Major Dundee (Extended Version)/Major Dundee
Sam Peckinpahs 1965er Western Major Dundee • Sierra Chariba zählt lt. eines Zitats im Westernlexikon von Joe Hembus zu Hollywoods zerstörten Monumenten.
Nach dem Überraschungserfolg von Ride the High Country • Sacramento (1962) erhielt Peckinpah im darauf folgenden Jahr von Columbia das Angebot, Major Dundee zu drehen. Ursprünglich sollte der Film ein mit 4,5 Mio $ teures 70-mm-Epos mit allen Schikanen werden und ist kurz vor Drehbeginn dann mit nur noch 3 Mio $ zum gut ausgestatteten 35-mm-Actionstreifen herunterbudgetiert worden. Entsprechend konnten manche ursprünglich vorgesehene Szenen des von Peckinpah in wesentlichen Teilen maßgeblich beeinflussten und mitverfassten Drehbuches überhaupt nicht oder nur unbefriedigend realisiert werden. Charlton Heston, der in Major Dundee einen seiner überzeugendsten Leinwandauftritte lieferte, verhinderte sogar, dass Peckinpah gefeuert wurde: Er bot (allein um zu schlichten) seine Gage zum Ausgleich überzogener Kosten an — was Columbia (nicht nur) zu Hestons Überraschung akzeptierte.
Infolge weiterer kräftiger Streitereien zwischen Regisseur und Produzent erfolgte der Endschnitt unter Ausschluss des Regisseurs, dem sogar verboten war, das Studiogelände zu betreten. Die Action-Szenen dürften vorwiegend aus den Second-Unit-Aufnahmen von Cliff Lyons (Raubzug der Wikinger) montiert worden sein und nicht aus denen, die Peckinpah realisierte. Dabei sind wohl Teile von Peckinpahs (bei Major Dundee noch unmittelbar weniger auffälligen) Experimenten mit der Zeitlupe unter den Tisch gefallen. Folgt man den Angaben in der Literatur, blieben im Schneideraum ca. 50 Minuten auf der Strecke.
Und so bleibt Major Dundee auch in der vorliegenden, zwar ergänzten, aber immer noch stark unvollständigen Form nur der Torso eines Monumentalfilms, den es letztlich niemals gab. Das jetzt auch von DVD zu sehende Stückwerk entspricht aber nun immerhin der Fassung, die Produzent Jerry Bresler wollte, bevor er im Herbst 1964 Columbia verließ. Weiteres Material ist wohl nicht mehr verfügbar. (Die auf der Hülle prangende Bezeichnung „Extended Version“ spiegelt somit die Realitäten sauberer wieder als an dieser Stelle eher verwirrend und verfälschend wirkende Attribute wie „Restauration“ und/oder „Director’s Cut“.)
Columbia hat 2005 diese Version des Films, mit einem neu gemixten Stereo-Ton, inklusive einer funkelnagelneuen Musik von Christopher Caliendo auf den US-Markt gebracht. Die dazu erschienene DVD-Ausgabe ist zeitnah auch in Deutschland veröffentlicht worden und inzwischen preisgünstig erhältlich. Erfreulicherweise ist auch die deutsche DVD-Edition mit einem zwar kleinen, aber feinen (immerhin vierseitigen) Beiheft sowie informativem Bonusmaterial ausgestattet. Der Film ist auf der vorliegenden DVD immerhin rund 16 (Video-)Minuten länger — nicht, wie auf dem Cover vermerkt, 12 Minuten — als die bislang verschiedentlich im deutschen Fernsehen gezeigte Fassung.
Die Story spielt in der Schlussphase des US-Bürgerkriegs in einem als Gefangenenlager der Union dienenden Fort in New Mexiko. Diese Region wird fortwährend durch grausame Überfälle des abtrünnigen Apachenhäuptlings Sierra Chariba und seiner Krieger heimgesucht. Fortkommandant Major Amos Dundee (Charlton Heston) stellt einen Trupp für eine Strafexpedition zusammen. Zur Verstärkung rekrutiert er nicht allein zum Teil zwielichtige Zivilisten, sondern neben Schwarzen pikanterweise auch gefangene Konföderierte, die sein ehemaliger Freund Hauptmann Benjamin Tyreen (Richard Harris) anführt. „It’s not my Country Major. I damn its flag and I damn you“ sagt dieser und will sich dem Unternehmen nur anschließen bis Sierra Chariba gefangen oder getötet ist, anschließend werde er Dundee töten.
