Down to the Sea in Ships • Seemannslos (1949) ist ein Abenteuerfilm im amerikanischen Walfängermilieu des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Eine zwischen Spannung, Drama und Humor pendelnde Filmhandlung, die trotz Romantisierung auch den seemännischen Alltag auf einem Walfänger jener Zeit halbdokumentarisch einfängt.
Alfred Newman beschäftigte sich zusammen mit seinem Hauptorchestrator Edward B. Powell und dem Chorleiter Ken Darby intensiv mit Sea-Shanties aus New England. Und neben einer Reihe von Original-Shanties für Männerchor, die sparsam begleitet (mit Mundharmonika, Gitarre, Banjo und Akkordeon) als Source Music eingesetzt werden, komponierte Newman ein eigenes Thema im Stile eines Shanty. Darby textete dazu und nannte das prachtvolle Stück „Ol’ Briny“. „Ol’ Briny“ bildet im Score das Rückgrat. Das sehr eingängige Thema hat beträchtliche Ohrwurmqualität. Es erklingt in vielfach abgewandelter Form und wird der jeweiligen Stimmung der Filmhandlung, vom fröhlichen Tanz („Hornpipe“) bis zum Seemannsbegräbnis, meisterlich-perfekt angepasst. Und wenn an einer Stelle „Ol’ Briny“ vom besagten Seemanschor intoniert und von Mundharmonika, Gitarre, Banjo und Akkordeon begleitet wird, verschmelzen Folklore und im gleichen Stile Komponiertes stimmig miteinander, bilden quasi eine Einheit.
Alles in allem ein wunderschöner Newman-Score, dem Fred Steiner mit dem National Philharmonic Orchestra auf dem Kompilations-Album „The Kentuckian“ (1977 auf LP erschienen und 1987 auf CD wiederveröffentlicht) in einer gelungenen kleinen Suite ein Denkmal gesetzt hat. Und „Ol’ Briny“, in der reizvollen Variante als „Hornpipe“, findet sich bereits auf dem Newman-Album in Charles Gerhardts legendärer Alben-Reihe der 70er Jahre: „Classic Film Scores“.
Twelve O’ Clock High • Der Kommandeur (1949) zählt zu den wenigen renommierten sein Thema auch psychologisch aufgreifenden Kriegsfilmen jener Jahre. Er schildert am Beispiel einer Flugstaffel und ihres Kommandeurs die Probleme bei der Schulung der Army Air Corps für die im Jahr 1942 aufgenommen Luftangriffe bei Tag auf Nazi-Deutschland.
Der im Verhältnis zu anderen Filmen der Ära große Realismus der Filmhandlung schlägt sich auch im musikdramatischen Konzept Alfred Newmans nieder. Zu Beginn erklingt keine Fox-Fanfare (!) und überhaupt ist der Musikanteil eher gering: So sind allein drei Szenen mit speziell komponierter Musik unterlegt. Darüber hinaus erklingen allein einige Stücke Source Music (Lieder und Schlager der Zeit) für Szenen in einem Nachtclub. Newmans dramatisch-packender Main Title ist vom Feinsten: Ein hervorragendes Stück, das trotz heroischer Anklänge das Tragische der Situation der eher unfreiwilligen „Helden“ Klang werden lässt und dabei nicht auf ein herrliches melodisches Thema, „Archbury“, verzichtet.
„Archbury“ erklingt nochmals kurz in der musikalisch ansonsten eher modern wirkenden Szene auf dem Flugfeld, wo zu Beginn der Filmhandlung (Jahre später) in einem der Protagonisten alte Erinnerungen aufleben. Newman schichtet hier recht modern collagen- und geisterhaft klingende Wartime-Favorites übereinander. Diese kehren im Finale, bevor besagter Protagonist dem Platz der Kriegserinnerungen den Rücken kehrt, nochmals wieder und eine stärker militärisch wirkende Variante von „Archbury“ bringt als kurze Abspannmusik Film und Filmmusik zum Abschluss.
Die die eigentliche Filmhandlung einleitende Flugfeldszene erinnert in der Gestaltung übrigens deutlich an Hugo Friedhofers Musik zur Sequenz „airplane graveyard“ in The Best Years of Our Lives (1946).
Die vorliegende CD präsentiert alles, was sowohl an Musik zum Kriegsdrama Twelve O’ Clock High als auch zu Down to the Sea in Ships zu finden war. Bei Twelve O’ Clock High sind darüber hinaus noch ein alternativer Main Title und drei verschiedene Trailer-Musiken vertreten. Der Klang ist in Anbetracht des Alters hervorragend, was ganz besonders für die sehr dynamisch und klar klingende Musik zum Kriegsfilm gilt. In vergleichbarer Qualität wie das zu Dragonwyck, lässt auch das tolle Booklet keine Wünsche offen.
Twelve O’ Clock High enthält übrigens insgesamt weniger als sieben Minuten originale Filmmusik und Down to the Sea in Ships wartet auch „nur“ mit rund 17 Minuten Newman-Score auf. Hier zeigt sich, wie klischeehaft die pauschale Feststellung vom generellen „Overscoring“ im Golden Age oft ist.
Mehrteilige Rezension:
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