Frankenweenie (3D-Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
16. Juli 2013
Abgelegt unter:
Blu-Ray

Make it again Tim: Die Familie Frankenstein in spießiger US-Vorstadtidylle

Bereits 1984 hatte der junge Tim Burton, damals Angestellter bei Disney, diese alle seine späterhin so charakteristischen Stilmerkmale aufweisende Hommage an James Whales Frankenstein (1931) umgesetzt. Seinerzeit wurde daraus ein mit einem Budget von rund 1 Mio $ produzierter, 30-minütiger Kurzspielfilm. Die 2012er Version ist dazu ein im wahrsten Wortsinn liebevolles Remake des Erstlings. Beide sind entsprechend dem Vorbild aus dem Jahr 1931 in Schwarzweiß und expressionistischem Stil gehalten. Anstelle der echten Schauspieler der 1984er Version wurde dieses Mal in den Londoner Mills Studios, vom Team von Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche (2005), in aufwändiger Stop-Motion-Technik produziert. Die Produktionszeit betrug drei Jahre. Der aktuelle Frankenweenie ist nach The Nightmare Before Christmas (1993) und Corpse Bride nun der dritte Puppentrickfilm im Œuvre Tim Burtons. Die Neuverfilmung ist dem Erstling in vielem ähnlich, aber natürlich deutlich erweitert. Das betrifft insbesondere Sparkys Rolle, und eine gute Portion Monster-Action ist ebenfalls im Angebot. Dabei lassen Mumien-Hamster, Schildkröten-Monster oder Vampirkatze das klassische Horrorgenre der Universal-Monstren der 1940er bis zu Godzilla drollig Revue passieren.

Kindliche Faszination und Imagination bestimmen diese trotz ihres unverwechselFrankenweenie (Plakatmotiv)bar Burtontypischen, morbiden Looks so märchenhafte und dabei insgesamt fast schon disneyhaft kindgerechte Frankenstein-Variante – auch wenn sie nicht für die ganz Kleinen geeignet ist. Im fantasie- und humorvollen Storykonstrukt spiegelt sich auf gewohnt absurde Art und Weise die Liebe des jungen Burton zum Familienhund und zugleich zum klassisch-expressionistischen Horror-Kino. Die sehr atmosphärische Schwarz-Weiß-Fotografie bereitet dabei viel Spaß.

Die US-Ausgabe der Frankenstein-Family ist in einem mit kleinbürgerlichen Spießern bevölkerten Suburbia, New Holland, beheimatet, das in seiner Skurrilität auf Edward mit den Scherenhänden (1990) vorausweist. Anstelle von Edward ist hier der kleine Victor ein Aussenseiter.

Das Buch „Electricity and the creation of Life“ studiert der kleine Victor im 1984er Kurzspielfilm, nachdem er im Schulunterricht auf die entscheidende Idee gekommen ist, wie er seinen von einem Auto überfahrenen Hund Sparky aus dem Reich der Toten zurückholen kann. In der Neuverfilmung ist es denn auch der verdächtig wie Vincent Price wirkende Physiklehrer, der ihm vermittelt, dass dabei nur dann etwas Gutes herauskommen könne, wenn man mit dem ganzen, reinen Herzen dabei ist. Das ist Victor zweifellos, ist sein Handeln doch allein vom tragischen Verlust initiiert: Er will doch einzig und allein seinen geliebten Hund zurück. Entsprechend ist hier so gar nichts vom zweifelhaften, übersteigerten wissenschaftlichen Ehrgeiz des klassischen Vorbildes in Mary Shelleys berühmtem Roman und ebenso wenig von der Tragik und Düsternis im Charakter des im Roman zum Leben erweckten Frankenstein-Monsters zu spüren.

Der analog wie in James Whales 1931er Frankenstein ins Leben zurückgeholte Sparky ist denn auch, abgesehen vom durch diverse Nähte etwas seltsamen Aussehen, genauso liebenswert und gutherzig wie bereits zuvor in seinem ersten Leben. Als Victors wenig vertrauenerweckende Mitschüler davon Wind bekommen und sich selbst, natürlich erheblich weniger reinen Herzens, an ähnliche Experimente wagen, kommt, wie zu erwarten, Unheilvolles dabei heraus. Zu dem, was darauf folgt, sei nur so viel verraten, dass schließlich alles wie im guten alten Volksmärchen zu einem guten Ende kommt, in dem auch der etwas fremdartig aussehende Sparky seinen festen Platz erhält.