Von Anfang an ist das Unternehmen dieses bunten „wilden Haufens“ vom Konflikt zwischen Dundee und Tyreen überschattet. Die Truppe begibt sich widerrechtlich auf mexikanisches, von französischen Truppen Kaiser Maximilians kontrolliertes Gebiet — siehe dazu Juarez. In den folgenden Auseinandersetzungen geht es nicht allein gegen die Apachen, man legt sich auch mit den französischen Besatzern an. Die Aktion gegen Sierra Chariba gelingt, doch die Franzosen sind Dundees dezimierter Einheit dicht auf den Fersen. Am Grenzfluss verstellt ihnen ein starkes Kavallerie-Detachement den Rückzug und in der Ferne sieht man bereits beträchtliche französische Verstärkungen anrücken. Die Amerikaner wollen sich durchschlagen und nehmen die am heimatlichen Flussufer in Stellung gegangen Lanzenreiter unter Beschuss, provozieren so eine Attacke. In der Flussmitte kommt es zu einem rasanten finalen Gefecht, das mit heftigen Stunts aufwartet — möglich machte dies eine speziell erbaute Plattform. Dabei werden der Norden und der Süden symbolisch wieder miteinander versöhnt: Tyreen nimmt einem Franzosen die bereits erbeutete Unionsflagge wieder ab und übergibt diese Dundee. Er fällt anschließend als er die am mexikanischen Flussufer erscheinende Vorausabteilung der französischen Verstärkungen trotzig attackiert. Den Übrigen gelingt der Durchbruch auf texanisches Gebiet: Von 56 Mann kehren nur elf, zum Großteil blessiert zurück.
Major Dundee ist nur bei oberflächlicher Betrachtung, wie die Werbesprüche auf der Rückseite der DVD vollmundig verkünden, ein „gewaltiges Westernabenteuer über einen heldenhaften Kampf“. Es handelt sich jedoch keineswegs um einen traditionellen Abenteuerfilm, sondern vielmehr um einen von zwiespältigen neurotischen Figuren bevölkerten, brutal-rohen und zerrissenen Spätwestern ohne strahlende Identifikationsfiguren. Zwar ist Major Dundee insgesamt eher ein Fehlschlag, aber zugleich eine wichtige Station auf dem Weg zu The Wild Bunch.
Der zentrale Konflikt zwischen Dundee und Tyreen wird auch in der „Extended Version“ nicht wesentlich klarer, was auch für das undeutlich bleibende Motiv für Dundees mit fanatischer Besessenheit ausgeführte Vergeltungsaktion gilt. Offenbar ist der Major überfordert: Hinter vordergründiger harter Männlichkeit verbirgt er eine gehörige Portion Unvermögen, für seine Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen. Dundee gesteht der ihn beeindruckenden Frau eines Arztes (Senta Berger) in einem mexikanischen Dorf, dass es Männern leichter falle, in den Krieg zu ziehen, als sich persönlicher Verantwortung zu stellen. Nicht allein als der durch einen Pfeil verwundete Dundee in Durango medizinisch versorgt wird und sich anschließend dem Suff und einer Prostituierten hingibt, droht das Unternehmen zu scheitern, die extrem inhomogene Truppe auseinander zu fallen. Ausgerechnet sein Gefangener und Intimfeind Tyreen springt ein: er rettet den Major vor sich selbst, beweist klare Führungsqualitäten und erweist sich gar als zum Helden geeignet.
Obwohl nicht jeder zusätzliche Szeneneinschub gleichermaßen funktioniert, werden nun einige der Sprünge und Merkwürdigkeiten im Handlungsablauf der hierzulande bislang allein zugänglichen völlig verstümmelten Fassung abgemildert. Darüber hinaus bekommt man den Film auf Video jetzt erstmalig im korrekten Bildseitenverhältnis, in sehr guter Schärfe und außerdem in überzeugenden Farben zu sehen. (Bei Columbia ist im Jahr der Erstveröffentlichung an Major Dundee offenbar neben der Schere ausschließlich der Rotstift zum Tragen gekommen, ließ man die Kopien doch auf billigem Pathécolor ziehen.)
