Festive Frolic: A Christmas Celebration

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
8. Dezember 2007
Abgelegt unter:
Klassik

Rechtzeitig zum Start unseres diesjährigen Jahresabschlussprogramms gibt’s zum Einstimmen wieder einen Seitenblick auf einen an sich übersättigten Teil des Musikmarktes: den der Weihnachts-CDs. Die vorgestellten fünf Titel ragen jedoch im Positiven aus der Überfülle des Gebotenen heraus. Abseits eher auf musikalischen Einheitsgeschmack abzielender, simplifizierender André-Rieu-Arrangements bekommt der Hörer hier kompositorische Vielfalt und auch Raffinesse zu hören.

Nicht nur hübsch und ohrenfreundlich, sondern zugleich anspruchsvoll geht es bei der Roderick-Elms-Kompilation „Festive Frolic“ zu. Der hierzulande kaum geläufige Roderick Elms hat für das hier vereinte Programm besonders vielseitige und überaus klangprächtige Arrangements gefertigt, die vom Gewohnten ein gutes Stück abstechen. Dabei fallen neben dem sehr farbigen, meist kontrapunktischen Orchestersatz die häufigen Einsätze der Orgel besonders ins Ohr. Langeweile hat keine Chance: Von der machtvollen „Fanfare da Festa“ über das mittelalterlich-archaisch angehauchte „We three Kings of Orient are“ bis zum musicalhaften Finale „Rudolph the Red-nosed Reindeer“ wird zur Gaudi eines festlichen Herumtollens einiges an Abwechslung geboten. Der Tenor Mark Wilde, die Joyful Company of Singers und Stuart Nicholson an der Orgel werden vom Royal Philharmonic Orchestra unter Stephen Bell in einer insgesamt feinen Darbietung begleitet. Hinzu kommt das Ergebnis einer tadellosen Aufnahmetechnik. Somit ist optimal ausbalancierter edler (!) klanglicher Zuckerguss für die Weihnachtstage garantiert.

Der große britische Komponist Ralph Vaughan Williams (1872-1958) war nicht allein Schöpfer vorzüglicher neun Sinfonien. In seinem Werkkatalog verdient daneben unbedingt das erstklassig ausgeführte, umfangreiche Chorwerk mehr Beachtung: ist eine Entdeckung wert. Das Naxos-Album „Hodie (A Christmas Cantata)“ vereint geschickt zwei eng mit dem Christfest verbundene Kompositionen aus der Früh- und Spätphase des Komponisten: Auf die Weihnachtskantate „Hodie“ aus dem Jahr 1953 wird mit der 1912 komponierten „Fantasia on Christmas Carols“ eingestimmt. Beide Werke entfalten, besonders nach mehrmaligem Hören, beträchtlichen Reiz. Kraftvoll, majestätisch, aber auch lyrisch zart und innig präsentiert sich „Hodie“ als ein kontrastreiches Stück mit Tiefe, eines, das nicht ausschließlich für Spezialisten interessant sein dürfte. Beide Werke sind bei der Sopranistin Janice Watson, dem Tenor Peter Hoare, dem Bariton Peter Gadd, der Guildford Choral Society, dem St. Catherine’s School Middle Chamber Choir sowie dem Royal Philharmonic Orchestra unter Hilary Davan Wetton vorzüglich aufgehoben. Auch dieses Naxos-Album wartet mit ausgezeichnetem Klang auf. Zu den bei uns wenig geläufigen Werken findet sich erfreulicherweise im Begleitheft der informative englische Einführungstext adäquat ins Deutsche übersetzt.

Die renommierte Klangformation Hassler Consort unter Franz Raml fördert auf dem MDG-Album „Heiligste Nacht“ Weihnachtsmusik der Klassik um 1800 zutage. Neben dem titelgebenden Lied, das auf Michael Haydn zurückgeht, gibt es weitere Stücke der Haydn-Brüder Joseph und Michael zu hören. Und auch der Komponist des wohl berühmtesten internationalen Weihnachtsliedes „Stille Nacht“, Franz Gruber, ist anzutreffen: Hier erklingt sein Hit allerdings in der heutzutage infolge der Verzierungen des Themas ungewöhnlich anmutenden autographen Fassung, gesetzt für vier Singstimmen, Violine, zwei Hörner und Orgel. Zusätzlich ist Grubers kaum bekanntes Duett „Welch ein Jubelton“ vertreten.

„Weihnachstmusik vor rund zweihundert Jahren“ wäre an dieser Stelle eine treffende Bezeichnung für das auf dem vorzüglich aufgenommenen Album der Musikproduktion Dabringhaus und Grimm oHG in Detmold präsentierte Programm. Die reizvolle Zusammenstellung aus dem Fundus der Wiener Klassik wird vom Hassel Consort, einem auf historisierende Aufführungspraxis spezialisierten Ensemble, leicht und luftig vorgetragen. Bei dem, was man hier zu hören bekommt, dürften Entdeckungsfreudige, die es einmal deutlich anders als gewohnt weihnachtlich haben möchten, ganz besonders auf ihre Kosten kommen.

