The Trouble With Harry
Immer Ärger mit Harry, eine köstliche kleine Hitchcock-Komödie aus dem Jahre 1955, war die erste Zusammenarbeit zwischen dem Meisterregisseur und seinem späteren Freund und Lieblingsfilmkomponisten Bernard Herrmann. Hervorragende Darsteller und vor allem die aberwitzige Handlung machen den Film zu einem amüsanten Erlebnis, das durch Herrmanns erstaunlich leichtfüßigen Score, der aber dennoch alle geschätzten Herrmann-Markenzeichen trägt, noch verstärkt wird.
Wollte man die Geschehnisse in The Trouble With Harry so kurz wie möglich zusammenfassen – bei der Verworrenheit der Handlung eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit -, so würde das Resümee ungefähr wie folgt aussehen: vor einer prächtigen Herbstkulisse wird in einem kleinen Dorf in New England ein Toter namens Harry Worp gefunden. Die Hauptpersonen des Films fühlen sich für die Leiche verantwortlich, ja mehr noch, einige sind aufgrund verschiedener Tatsachen der festen Überzeugung, ausgerechnet sie selbst hätten Harry auf dem Gewissen. Da es sich aber mit Sicherheit um einen Unfall handeln musste, einigt man sich, den Sheriff nicht zu verständigen und die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Der Tote findet keine Ruhe und wird mehrmals vergraben, nur um kurz später, wenn sich durch Zufall neue Erkenntnisse ergeben, wieder ausgebuddelt zu werden. Am Ende stellt sich heraus, dass …. nun ja, das sollten die LeserInnen wohl lieber selbst herausfinden.
Bernard Herrmann hat seine Partitur um eine beträchtliche Anzahl an wiederkehrenden, auf bestimmte Personen und Situationen Bezug nehmende Motive herum aufgebaut. So erklingt zum Beispiel immer, wenn der tote Harry zu sehen ist, ein einprägsames, meist von den Hörnern intoniertes 4-Noten-Motiv. Bemerkenswerte Themen haben auch der pensionierte Seemann Captain Albert Wiles (Edmund Gwenn) und der etwas zerstreute Arzt Dr. Greenbow abbekommen. Ersterer wird stets von einer lyrischen Melodie für Oboe begleitet („The Captain“, „Confession“), wenn der Doktor hingegen auftaucht, ertönt ein sprunghaftes, gewitztes Streicherthema (z.B. „The Doctor“).
Weiters wären noch zu nennen: eine Art Hauptthema (z. B. in der „Overture“), das gleichzeitig dem jungen Maler Sam Marlowe (John Forsythe) zugeordnet ist, ein romantisch-besinnliches Thema für die prächtige Herbstlandschaft (z. B. „Autumn“), ein fallendes Holzbläserthema für einen Landstreicher, der die Schuhe des Toten stiehlt („The Tramp“) und ein kurzes, unverkennbar nach Herrmann klingendes Klarinettenmotiv für einen Schrank, der sich von selbst öffnet und die mögliche Anwesenheit von Harrys Geist symbolisiert („The Closet“, „Slumber“). Zu allem Überfluss hat Herrmann auch noch zwei kleine Walzer geschrieben, von denen der eine („Waltz Macabre“, „Waltz Reprise“) die tatsächlich makabren Totengräberaktionen von Marlowe und Captain Wiles untermalt, und der andere („Valse Lent“) die malerische Herbstlandschaft rund um das Haus des Captains betont und vielleicht auch eine aufkeimende späte Liebe zwischen der alten Jungfer Miss Gravely und dem Captain darstellen soll.
Zur Zeit ist neben Varèse Sarabande kein anderes Label in derartigem Ausmaß bemüht, zusätzlich zu unzähligen Veröffentlichungen aktueller Scores auch noch klassische Filmmusiken verschiedenster Komponisten neu aufzunehmen. Joel McNeely und das Royal Scottish National Orchestra haben wieder erstklassige Arbeit geleistet und eine tadellose Einspielung zu Stande gebracht. Der Score liegt hier erstmals komplett und in chronologischer Reihenfolge vor, die Soundqualität ist wie bei praktisch allen Varèse-CDs neueren Datums exzellent.