden Mono- bzw. Stereoeinspielungen. Hinzu kommt, dass die CDs bis auf zwei (Mahlers Erste sowie die Janáček-Tschaikowski-Kopplung, die mit einer feurig dargebotenen Sinfonietta & Romeo und Julia aufwartet), beide in sehr gutem Mono, auch spielzeitmäßig top bestückt sind. Dabei bilden die Kubelíks ersten und zugleich einzigen (!) Brahmssinfonienzyklus (in Stereo) enthaltenden CDs 1 und 2 mit jeweils knapp 82 und 77 Minuten die Spitze. Insgesamt bekommt der Käufer mit einer Gesamtspielzeit von rund 13 Stunden und 9 Minuten einiges für sein Geld. CD 3 vereint eine dynamische Interpretation von Dvořáks Cellokonzert (mit Pierre Fournier) in sehr sauberem Mono mit der Streicherserenade Dvořáks in klarem Stereo, eingespielt mit dem Israel Philharmonic Orchestra. Letztere wurde übrigens interessanterweise in einem Kinosaal in einem Vorort von Tel Aviv im Jahr 1957 aufgenommen. Besonders interessant ist auch die erste stereophone Einspielung von Smetanas „Mein Vaterland“, entstanden 1958, die zum Vergleich mit der monoralen Mercury-Einspielung mit dem Chicago Symphony vom Dezember 1952 (s. u.) einlädt.
Trotz verwendeten „Decca-Trees“, trotz des legendären John Culshaw als Produzenten und trotz Einspielung in den klanglich legendären Sofien-Sälen sind die beiden Dvořák-Sinfonien Nr. 7 & 9 im Oktober 1957 für Decca-Verhältnisse leider relativ bescheiden geraten: Insbesondere die 7. Sinfonie klingt erstaunlich wenig dynamisch, undifferenziert und überhaupt recht diffus und wirkte somit – insbesondere beim ersten Hören – insgesamt erstaunlich blass. Auch das Englischhornsolo im dritten Satz der 9. hebt sich aus dem Klangteppich allzu geringfügig hervor, droht darin fast schon unterzugehen. Die Mono-Aufnahme von Dvořáks Slawischen Tänzen, entstanden im großen Saal des Wiener Musikvereins, erscheint ebenfalls nicht optimal, sie klingt vielmehr recht eng und leicht angeraut. Damit sind allerdings die kleineren Stolpersteine der Kollektion auch schon genannt.
Die letzten vier CDs bilden mit zwei Operngesamtaufnahmen aus Kubelíks Schlussphase beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks einen glanzvollen und besonders edlen Abschluss: Nicolais Die lustigen Weiber von Windsor (1977) & Webers Freischütz (1980). Edel übrigens auch, weil selbst im umfangreichen Kubelík-Box-Set der Deutschen Grammophon nur drei Operngesamtaufnahmen enthalten sind: Oberon (von Weber), Lohengrin (Wagner) & Rigoletto (Verdi). Die Lustigen Weiber vermögen mit der ungekürzten Fassung sowie frischen Tempi und vorbildlich durchsichtigem Orchestersound zu punkten, wobei auch die Sängerriege tadellos ist. Ähnlich positiv sieht’s aber auch beim Freischütz aus. Dieser verfügt nicht nur über exzellenten Klang und einen damals auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit agierenden Rene Kollo. Der unvergleichliche Rolf Boysen als unheimlicher „Schwarzer Jäger“ Samiel, verleiht der in die Zukunft des Musikdramas verweisenden Wolfsschlucht-Sequenz eine außergewöhnliche Dämonie, welche die ansonsten vorherrschende, eher gemütvolle Singspielatmosphäre geradezu aufmischt.
Sämtliche CD-Hüllen sind mit der Reproduktion eines originalen LP-Frontcovers versehen sowie auf der Rückseite mit einem zweiten – natürlich zwangsläufig stark verkleinert – für das auf dem jeweiligen Datenträger vertretende musikalische Füllmaterial. Das sorgfältig gestaltete 31-seitige Begleitheft verfügt neben eingehenden diskografischen Infos zu den vertretenen Aufnahmen über einen feinen Einführungsartikel zum Dirigenten von Peter Quantrill.
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