Die Tim Burton Collection (Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
22. September 2012
Abgelegt unter:
Blu-Ray

Tim-Burtons skurrile (Warner-)Märchenwelten zum kleinen Preis

Der Name Tim Burton steht für ein unverwechselbares Kinoerlebnis des Fantastischen, Morbiden und Skurrilen. Dabei speist sich der Burton’sche Kinokosmos aus dem, was der junge Burton in Comics und unzähligen TV-Sitzungen genossen hat. Das sind neben den Kinoklassikern insbesondere die B-Horror- und Sci-Fi-Movies z. B. eines Roger Corman oder Jack Arnold und nicht zuletzt der Trash Ed Woods. Dabei ist zwar häufig Gruseliges im Spiel, welches sich aber in der Regel als das märchenhaft Gespiegelte, das sympathisch Skurrile entpuppt. Wie Burton mit den Zitaten umgeht, wie er dabei das Gewohnte häufig geradezu auf den Kopf stellt, das hat schon eine ganz spezifische und unverwechselbare Handschrift und entfaltet eine Wirkung, bei der auch die ebenfalls so markante Musik von Hauskomponist Danny Elfman eine wichtige Rolle spielt. Im praktisch durchweg fantastischen Burton-Kino geht es nur in einzelnen Fällen auch mal etwas blutiger, dabei aber nie wirklich splattermäßig zur Sache. Die Burton’schen Monstren haben mit Freddy Krueger & Co. also nichts gemein. Und so schafft es der eigenwillige Regisseur, erfolgreich zu unterhalten und dabei immer wieder zu verblüffen. Er vermochte nicht etwa nur den kleineren Kreis der Hardcore-Spezialisten des „Gore“ anzusprechen, sondern hat sich vielmehr in der Breite eine beachtliche Fangemeinde geschaffen.

5407Anlässlich des Kinostarts der jüngsten Burton-Produktion Dark Shadows, ein Gruselspaß nach der gleichnamigen, hierzulande allerdings nahezu unbekannten US-TV-Serie der Sixties, hat Warner in den hauseigenen Fundus gegriffen und die dort vorhandenen acht Filme des 53-jährigen Regisseurs in einem Blu-ray-Box-Set zusammengefasst. Wer allerdings eine Burton-Gesamt-Edition erwartete, der wird natürlich enttäuscht. Komplette Werkausgaben zu Künstlern, deren Œuvre sich auf unterschiedliche Rechteinhaber verteilt, sind zwangsläufig nur mit erheblichem Aufwand realisierbar. Das haben allerdings die Franzosen geschafft. Im Komplettset sind sämtliche 15 derzeitigen Burton-Filme enthalten. Aber dafür, dass es sich hierzulande eben „nur“ um die Warner-Burtons handelt, entschädigen die ebenfalls sehr ansprechende Präsentation und außerdem das faire Preis-Leistungsverhältnis.

5406Das 1985er Spielfilmdebüt Pee-wees irre Abenteuer bildet nicht nur den Startpunkt, es ist im Set als Blu-ray-Premiere vertreten, war hierzulande zuvor unveröffentlicht. Die übrigen Filme waren zuvor sämtlich auch in Einzelausgaben erhältlich: die Horror-Farce Lottergeist Beetlejuice (1988), die beiden Comic-Adaptionen Batman (1989) und Batmans Rückkehr (1992), die Anarcho-Sci-Fi-Parodie Mars Attacks (1996), die beiden kindlich-märchenhaften Verfilmungen Corpse Bride — Hochzeit mit einer Leiche (2005) und Charlie und die Schokoladenfabrik (2005) und schließlich das Grusical Sweeney Todd — Der teuflische Barbier aus der Fleet Street (2007) nach dem Musical von Stephen Sondheim.

