Aviator, Nachtrag III: Die DVD-Editon von Buena Vista.
Regisseur Scorseses Aviator hat bei den Preisverleihungen fünf Oscars und drei Golden Globes abgeräumt. Zu Recht, wie ich meine! Der Regisseur hat in seinem Film den verblichenen Glanz um den Luftfahrtpionier Howard Hughes aufpoliert, fokussiert — in zum Großteil glanzvollen Bildern — auf den jungen Visionär, der sowohl in der Luftfahrt als auch für das Kino Bedeutendes vollbrachte. Brillant in Szene gesetzt ist z. B. die Premiere seines Weltkriegs-Flieger-Epos Hells Angels, die der Regisseur detailgetreu nach alten Wochenschauaufnahmen gestaltete. Überzeugend ist der Darsteller der Hauptfigur, Leonardo DiCaprio, in die alten Wochenschaubilder digital einmontiert, die vom triumphalen Empfang in New York nach seiner sensationellen Weltumrundung im Jahr 1938 berichten.
Scorsese, der sich seit 1997 aktiv mit der Erhaltung und Restauration alter Filme beschäftigt und als Kenner des klassischen Hollywoods schon länger einen Namen gemacht hat, zeigt dieses Mal seine Begeisterung für die Ära des Zwei- und Dreifarben-Technicolors. Die ersten rund 50 Minuten des Epos machen die eingeschränkte Farbpalette des Zweifarben-Prozesses sehr schön deutlich. Der Regisseur ließ dabei aber auch die Kirche im Dorf oder besser gesagt, den Himmel, wenn auch farbstichig, so immerhin noch bläulich, lässt ihn nicht derart grün erscheinen, wie im realen Zweifarb-Technicolorverfahren. Ebenso erscheinen auch der Rasen in der Golfszene mit Katherine Hepburn und die Blätter bei der (moderaten) Bruchlandung der HF-1 im Rübenacker kräftig bläulich. Und wenn nach den schwarzweißen Wochenschauaufnahmen vom Empfang in New York das Bild wieder farbig wird, die Kamera das Büro von PanAm-Boss Juan Trippe zeigt, steht Dreifarben-Technicolor auf dem Plan. Kurz darauf, beim Besuch des extravaganten Hepburn-Clans, erstrahlen alle Details des Gartens in übersatten, geradezu gleißend leuchtenden Gemälde-Farben: Hier wird pure Technicolor-Magie präsentiert. Entsprechend erstklassig und liebevoll gestaltet sind die vielen Spezial-Effekte, z. B. die nachgestellten Dreharbeiten zu Hells Angels oder der Flug der Hercules, wo reizvoll klassische Modell- und Minaturtricktechniken mit modernen digitalen kombiniert wurden, alt und neu mit beeindruckendem Resultat Hand in Hand gehen. Und ebenso vorzüglich ist natürlich die opulente Ausstattung sämtlicher Sets.
Aber keineswegs wird der Zuschauer mit Schauwerten und raffinierten Tricks, wie der ästhetischen Reflexion legendärer Farbverfahren des Kinos, einfach nur geblendet. Vielmehr fokussiert die Kamera immer wieder auf Gesichtszüge und Augen der insgesamt vorzüglichen Akteure, lässt dank der überzeugenden schauspielerischen Qualitäten Gefühlsregungen überzeugend deutlich werden. Zwar sind die Hauptdarsteller den von ihnen verkörperten Figuren im äußeren Erscheinungsbild nur bedingt ähnlich. Es gelingt diesen allerdings sehr überzeugend den jeweiligen Charakter zu verkörpern und so die betreffende historische Figur glaubwürdig nachzugestalten.
Und neben all dem schwelgerisch eingefangenen Glanz von Hollywoods Golden Age, der opulenten Ausstattung sämtlicher Sets und Kostüme, wird auch der Niedergang der Hauptfigur angedeutet. Scorsese sagte dazu: „Er hatte den Keim zur Selbstzerstörung in den Genen. Für mich ist er eine Metapher für jeden Regenten und für jedes Land, das zur Weltmacht werden will. In jedem Machtstreben steckt der Keim zur Selbstvernichtung.“ Der Fall Howard Hughes gerät hier also zum Gleichnis und zur Fallstudie ganz im Scorsese-typischen Sinne. Entsprechend gibt es hier, wie auch in Scorseses filmischen Vorläufern, zweifellos manches, was man aus den Bildern herauslesen und/oder (mehr oder weniger sinnig) hineininterpretieren kann.
Das Krankhaft-Obsessive in Howard Hughes wird besonders in der eindringlichen Sequenz deutlich, in der sich dieser wochenlang in seinem Vorführraum abkapselt, nackt dahinvegetiert, seinen Urin in leeren Milchflaschen sammelnd. Diese eindringliche Sequenz dürfte wohl die Leonardo-DiCaprio-Fans besonders nachhaltig verschreckt haben, so dass der Film an den Kinokassen kein anhaltender Erfolg geworden ist.