Die ungemein detailverliebt inszenierte, charmante Frankenstein-Parodie Tim Burtons unterhält glänzend kleine wie große Leute. Etwa wenn beim Trinken das Wasser am reanimierten Sparky an den Seiten wieder herausspritzt oder sich das nur angenähte Schwänzchen beim Wedeln selbständig macht, durch’s Zimmer fliegt und in einem Eimer landet, schmunzeln sicher alle. Wobei darüber hinaus gerade die Erwachsenen an so manch netter Anspielung zusätzlichen Spaß haben werden: etwa wenn die Haus-Schildkröte den Nachnahmen der Frankenstein-Autorin „Shelley“ trägt oder wenn der reanimierte und offenbar elektrisierte Sparky mit der schwarzen Pudel-Lady Persephone aus der Nachbarschaft flirtet und diese, nachdem der elektrische Funke unübersehbar übergesprungen ist, am Kopf markante weiße Strähnen besitzt, ähnlich wie das weibliche Monster in Frankensteins Braut (1935). Ebenfalls bemerkenswert ist die kleine Nebenhandlung um den besagten Physiklehrer, der sich als ein Mann der Aufklärung allein der Vermittlung wissenschaftlich belegbarer Tatsachen verpflichtet fühlt und wegen derart „radikaler Ansichten“ von den überwiegend eher hinterwäldlerischen Bewohnern New Hollands angefeindet wird und sogar aus dem Schuldienst entlassen werden soll.

Da erscheint es denn doch etwas seltsam, dass der so charmante Frankenweenie in der Kinoauswertung mit einem weltweiten Einspielergebnis von nur rund 67 Mio $ (bei rund 39 Mio $ Produktionsbudget) ein relativer Flop war. So ist es denn nun am Heimkinobereich, noch einiges zum Besseren zu wenden.

Frankenweenie auf 3D-Blu-ray

Von der Silberscheibe im HD-Format hinterlässt der Film optisch wie akustisch einen annähernd tadellosen Eindruck. Das Schwarzweißbild verfügt über ein ausgewogenes Kontrastverhältnis sowie einen sehr soliden Schwarzwert. Entsprechend ist es praktisch durchgehend von sehr guter Schärfe und zeigt vielfältige Details, die auch in dunkleren Szenen nicht verloren gehen. In der 3D-Version kommt noch ein sehr natürlicher, unaufdringlicher Raumeffekt hinzu, der nur in einzelnen Momenten stärker hervorgehoben wird, etwa bei Sparkys Wiederbelebung oder auch in den Szenen mit der brennenden Mühle. Bereits in 2D sieht der Film sehr gut aus. 3D verleiht der im klassischen Gothic-Horror-Stil gehaltenen Leinwandmär, mit den typischen expressionistisch langen Schatten noch eine Portion zusätzlicher Atmosphäre und so macht Frankenweenie dann letztlich auch noch etwas mehr Spaß. Die nur vereinzelt erkennbaren leichten Ghosting-Artefakte sind vernachlässigbar. Das sich insgesamt nahezu ungetrübt einstellende HD-Feeling bereitet entsprechend viel Freude. Hinter dem praktisch tadellosen Bildeindruck steht auch die sich anfänglich eher dezent und feindetailliert gebende Surroundtonkulisse nicht zurück. Auf dem Weg zum monströsen Finale gewinnt sie an Fahrt und lässt in zunehmendem Maße überzeugend die Muskeln spielen.

Frankenweenie (Poodle Persephone)Das erfreulicherweise komplett in HD vorliegende Bonusmaterial ist zwar nicht von ausufernder Fülle. Allerdings decken die insgesamt fünf Features das Wichtige zur Entstehung des Films sehr gut ab. Besonders hervorstechend ist dabei das rund 23-minütige Making-of „Stop-Motion-Miniaturen: Frankenweenie wird lebendig“. Es liefert sehr gute Einblicke in den ungemein arbeitsintensiven, rein handgemachten Entstehungsprozess eines Stop-Motion-Animationsprojektes. Dabei wird deutlich, mit wie viel Herzblut und Liebe zum Detail gearbeitet worden ist und ebenso welch enormer Aufwand hinter einer derartigen Produktion steckt. Dadurch wird die Fülle der im Abspann gelisteten Beteiligten erst richtig plausibel.

Der 1984er Original-Kurzspielfilm (30 Minuten) wird ebenfalls als Bonus in sehr guter Qualität präsentiert. Zum 2012er Remake bildet er nicht nur eine sehenswerte Referenz. Er ist auch für sich genommen äußerst unterhaltsam. Hinzu kommt noch der drollige Kurzfilm „Captain Sparky vs. Fliegende Untertassen“. Hierbei handelt es sich um eine knuffige Zugabe, die letztlich auf die Eröffnungsszene beider Frankenweenie-Filme anspielt, in der Victor seinen Eltern einen selbstgedrehten Film vorführt – in der neuen Version natürlich in 3D –, in dem ein urkomisch kostümierter Sparky der Held ist. Zu sämtlichen Bonusfeatures sind auf Wunsch erfreulicherweise deutsche Untertitel abrufbar.