Während die nach dem Spielfilmerstling Genannten zum bei Kinofreunden durchweg geläufigen Burton-Kanon zählen, bedarf Pee-wees irre Abenteuer, mit dem bei uns nahezu unbekannten Paul Reubens, schon einiger Anmerkungen. Der ähnlich wie Burton freakige Reubens war in den frühen Achtzigern Chef einer eigenen, ziemlich verrückten US-TV-Serie, „The Pee-wee Herrmann Show“, die ab Mitte der 1980er leicht abgewandelt als „Pee-wee’s Playhouse“ weitergeführt wurde und sich an Jugendliche und Heranwachsende richtete. Reubens agierte darin als selbstgeschaffene Kunstfigur, als infantiler Kindmann Pee-wee Herrmann und besaß bald eine beachtliche Fangemeinde. Reubens alias Pee-wee Herrmann im grauen Anzug, mit seinen auffällig rougierten Wangen und der penetranten roten Fliege verfasste nicht nur das Drehbuch, er agiert im Film — der Titel ist Programm! —, völlig abgedreht und schräg.

Was einem in Pee-wees irre Abenteuer geboten wird, ist schon sehr speziell und auf den amerikanischen Geschmack zugeschnitten. Es dürfte so manch einen, der zuvor etwa nur Nightmare before Christmas, Batman oder Sleepy Hollow kennt, ein wenig irritieren. So erscheint die Road-Movie-Story um Pee-wees Suche nach seinem Luxusrad, das ihm vom missgünstigen Nachbarssohn geklaut wurde, auf den ersten Blick zwar absurd und albern. Jedoch harmonieren Reubens und Burton exzellent miteinander, und so finden sich im zweifellos sehr schrägen Gesamtresultat doch so manch pfiffiger Einfall und gelungene Anspielung. Da ist z.B. die urige Maschinerie, die Pee-wee des Morgens das Frühstück vollautomatisch zubereitet. Ebenfalls besonders witzig sind die sich gegen Ende auf dem Studiogelände von Warner Brothers entwickelnde, herrlich slapstickhafte und zugleich anarchische Verfolgungsjagd, bei der mehrere Filmsets in Mitleidenschaft gezogen werden, und ebenso das die Welt des Kinos recht drollig ironisierende Finale. Derartiges lässt schmunzeln und hilft über manche sonstige Schwäche gekonnt hinweg.

Acht Mal Warner-Tim-Burton auf Blu-ray

5408Die technische Präsentation ist durchweg zumindest zufriedenstellend, auch wenn beim Bild nicht durchgehend ein ausgeprägtes HD-Gefühl aufkommt. Die den Ausgaben zugrunde liegenden Videotransfers sind sämtlich ordentlich, aber nur Sweeney Todd und Corpse Bride warten praktisch einheitlich mit einem erstklassigen, knackigen Bild auf, das die Bezeichnung HD verdient. Bei den übrigen Filmen stellt sich ein annähernd vergleichbar hochwertiger Bildeindruck nur in Teilen ein. Vergleicht man mit den älteren DVD-Ausgaben, so ist z. B. Batman von Blu-ray der soliden DVD-Ausgabe punktuell zwar schon ein Stück überlegen, aber ein neuer HD-Transfer ist das kaum. Gerade in der Eröffnung zeigen nämlich beide Versionen punktuell einander verdächtig ähnelnde Verschmutzungseffekte. Mitunter spielen beim eingeschränkten Schärfeeindruck aber auch die gewählten Stilmittel (Weichzeichner etc.) eine Rolle, z. B. bei Charlie und die Schokoladenfabrik.

Corpse Bride, Charlie und die Schokoladenfabrik und Sweeney Todd — Der teuflische Barbier aus der Fleet Street haben nicht nur den Film, sondern darüber hinaus auch ansprechende Boni-Kollektionen im Gepäck. Bei den übrigen Kandidaten gibt’s nur einen Trailer hinzu. Hinzu kommt dafür aber ein im Pappschuber enthaltenes Extra. Das liebevoll gemachte, 80 Seiten umfassende, üppig illustrierte und sogar gebundene Büchlein präsentiert die im Set vertretenen Filme informativ und ist ein echter Pluspunkt der auch preiswerten Kollektion.