Neben einem Audio-Kommentar wartet die Bonus-Sektion mit weiteren wertvollen Materialien auf, die, ebenfalls sehr erfreulich, sämtlich ordentlich deutsch untertitelt sind: Ein rund 22-minütiger — für die DVD erweiterter — Ausschnitt aus Mike Siegels Sam-Peckinpah-Biografie „Passion and Poetry — The Ballad auf Sam Packinpah“ wirft schlaglichtartige Blicke auf den schwierigen Charakter des als „Working Alkoholic“ geltenden Regisseurs — konzentriert sich (natürlich) auf das Kapitel Major Dundee; außerdem findet sich der nur in sehr bescheidener Qualität erhaltene Produktionstrailer über die spektakulären Stunts, „Rinding for A Fall“, sowie ein Original- und 2005er-Wiederaufführungstrailer, beide in vorzüglicher Qualität — letzterer ist allerdings ein etwas merkwürdiges Produkt der Filmvermarktung, eines, das in überzogener Werbementalität versucht, den Film zum „restaurierten Meisterwerk“ hoch zu loben.
(Mike Siegel, geboren 1967 in Sindelfingen, ist nicht nur der Regisseur der im Bonusmaterial als Ausschnitt präsentierten abendfüllenden Peckinpah-Filmbiografie. In Buchform ist diese 2003 beim Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf unter dem (englischen) Titel „Passion & Poetry — Sam Peckinpah in Pictures“ erschienen.)
Trotz aller Vorbehalte und Schwächen besitzt auch der vorliegende Torso starke Momente und präsentiert seine etwas verworrene Geschichte eingebettet in ein Kaleidoskop faszinierend vielfältiger Landschaftspanoramen in oftmals beeindruckenden Bildkompositionen — was eindeutig auf John Ford verweist. Und auch die finale Kavallerieschlacht gerät, versehen mit einigen die Tiefe des Raumes beeindruckend ausnutzenden Totalen, zu einer imposanten epischen Bilderflut mit David-Lean-Touch.
Gerade im Umgang mit der Kavallerie gilt der Film zu Recht als John-Ford-Hommage — jener inszenierte in dieser Zeit übrigens seinen letzten Western Cheyenne Autumn • Cheyenne. Fords legendenhafte Romantisierungen und Stilisierungen sowie seine gelackte Inszenierung des US-Militärischen bleiben dabei allerdings konsequent ausgespart — siehe dazu auch John Fords Kavallerie-Trilogie. Dies zeigt sich bereits wenn das Unternehmen startet, die Truppe aufbricht: Zwar kommt in verschiedenen Einstellungen mit der Kavallerie Fords She wore a yellow Ribbon (1949) in den Sinn, aber bereits beim Ausritt aus dem Fort zeigt sich ebenso die Zerrissenheit des Häufleins, dessen Nord- und Südstaatler unterschiedliche Lieder anstimmen. Im Verlauf der Vergeltungsaktion wird der Zuschauer mit einer immer schmuddeliger wirkenden Truppe und der vollen Härte des Geschehens konfrontiert. Und bereits in der Eröffnungssequenz sieht man ungeschönt die Folgen des Massakers, das Sierra Chariba und seine Krieger angerichtet haben.
Nicht nur in diesem Zusammenhang ist der wählbare Audiokommentar der Peckinpah-Biografen Nick Redman, Paul Seydor, Garner Simmons & David Weddel interessant. Hier wird so manche zumindest interessante Interpretation geboten: Im Analogieschluss zu Peckinpahs Feststellung, der Western sei etwas, das zur allegorischen Spiegelung aktueller Ereignisse in der Vergangenheit tauge, werden Parallelen zum damals beginnenden Vietnamkrieg, aber auch zu Ereignissen im heutigen Irak gezogen. Das Gespräch der Experten macht aber ebenso deutlich: In der verwickelten und verwirrenden Entstehungsgeschichte des Films ist längst nicht alles zweifelsfrei überliefert, vielmehr sind, wie so oft, die Grenzen zwischen Wahrheit und Legende fließend.
Musik für Major Dundee
Peckinpah muss die Originalmusik von Daniele Amfitheatrof gehasst haben, die im elektronischen Klangeffekt für Sierra Chariba in jedem Fall ein merkwürdiges Kuriosum besitzt — sie bekommt man von DVD auf den Mono-Tonspuren der unterschiedlichen Sprachfassungen zu hören. Intrada hat zur Extended-Version des Films jetzt auch die neue Musik von Christopher Caliendo in einer auf 1000 Exemplare limitierten Signature-Edition zugänglich gemacht.
