Joachim Raffs Sinfonien
Der 1822 im idyllischen, am südlichen Zürichsee gelegenen Örtchen Lachen zur Welt gekommene Joachim Raff gehört zu den lange Zeit nur als Fußnote in Konzertführern anzutreffenden Komponisten des 19. Jahrhunderts. Der Deutsch-Schweizer lebte und wirkte geraume Zeit in Weimar im Dunstkreis der „Neudeutschen Schule“, war zeitweilig Assistent von Franz Liszt. Anschließend übersiedelte er nach Wiesbaden und leitete von 1877 bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahr 1882 das Hochsche Konservatorium in Frankfurt.
Das Label cpo hat neben verschiedenen CDs mit Kammermusik jetzt auch die Veröffentlichung der 11 Sinfonien des Komponisten in Angriff genommen. In kurzer Folge erschienen die letzten vier, die sogenannten „4 Jahreszeiten“ und die Nr. 7 mit dem Untertitel „In den Alpen“. Der bereits aus mancherlei exquisiter cpo-Veröffentlichung (siehe auch Korngold und Frankel) geläufige Werner Andreas Albert leitet die mittlerweile aus finanziellen Gründen leider aufgelöste Philharmonia Hungarica. Die vorzüglichen Aufnahmen stammen aus dem Archiv des WDR und entstanden Anfang der 90er Jahre.
Die hier zu hörenden Werke des zu seinen Lebzeiten viel gespielten Raff zeigen den Komponisten aber kaum Wagner nahe stehend, vielmehr als einen Romantiker mit ausgeprägt klassizistischen Zügen, dessen Sinfonien irgendwo zwischen Mendelssohn, Schumann und Brahms anzusiedeln sind. Vermag seine Musik vielleicht den Hörer nicht unbedingt bei der ersten Begegnung zu entflammen, sie offenbart rasch ihr großes handwerkliches und technisches Geschick und erweist sich beim eingehenderen Hören als voller Finessen. Des Öfteren sind sehr deutlich die Vorbilder, besonders Beethoven spürbar, was ihm den Vorwurf des Eklektizismus einhandelte. Wer sich auf den Raff-typischen Spagat, klassizistische Formkonzepte mit außermusikalischen Zusätzen frei zu gestalten, einlassen mag, der wird aber nicht enttäuscht.
Zu den wenigen, die sich im 20. Jahrhundert für Raffs Sinfonien einsetzten, gehörte Bernard Herrmann. Herrmann begeisterte sich geradezu für das Larghetto „Mit dem ersten Blumenstrauß“ aus der 8. Sinfonie „Frühlingsklänge“. Neben dieser gewichtigen Fürsprache eines der ganz Großen der Filmmusik dürfte vielleicht gerade die Sinfonie Nr. 7 „In den Alpen“, mit ihren sanften tonmalerischen Akzenten ein entfernter, dezenter Vorläufer der Strauss’schen Alpensinfonie, für den Filmmusikfreund einen besonders günstigen Einstieg darstellen. Aber auch, wer mehr für’s Geld will und zuerst zum günstigen Doppel-CD-Set greift, tut dies ohne echtes Risiko.