Lesestoff: „Mondbeglänzte Zaubernächte — Das Kino von Tim Burton“

5409Christian Heger hat sich im Rahmen seiner Promotion am Institut für Filmwissenschaft der Uni Mainz ausgiebig mit Tim Burtons surrealistischen Bilderwelten beschäftigt. Aus der Dissertationsschrift ist anschließend das vorliegende Buch entstanden. Den wissenschaftlichen Ursprung merkt man der Publikation klar an, nicht nur anhand der umfangreichen Fußnoten und Quellennachweise. Trotz eindeutiger Abgrenzung von eher seichter Trivial-Filmliteratur und daher auch einem gewissen Anspruch an den Leser ist das Buch aber weder eine trockene noch eine übermäßig schwierig zu lesende Studie zum Thema geworden. Der Leser wird nicht nur umfassend und vielschichtig und zugleich unterhaltsam informiert, auch die Begeisterung des Autors für sein Sujet bleibt durchweg spürbar.

Heger hat nicht nur die Quellen sorgfältig studiert. Er hat auch mit Weggefährten, Schulkameraden und Disney-Kollegen Burtons gesprochen. Neben einem ausführlichen Essay zum Werdegang, den Jugend- wie Lehr- und Wanderjahren des jungen Burton sowie ausführlicher analytischer Betrachtungen zu sämtlichen Filmen — bis zu Alice im Wunderland (2010) —, finden sich auch eingehendere Informationen zu dem, was der Regisseur abseits seiner eigenen surrealen Filmproduktionen so treibt. Beleuchtet werden z. B. seine Aktivitäten als Produzent von Werbeclips und Musik-Videos, als Moderator und Fotograf oder gar Mode-Designer. Der Autor macht aber auch deutlich, dass das im öffentlichen Bewusstsein verankerte skurril-exzentrische Burton-Image ein Kunstprodukt der modernen Traumfabrik, nämlich Teil einer bewussten PR-Selbstinszenierung und damit zugleich Selbstmystifikation des Künstlers ist.

Bemerkens- und lobenswert ist auch der den umfangreichen wie informativen Text perfekt ergänzende, üppige Abbildungsanteil von rund 1000 Bildern — etwas, das gerade bei vielen älteren Filmbüchern eindeutig zu kurz kommt.

Hegers Buch ist die derzeit umfassendste und mit besonders vielschichtigen Details aufwartende Studie zu Tim Burton auf dem hiesigen Markt. Da bleibt wohl selbst für den eingefleischtesten Burtonianer kaum ein Wunsch offen. Zudem steht die Publikation nicht nur auf dem deutschsprachigen Filmbuchmarkt, sondern auch auf dem in punkto Burton offenbar nicht gerade üppig bestückten angelsächsischen sehr gut da. Das darf als Seltenheit und zugleich als besondere Auszeichnung gelten.

Fazit: Acht Mal Tim Burton zum kleinen Preis, inklusive eines liebevoll aufgemachten Begleitbuches mit Informationen zu den vertretenen (Warner-)Filmen, die sämtlich in solider bis sehr guter Qualität auf Blu-rays vorliegen. Wer sich darüber hinaus eingehender mit dem Regisseur beschäftigen möchte, dem sei als Lektüre Christian Hegers ambitioniert wie liebevoll und zugleich mit wissenschaftlicher Akkuratesse verfasste Studie aus dem Schüren-Verlag nachdrücklich empfohlen.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

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Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Regisseur:
Burton, Tim

Erschienen:
2012
Vertrieb:
Warner Home Video
Kennung:
5000139486
Zusatzinformationen:
USA 1986-2007, 8-Blu-ray-Set

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