Die Filmmusik von Danny Elfman

Frankenweenie ist die mittlerweile vierzehnte Zuammenarbeit zwischen Regisseur Tim Burton und seinem Hauskomponisten. Elfman bewegt sich hier verstärkt auf dem sehr vertrauten Terrain seiner frühen Arbeiten, wobei allerdings die Handhabung des Materials wie auch die Orchestrierung deutlich eleganter ausgefallen sind. Von vielem ist hier etwas drin: so erinnert der märchenhaft pastorale Beginn an Edward Scissorhands (1990), der Science-Fiction-Touch mit Theremin geht auf das Konto von Mars Attacks! (1996), die Metro Voices und die Orgel der Rugby School Chapel sorgen unter anderem für die in Teilen nötige Prise Gothic-Horror à la Sleepy Hollow (1999). Das atmet aber zugleich den Geist der Universal-Horror-Filmmusiken der 1940er (siehe dazu „Horror-Rhapsody“, wobei – Elfmantypisch – natürlich eine kräftige Prise Herrmannesquer Klangfarben nicht fehlen darf.

Einen ganz besonderen Gag bildet die Eröffnung, wenn die bekannte Disney-Logo-Musik – mit dem berühmten Lied „When you wish upon a star“ aus Pinocchio – sich (übrigens zusammen mit dem Bild) schlagartig typisch Elfmanhaft verdüstert. Der im „Main Title“ zuerst vorgestellte pastorale Gedanke steht für die trügerische Vorstadtidylle von New Holland und zugleich für das warme und innige Verhältnis von Victor und seinem Hund Sparky. Anschließend erklingt das Thema für Sparky. Beide Tonfolgen treten häufig zusammen auf und bilden das thematische Grundgerüst dieser Filmkomposition, die übrigens keinerlei Bezug auf die Musik von David Newman und Michael Convertino zur 1984er Erstlingsversion nimmt.

Frankenweenie (Plakatmotiv 2)Wie bereits eingangs geschrieben, handelt es sich zwar keinesfalls um eine Novität im Elfman’schen Œuvre, aber das ist ja auch keine zwingende Voraussetzung für eine adäquate Filmmusik. Hier ist es vielleicht gerade das unmittelbar Vertraute, durch das die Musik nicht nur überzeugend dazu beiträgt, Sparky wiederzubeleben, sondern ebenso gelungen mit den wahren Monstren aufzuräumen. Die Filmmusik unterstreicht dabei sehr geschickt die wechselnden Stimmungen der Handlung, etwa wenn sich in „Game of Death“ Sparkys Thema bei der unmittelbar hörbar werdenden Jagd hinter dem rollenden Ball her sich (vor dem Unglück) noch einmal zu schicksalhafter Größe aufschwingt, um am Schluss nochmals, dieses Mal sehr leise und todtraurig, zitiert zu werden. Dabei scheinen in den unheimlich und düster klingenden Varianten auch die dunklen Aspekte der Frankensteinschichte auf, wobei ebenfalls die bereits in der pfiffigen Disney-Logo-Musik auftauchende Tonfolge als eine Art Mad-Scientist-Motiv mit von der Partie ist.

Zwar hätten die im Zentrum stehenden musikalischen Gedanken noch etwas prägnanter ausfallen können. Aber obwohl es zum Ohrwurm nicht ganz reicht, werden nach einigen Durchgängen insbesondere die beiden Hauptthemen und ihre auch in motivischen Bruchstücken auftretenden Varianten zu insgesamt recht markanten Angelpunkten einer insgesamt sehr erfreulichen Elfman-Filmmusik. Deren delikate Orchestrierung verstärkt noch den Reiz, und das alles zusammen bildet zugleich ein kurzweiliges wie feines Souvenir zum reizenden Film. Auf der Cinemusic.de-Wertungsskala gibt’s dafür volle vier Sternlein.

Fazit: Sehr erfrischend und auch für die kleineren Zuschauer – ab etwa 10 Jahren – vorbehaltlos geeignet, kommt Tim Burtons 2012er Langversion seiner äußerst charmant geratenen Frankenstein-Hommage daher. Der Frankensteinmythos wird als pittoreske Gruselmär mit ausgeprägtem Märchen- und herzerwärmendem Disney-Touch liebe- und humorvoll zugleich gespiegelt. Somit bleibt zu hoffen, dass Frankenweenie nach enttäuschender Kinoauswertung jetzt von den Heimkinofreunden erst richtig entdeckt werden wird.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.

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Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Regisseur:
Burton, Tim

Erschienen:
2013
Vertrieb:
Walt Disney Studios Home Entertainment
Kennung:
2BD-Set (3D BD + 2D BD), BGY 0115104

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