Regisseur Scorsese hat in seinem Film besonders dem Luftfahrtpionier Hughes ein Denkmal setzten wollen. Er merkt dazu im Audikommentar zum Film an: „Ich möchte, dass man sich daran erinnert!“ Indem sein Film das Bild des rücksichtslosen alten Egomanen, der im großen Stil die US-Politik für sich kaufen wollte, komplett ausspart, damit das Bild schönt, beschwört er eben klar die Legende, wobei er damit wiederum einem großen Kollegen nahe steht: John Ford.
Damit ist das in Aviator entworfene, schlaglichtartige Howard-Hughes-Porträt in der Quintessenz zwar ein gutes Stück geschönt. Alles in allem ist dieser Film im Gegensatz zu Gangs of New York jedoch wesentlich gelungener, frei von unnötig zelebrierten Blutorgien, Gewaltfantasien und Regiefehlern, die eines Scorsese nicht würdig sind. Aviator ist ein virtuos und rasant inszenierter, glänzend besetzter Film, einer der nicht allein mit kunstvollen Bildern aufwartet, sondern dabei auch ein interessantes Zeit- und Charakterbild entwirft, ist schlichtweg großes Kino.
Aviator auf DVD:
Seit dem 9. Juni 2005 ist Aviator in einer Doppel-DVD-Edition erhältlich. Neben dem üblichen Amaray-Case ist auch eine limitierte Ausgabe in einer exklusiven Metallbox erhältlich. Im Amaray-Case befindet sich ein Begleitheft, das neben Werbung zu weiteren DVDs mit Kurz-Infos zu den wichtigsten Figuren und Darstellern aufwartet.
DVD 1 enthält den Film in erstklassiger Qualität: Kontrast, Detailvielfalt und Farbwerte erreichen sehr gute bis vorzügliche Werte. Ebenso überzeugt der überaus niedrige Rauschpegel. Partiell fehlt allein ein Quäntchen Schärfe zur Maximalbewertung. Diese kann man der prachtvollen, mit viel Liebe zum (historisch korrekten) Detail gestalteten Tonkulisse allerdings nicht verweigern. Zum Film ist ein solider Audikommentar wählbar, in dem sich Regisseur Martin Scorsese, Cutterin Thelma Schoonmaker und die Produzenten ein Stelldichein geben. Insgesamt geht es hier sehr informativ zu, von der oftmals anzutreffenden Geschwätzigkeit vieler derartiger Kommentare keine Spur. So manch interessantes Detail kommt zur Sprache, über das man anderweitig kaum aufgeklärt werden dürfte.
DVD 2 beherbergt eine üppige Sammlung an Bonusmaterialien: Recht interessant ist dabei die zusätzliche, verlängerte Fassung der Szene, in der Ava Gardner zu Hughes sagt, dass er sie nicht kaufen könne. In der Langversion ist die Atmosphäre durch die Schilderung von Hughes, wie er sich aus einem verschuldeten tödlichen Autounfall freikaufte, deutlich düsterer, der Charakter der Hauptfigur wirkt erheblich zwiespältiger. Das rund 12-minütige Making of „Leben ohne Grenzen“ ist eher durchschnittlich. Es wartet fast durchweg mit den gewohnten PR-Sprüchen und Kommentaren der Beteiligten auf. Für diejenigen, die den Film noch nicht gesehen haben, ist es ein passables Intro und die Filmausschnitte ansprechende Appetithappen. Zu den besonders informativen Teilen der Boni, den historischen Hintergrund betreffend, gehören „Wie Howard Hughes die Luftfahrt revolutionierte“, die knapp dreiviertelstündige Dokumentation des US-History-Channels „Moderne Wunder: Howard Hughes“ sowie der 14-minütige Beitrag über „Die Obsession von Howard Hughes: Die Zwangsneurose“.
Visual Effects Supervisor Robert Legato gewährt in „Höhenflüge: Die visuellen Effekte von Aviator“ einen in Teilen faszinierenden Blick hinter die ausgefeilten Spezial-Effekte, wie den spektakulären Absturz der XF-11 über Beverly Hills. Ein kleines Wehrmutströpfchen: Leider bleibt dabei die ebenfalls mit Hilfe des Computers erzeugte Annäherung an die alten Technicolor-Farbverfahren außen vor. Ebenfalls ansehenswert sind das kleine, sechsminütige Segment „Die Ausstattung von Aviator: Die Arbeit von Dante Ferretti“ und der Blick über die Schulter des Komponisten Howard Shore in „Epische Filmmusik: Die Kompositionen des Howard Shore“. Hierbei sind die ausschließlich mit Musik unterlegten Filmausschnitte besonders reizvoll. Leider ist der Beitrag mit sieben Minuten etwas knapp geraten.
Fazit: Buena Vista hat mit der Doppel-DVD-Edition zu Aviator ein sehr gelungenes Produkt vorgelegt, das die Käufer voll zufrieden stellen dürfte. Auch die Boni sind überwiegend wertvoll: Besonders bemerkens- und empfehlenswert ist der Audiokommentar zum Film.
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