Scheinbar ähnlich traditionell, dabei aber eben typisch britisch und damit ungewohnt geht es zu bei „The John Rutter Christmas Album“. John Rutter (•1945) ist britischer Chorleiter und Komponist. Seine durchweg tonalen und von eingängiger, mitunter üppiger Melodik geprägten Chorkompositionen erscheinen manchem Kritiker für einen zeitgenössischen Komponisten offenbar unzeitgemäß und werden mitunter gar als zum süffigen Kitsch tendierend angesehen. Wer sich daran nicht stört, kann sich getrost darauf einlassen. Interessanterweise erklingen nämlich im mit 23 Stücken umfangreichen Programm zum überwiegenden Teil Rutters Eigenkompositionen. Diese Weihnachtslieder aus jüngerer Zeit sind schlicht und eingängig gehalten, was aber nicht mit banal, flach oder anspruchslos verwechselt werden darf. Im Gegenteil, in den durchsichtig gehaltenen Chorsätzen und der transparent gehaltenen Orchesterbegleitung zeigt sich vielmehr angemessenes subtiles Gespür. Dazu gibt’s noch eine Hand voll der weltweit besonders bekannten angelsächsischen Traditionals, deren gelungene Arrangements wiederum aus der Feder des Briten stammen. Die jugendlich frischen Cambridge Singers (von Rutter übrigens gegründet und geleitet) werden dezent, aber angemessen unterstützt von der City of London Sinfonia.

Die vorliegende CD ist auf Rutters eigenem Label, „Collegium Records“, erschienen. Zum überwiegenden Teil handelt es sich dabei um eine Zusammenstellung aus diversen Alben des Komponisten, deren Produktion bis in die 80er Jahre zurückreicht. In Großbritannien hat die vorliegende Kompilation offenbar praktisch den Status eines weihnachtlichen Klassikers. Auch dem hiesigen aufgeschlossenen Hörer dürfte das Gebotene kaum als abgedroschen erscheinen, setzt sich doch auch das bereits hinlänglich Bekannte interpretatorisch vom Gewohnten ein merkliches Stück ab. Darüber hinaus hält das Album aber eben auch noch einiges zum Entdecken bereit. (Vertrieb wie auch beim vorstehend vorgestellten MDG-Album „Heiligste Nacht“ über die Codaex Deutschland GmbH in München.)

Den Abschluss bildet „Weihnachten in der Welt“, eine noch pressfrische Produktion auf Querstand, dem Klassik-Label des in Thüringen beheimateten Verlages Klaus-Jürgen Kamprad. Klingendes zum Weihnachtsfest, dieses Mal kompetent interpretiert von Kräften des Mitteldeutschen Rundfunks: dem MDR Rundfunkchor, dem MDR Kinderchor sowie dem MDR Sinfonieorchester. Die Leitung hat der aus London stammende Howard Arman, der auch für die Arrangements verantwortlich zeichnet. Im unterschwellig spürbaren britischen Touch ähnelt das Album ein wenig dem ganz oben vorgestellten „Festive Frolic“. Erfreulicherweise gibt es auch in den auf „Weihnachten in der Welt“ vertretenen 19 Stücken nicht andauernd das mittlerweile sattsam Bekannte zu hören. Vielmehr sind fast durchweg wenig bekannte Weihnachtslieder aus Dänemark, Polen, Tschechien, Frankreich, Schweden oder auch Venezuela vertreten. Da findet sich z. B. eine unbekannte Perle in der von impressionistischen Vogelstimmen im Orchester umrauschten tschechischen Huldigung der Vögel an die Geburt des Christuskindes, „Žežulka, z lesa vylitla“. Bemerkenswert auch der mehrstimmige A-Capella-Chorsatz im Wiegenlied aus dem Straßburger Gesangbuch von 1697: „Schlaf, mein Kindlein“.

Und selbst vereinzelt auftauchendes Bekanntes wie „Hark! The Herald Angels Sing“ oder auch das scheinbar unverzichtbare „Stille Nacht“ laufen dank ihrer geschickt ausgeführten Arrangements eben nicht Gefahr, ins Abseits des allzu Abgedroschenen zu geraten. So erinnert die hier gebotene Version von „Stille Nacht“ stärker an die heutzutage ungewohnte des Autographs, vertreten auf dem o. g. MDG-Album „Heiligste Nacht“.

Feierlich, aber zugleich den fröhlichen Aspekt des Weihnachtsfests betonend bleibt auch Augenzwinkerndes nicht ausgespart. Drollig sind beispielsweise die im ausladenden (rund 9-minütigen), das Album-Finale bildenden Lied „The Twelve Days of Christmas“ eingestreuten Kazoo-Effekte und ebenso die klassischen Zitate, wie aus Tschaikowskys Ballett „Schwanensee“ oder Wagners „Tristan und Isolde“. Das mitunter etwas sehr gemütvolle, zugleich überbetont Feierliche der traditionellen deutschen Weihnachten findet sich dafür eher nicht. Im sorgfältig gemachten Begleitheft sind übrigens sämtliche Liedtexte enthalten, sowohl in der Original-Sprache wie auch in deutscher Übersetzung, und auch klanglich gibt es nichts zu bemängeln.

Fazit: Fünfmal Musik zum Fest der Liebe, davon drei Alben aus ganz aktueller Produktion. Erfreulicherweise heben sich alle fünf Alben trotz ihrer grundsätzlichen Gemeinsamkeiten markant voneinander ab, indem sie eigene Akzente setzen und damit Eigenständigkeit im Ausdruck besitzen. Und das ist die erfreuliche Quintessenz auf dem überladenen Markt der Weihnachts-CD-Alben: dass es immer wieder auch Neuerscheinungen gibt, deren Anschaffung eine Überlegung wert ist.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2007.

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Komponist:
Elms, Roderick

Erschienen:
2007
Gesamtspielzeit:
62:20 Minuten
Sampler:
Naxos
Kennung:
NX 8.570793
Zusatzinformationen:
Royal PO und Joyful Company of Singers, S. Bell

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