Fantasia 2000
Klassische Musik, in Stereo-Ton, kombiniert mit gezeichneter Animation in Perfektion: eine Idee die Walt Disney bereits Ende der dreißiger Jahre in die Tat umsetzte. Als Keimzelle des im endgültigen Resultat zweistündigen Films Fantasia (1940) diente ein Kurzfilm der dreißiger Jahre aus der Reihe „Silly Symphonies“ mit Micky Maus in der Hauptrolle. Paul Dukas berühmte Tondichtung „Der Zauberlehrling“ hatte auch damals schon die musikalische Illustration geliefert. Der Zeichner Ugo D’Orsi beschäftigte sich für die Fantasia-Version des Zauberlehrlings damit, Wasser, das in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt, möglichst realistisch und eindrucksvoll zeichnerisch darzustellen. Das Ergebnis ist ein Teil dessen, was Fantasia ungewöhnlich und einmalig macht. Der Dirigent Leopold Stokowski – experimentierfreudig und Technik-Freak – betreute zusammen mit dem Philadelphia Orchester schließlich das gesamte Filmprojekt (siehe auch Stokowskis Orchestertranskriptionen). Er lieferte hierzu die nötigen Arrangements der klassischen Original-Kompositionen und realisierte die Einspielungen in frühem Stereo-Sound.
Roy Disney, Neffe des Firmengründers, wagte es knapp 60 Jahre später, das damalige Zeichentrickexperiment im Sinne seines Onkels fortzuführen. Die Zauberlehrlings-Episode des 1940er Films blieb bis auf den heutigen Tag die berühmteste und wurde als Bindeglied zwischen Tradition und Innovation auch in das neue Projekt Fantasia 2000 integriert (siehe hierzu auch meinen Artikel vom 17. Juli 2000). Auf Schritt und Tritt begegnet einem die große Zeichentrick-Tradition der Disney-Studios: z.B. dürfte nicht nur „Monstro“, der Wal aus Pinocchio (1940), für das Wal-Ballett Pate gestanden haben; auch das Märchen vom „Standhaften Zinnsoldaten“ von Hans Christian Andersen erinnert in Teilen an den gleichen Film; das „Feuervogel-Ballet“ von Igor Strawinsky beginnt mit einer dreidimensionalen Kamerafahrt durch den Wald, deren Pendant die herrliche Eröffnungsszene von Bambi (1942) ist, und auch die den Wald vernichtende Feuersbrunst ist ein wenig vom großen Waldbrand in Bambi inspiriert worden. Daneben trifft man auf vielfältige Zitate aus dem alten Fantasia von 1940: So findet auch hier eine Begegnung des Dirigenten (hier James Levine) mit Mickey Mouse im Anschluss an die Zauberlehrling-Episode statt und weiteren Einfällen aus dem ersten Film begegnet man nicht nur in den Lichter-Dom-Effekten zum kondensierten Kopfsatz aus Beethovens fünfter Sinfonie. Originell ist die Visualisierung von Gershwins „Rhapsody in Blue“ geraten. Das Cartoon erwächst aus einem simplen Strich, aus dem sich nach und nach die Skyline Manhattans formt. Gehalten im bewusst „flachen“ Stil des Karikaturisten Al Hirschfeld ist hier das typisch Disneyhafte kaum spürbar.
Im Gegensatz zu den von Radio-Sprecher Deems Taylor eher klassisch angelegten Überleitungen zwischen den Segmenten des 1940er Films, sind diese in Fantasia 2000 als zum Teil etwas verkrampft auf originell getrimmte Sketche angelegt worden. Stars wie Steve Martin, Bette Midler und Quincy Jones erhalten hier kurze Auftritte.
Ist mit Fantasia 2000 ein Anknüpfen an den Klassiker Fantasia von 1940 gelungen? Ich kann diese Frage nur mit einem „behutsamen“ Nein beantworten. Die Betonung liegt auf behutsam, denn schlecht ist der neue Film sicherlich nicht geworden. Dass auch hier die einzelnen Episoden mit Aufwand und großer Sorgfalt gestaltet worden sind, dürfte weitgehend unstrittig sein. Eine vergleichbar packende Wirkung, wie beim Betrachten des Klassikers von 1940, wollte sich bei mir aber auch beim wiederholten Ansehen nicht einstellen. Abstrakte Dreiecksformen, die zur kondensierten Fassung von Beethovens Kopfsatz der fünften Sinfonie tanzen oder die originell zum Karneval der Tiere Jojo-schwingenden Flamingos sind zwar nett anzusehen, lassen aber doch die Inspiration und kreative Vielfalt des alten Fantasia vermissen – die eingefügte Zauberlehrlings-Episode bringt’s an den Tag. Auch den spürbar großen Atem der längeren Segmente des alten Fantasia – wie der faszinierend illustrierten frühen Erdgeschichte zu Strawinskis Frühlingsopfer – vermisst man hier doch ein wenig.
Trotz der genannten Einschränkungen ist Fantasia 2000 ansprechend, ein – gegenüber Fantasia (1940) – „nur“ kleineres, aber dennoch feines Fest für die Sinne und ein Film, den man sich auch wiederholt ansehen kann.
Der Film auf DVD
Hier gilt praktisch das schon zu den Toy-Story-DVDs Geschriebene. Fantasia 2000 erstrahlt von DVD in hervorragender Bild-Qualität: Farbe, Kontrast, Detailliertheit und Schärfe lassen keine Wünsche offen, Bildrauschen ist ebenfalls nicht auszumachen.
Der Film wird im Format 1:1,85 gezeigt – nur der alte Zauberlehrling präsentiert sich mit Balken rechts und links im originalen Seitenverhältnis von 1:1,37. Dies ist schon etwas kurios, denn Imax arbeitet mit einem Bildseitenverhältnis von etwa 1:1,43 (siehe auch hierzu den oben genannten Artikel). Vermutlich ist das Imax-Bild für die normalen Kinos in der Höhe beschnitten worden, um den Film ohne Probleme im heute neben CinemaScope nahezu ausschließlich üblichen 1:1,85-Breitwand-Format präsentieren zu können.
Neben dem deutschen Ton kann auch das englische Original gewählt werden: beide im AC3-5.1-Standard. Die Musik steht als voluminöses, breites Klangfeld im üppigen Raum – hier ist Fantasia 2000 seinem berühmten Vorläufer zwangsläufig überlegen. Als Surround-Downmix gerät das Ergebnis in Sachen Effekt zwar ein Stück weniger dynamisch, ist aber immer noch ansprechend.
Bescheiden ausgefallen ist die Zusatzausstattung: Roy Disneys Einleitung hat eher Werbe-Charakter und das recht amüsante kurze Cartoon „Die Musikstunde“ entschädigt nicht für das fehlende Making-Of.
Fazit: Disney-Video präsentiert Toy Story, Toy Story 2 und Fantasia 2000 in technisch praktisch perfekter Form auf DVD. Fantasia 2000 ist allerdings bei der Ausstattung mit zusätzlichem Material fast völlig leer ausgegangen. Trotzdem gibt’s für alle drei Titel – ob der ansprechenden Filme in hervorragender Präsentation – eine klare Empfehlung. Besonders in Sachen Bild gehören die drei DVD-Produktionen zur Spitze des derzeit Machbaren und sind deshalb auch hervorragend für Demonstrationszwecke geeignet.