C’Era Una Volta Il West

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
28. Juli 1999
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

Zum 10. Todestag des Regisseurs Sergio Leone veröffentlichte die italienische RCA eine neu editierte Ausgabe von Ennio Morricones Filmmusik zu Spiel mir das Lied vom Tod. Der Film und die Musik gehören heutzutage zu den Klassikern des Spaghetti-Westerns. Man kann die jetzt vorliegende rund 50-minütige CD getrost als die „definitive Edition“ bezeichnen, denn mehr veröffentlichbare Musik kommt im Film nicht vor. Die Pluspunkte der neuen Ausgabe sind der exzellente Klang und besonders die knapp 12 Minuten zusätzlichen Materials, das mehrere kleine musikalische Perlen enthält. Das Wermutströpfchen ist die überaus schlichte Ausstattung des Booklets, das als bloße Doppelseite angelegt ist und im Innenteil nur mit einer Reproduktion des originalen Plakatmotivs aufwartet; dazu bietet der Back-Cover-Text nur die Trackbezeichnungen, diese dafür ausschließlich in italienisch. Da sollte sich der Produzent in Zukunft dringend vergleichbare US-Produktionen zum Vorbild nehmen, denn sowohl informativer als auch international sollte heutzutage schon produziert werden.

Mitte der sechziger Jahre schien die klassische Kinosinfonik abgewirtschaftet zu haben. In die Tonstudios drängte zunehmend die moderne Tanz-, Pop- und Rockmusik. Auch Morricones speziell designter, teilweise synthetisch klingender Orchestersound baut auf derartiger Musik auf. Ennio Morricone, der eine klassische musikalische Ausbildung genoss, arbeitete bis in die sechziger Jahre auch als Trompeter in römischen Nachtclubs und als Arrangeur für Tanzmusik und Lieder. Sein Klangkonzept ist eine meist geschickt gemachte Synthese aus Rock/Pop-Elementen mit klanglichen Elementen moderner dissonanter Konzertmusik und einer oft sehr üppigen und sinnfälligen Melodik. Dieser Mix wirkt auf den Hörer zum einen experimentell und damit modern, ist aber zum anderen dennoch überwiegend sehr eingängig: Morricones kommerzieller Erfolg dürfte nicht zuletzt darin begründet sein. Das geschickte Nebeneinander mitunter greller Instrumentenfarben und der Einsatz ausgefallener Instrumente wie der Maultrommel zeigen einen versierten Könner des Metiers.

Mein Anliegen ist es, die starke Verbundenheit dieser Musik mit der Tradition des alten Hollywood aufzuzeigen. Schon der viel beschriebene Film nimmt eine Sonderstellung im Genre des Italowesterns ein. Dieser zu Recht als opernhaft bezeichnete Abgesang an den „Old West“ zeigt epische Landschaftstotalen und schwelgt in schönen Bildern, die Sergio Leone aus gutem Grund zum Teil im Monument Valley, dem bevorzugten Drehort von John Ford, aufnahm. Einige Einstellungen vom großen Eisenbahnbau sind zudem denen in King Vidors Duell in der Sonne von 1946 fast originalgetreu nachgestellt.

Damit ist der Brückenschlag zur klassischen Westerntradition vollzogen und auch Raum geschaffen für große melodische Bögen à la „Golden Age“. Ennio Morricone schuf hierzu eine Komposition, die aus den genannten Gründen im ersten Moment moderner wirkt als eine klassische Westernmusik, aber dieser eben doch tief verbunden ist. Das breit ausschwingende Hauptthema macht z. B. dem Tara-Thema aus Vom Winde verweht einige Ehre. „Klassisch“ zu nennen ist auch die Verwendung von Leitmotiven. Ein schönes Beispiel ist das überaus plastische für „Cheyenne“, bei dem man den Reitenden förmlich „sieht“, indem man ihn nur hört. Und wenn der Junge, der seinen sterbenden Vater auf den Schultern trägt, stoßweise durch die Mundharmonika atmen muss, versucht Morricone diesen Klang musikalisch zu imitieren und schafft so seine Form der klassischen Bildverdopplung durch Musik, des „Mickey-Mousing“. Ebenfalls erstmalig auf Tonträger zu hören ist das Thema für „Morton“, dem vom Knochenkrebs geplagten Eisenbahnboss. Immer, wenn sich dieser seiner Vision – die Eisenbahnlinie hat endlich den Pazifik erreicht – hingibt, indem er ein in seinem Salonwagen befindliches Seegemälde betrachtet, erklingt eine naturalistische Klangvision des pazifischen Ozeans.

Für mich ist die Musik zu Spiel mir das Lied vom Tod nicht nur eine Hommage an das Golden Age, sondern mittlerweile auch zur sehr nostalgisch klingenden Kindheitserinnerung an frühe Kinoerlebnisse geworden.

Fazit: Die um 12 Minuten verlängerte Neu-Edition von Ennio Morricones Musik zu Spiel mir das Lied vom Tod (in Deutschland 2004 bei BMG RCA erschienen) ist praktisch vollständig und durchaus zu empfehlen. Die Tonqualität ist ohne Makel, einzig das schlichte Booklet ist unterdurchschnittlich geraten.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Originaltitel:
Spiel mir das Lied vom Tod

Komponist:
Morricone, Ennio

Erschienen:
1999
Gesamtspielzeit:
ca. 50 Minuten
Sampler:
RCA
Kennung:
74321-66156-2 OST 143v

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