Christopher Caliendo ist ein aus New York stammender Sohn italienischer Emigranten mit vielseitigen musikalischen Ambitionen. Er verfügt über eine sehr gute musikalische Ausbildung. Studierte an der UCLA und hat laut IMDB bei Henry Mancini, Frank Zappa, Jerrold Immel, Neal Hefti, Henry Lazarof, Paul Reale und Pierre Boulez gelernt. Von geistlicher Musik (darunter Auftragsarbeiten für den Vatikan), klassisch gesetzten Stücken, über Oper, Folk, Tango und Zigeunermusik bis zu Jazz und Pop reicht sein umfangreicher Werkkatalog. Für Henry Mancini orchestrierte er das Film-Musical Victor / Victoria (1982) und hat im Anschluss daran in Zusammenarbeit mit Jerrold Immel CBS TV-Serien wie Dallas mit Musik versehen. Für Sony Pictures hat er einen Norma-Shearer-Stummfilm aus dem Jahr 1928 mit seinem „Kammer-Jazz-Ensemble“ vertont.
Lt. Begleitheft erhielt Caliendo Anfang Dezember 2004 den Kompositionsauftrag für Major Dundee und hat nach nur knapp einem Monat, am 19. und 20. Januar 2005, rund 80 Minuten komplett selbst orchestrierter Musik eingespielt. (Auf der DVD ist diese ausschließlich in der neuen, in den Effekten etwas künstlich wirkenden, englischsprachigen AC3-5.1-Tonfassung vertreten.) Aus Budgetgründen arbeitete der Komponist mit drei Klangformationen unterschiedlicher Größe und Besetzung: Die stärkste Klangformation umfasste 31 Spieler und klingt dank geschickt ausgeführter Instrumentierung recht voll. Mit ihrer Hilfe wurden die Actionpassagen und auch die in manchen Bildern eingefangenen Brutalitäten in zum Teil (im Verhältnis) wuchtige Töne gefasst. Ein typisches Mariachi-Ensemble verleiht den Ereignissen in Mexiko überzeugendes Kolorit. Eine 14-köpfige, auf solistische Besetzung orientierte Instrumentalistengruppe diente dazu, Dialoge transparent mit Musik zu unterlegen und in der musikalischen Betrachtung des komplexen Verhältnisses von Dundee und Tyreen psychologisierende Akzente zu setzen. In diese Formation integrierte Country-Fidel sowie Akkordeon charakterisieren die irischen Wurzeln Tyreens und anderer Soldaten der Militäraktion. Und so darf die Kavallerie bei Caliendo zu einem irisch gefärbten gelungenen Marschthema reiten („Ryan’s Troop“); Sierra Chariba und seine Krieger werden durch ein archaisierendes Blockflötenmotiv charakterisiert.
Das Intrada-Album enthält rund 65 Minuten Musik, zusammengefasst in insgesamt 10 Blöcken. Caliendos Musik ist nicht nur in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung gestandenen Zeit recht beachtlich geraten. Sie erinnert klanglich sowohl ein wenig an Jerry Fieldings Peckinpah-Vertonungen wie The Wild Bunch und The Outlaw Josey Wales als auch an Carter Burwells Alamo. Die neue Musik zu Major Dundee verleiht dem Film damit ein betonter modernes, sachlicheres und herberes Flair als die in Teilen zum Leindwandgeschehen doch etwas zu süßlich und damit kitschig erscheinende Komposition Amfitheatrofs. Das bekommt nicht nur dem Film, sondern überzeugt auch als Höralbum. Im letzten Drittel des Albums tritt die Musik partiell aber schon ein wenig auf der Stelle. Das dürfte wohl auf den zwischen Kompositionsauftrag und Einspielung liegenden knappen Zeitraum von nur rund sechs Wochen zurückzuführen sein und ist daher verzeihlich.
Fazit: Samuel Peckinpahs (1926 — 1984) 20. Todestag beschert dem Westernfreund auch hierzulande interessante DVD-Editionen vieler seiner Filme und darüber hinaus sogar eine neu komponierte Filmmusik. Wer neben der bereits aus 2005 stammenden Sony-Veröffentlichung zum 40-jährigen Bestehen von Major Dundee noch Lust auf mehr hat, kann bei der ebenfalls preiswerten DVD-Box sämtlicher von Warner verliehener Western-Produktionen des Regisseurs (von Sacramento bis zu The Wild Bunch) nachlegen und seine Peckinpah-(Kino-)Western-Kollektion fast komplettieren — sein Kinoerstling The Deadly Companions • Gefährten des Todes (1961), bei dem er allerdings nur Regie führte, also keinen Einfluss auf das Drehbuch nehmen durfte, ist derzeit noch nicht auf DVD verfügbar.
Weiterführender Link:
Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zu Pfingsten 2006.