(Erst-Rezension vom August 1999)
Die Ausgangsposition des neuen Star-Wars-Films Die tödliche Bedrohung ist ein origineller Anachronismus. Die Filmhelden sind seit dem Erscheinen des ersten Star-Wars-Films im Jahr 1977 kräftig verjüngt, z. B. Darth Vader als Boy Annakin oder noch gar nicht existent wie Luke Skywalker. Die Helden des Scores hingegen, John Williams und das Londoner Sinfonieorchester, sind um 22 Jahre älter geworden, was zur Folge hat, dass bei den Aufnahmen vom Team der Ersteinspielung nur noch rund ein Dutzend Spieler dabei waren.
Besagter Anachronismus hat die Aufgabe an den Komponisten, für die Filmhandlung eine adäquate Musik zu schreiben, zweifellos nicht gerade erleichtert, war aber zugleich auch eine interessante Herausforderung; so, als hätte Richard Wagner im Nachhinein noch eine Reihe von Opern als Einleitung für seine berühmte Ringtetralogie komponieren müssen. Um es vorweg zunehmen: John Williams hat diese Aufgabe mit Bravour gelöst.
Die CD startet mit der bekannten Star-Wars-Fanfare, die in der Abspannmusik ebenfalls noch einmal kurz auftaucht, da diese Signatur-Charakter hat. Bekannte Themen wie das für „Die Macht“ und ihr böses Gegenstück „Das Imperium“ begegnen dem Hörer ebenfalls wieder. Eine zentrale Rolle in der Partitur spielt die neue Musik für Annakin Skywalker („Annakin’s Theme“), die in vielen Musikpassagen geschickt verarbeitet wird. Es ist ein kindhaft schlichtes und edles, aber auch verzweigtes Streicherthema – damit kein unmittelbarer Ohrwurm. Die tiefe Schönheit der Musik für den komplizierten Charakter des späteren Darth Vader, der hier noch ein unschuldiger, mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestatteter Knabe und Jedi-Ritter in spe ist, erschließt sich erst bei mehrmaligem Hören. Mit etwas Übung kann man im Ausklang des Themas dann aber auch den späteren Darth Vader des berühmten düsteren „Imperial March“ schon dezent vorausahnen. Eine Art positives Gegenstück hierzu gibt es in „The Flag Parade“, dem Vorspiel zu einem großen Rennen á la Ben Hur. Das Thema für Jar-Jar Binks, klingt wie eine kindlich-spielerische Version des bekannten Jabba-Motivs aus den Jedi-Rittern, wohl nur eine zufällige Ähnlichkeit. Bemerkenswert ist der gegenüber der Trilogie erheblich bedeutungsvollere Einsatz von Chören. „Passage through Planet Core“ bringt mit seinen sanften Frauenstimmen einen Hauch von Close Encounters herüber, „Duel of The Fates“ ist ein kraftvolles, an Orffs Carmina Burana erinnerndes Stück für großen gemischten Chor und Orchester: In der Star-Wars-Trilogie hat es kein Gegenstück. Dramatisch und packend auch das Requiem in „Qui-Gon´s Funeral“. Dieser Track ist ein schönes Beispiel für die Eleganz von John Williams motivischer Feinarbeit: Wie hier wichtige Themen – Annakin, die Macht, das Imperium, Joda – Revue passieren, ist faszinierend anzuhören. Dass auch die Orchestrierung exzellent ist, sei hier nur der Vollständigkeit halber angemerkt. Neuartig ist auch, dass weitab von den Jubelfinali der Trilogie mit Annakins Thema erstmals sehr ruhige und dunkle Ausklingen der Musik eines Star-Wars-Films: Hier ein musikalischer Hinweis auf die noch in weiter Ferne liegende düstere Zukunft.
Insgesamt ist die Musik von John Williams, trotz genug Action, deutlich weniger martialisch, ja filigraner angelegt und damit auch ein bisschen weniger bombastisch, als die bekannten Musiken der Trilogie, ohne aber deswegen an Kraft einzubüßen. Darin liegt wohl auch die Enttäuschung mancher Fans begründet, denen die Musik der Star-Wars-Trilogie beim Anhören des neuen Scores wohl doch etwas zu stark im Gedächtnis verhaftet war: Den Hörer aber, der bereit ist, sich auf Veränderungen einzulassen, erwarten vielversprechend klingende fruchtbare Musiklandschaften ferner Welten.
Die 74 Minuten Spieldauer der CD entsprechen der Laufzeit der früheren Doppel-LP-Alben, sind also sicherlich ein sehr repräsentativer Querschnitt aus den insgesamt für den Film komponierten rund zwei Stunden Musik. Das sowohl Orchesterspiel und Dirigat vorzüglich sind, ist beim Einsatz derartiger Spitzenkräfte nicht überraschend. Der sehr positive Gesamteindruck wird durch die transparente Aufnahmetechnik noch unterstrichen.
Fazit: Musikalisch gilt für den Star-Wars-Score zur Episode I: Die dunkle Bedrohung, das Motto des 1977er Films Eine neue Hoffnung im übertragenen Sinn, diese heißt nun: John Williams.
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