Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
3. Dezember 2016
Abgelegt unter:
3D

Film

(4/6)

Bild

(6/6)

Ton

(6/6)

Extras

(3/6)

Disneys Alice im Wunderland geht in die zweite Runde mit: Hinter den Spiegeln

Eher außergewöhnlich lange, nämlich sechs Jahre hat es bis zur Fortsetzung gedauert: Alice Through the Looking Glass * Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln, heißt das Sequel und Tim Burton, der Regisseur des ersten Teils, war dieses Mal nur als Produzent beteiligt. Regie führte James Bobin. Der britische Filmregisseur kommt vom Fernsehen und inszenierte für die große Leinwand zuvor zwei Puppentrick-Adaptionen basierend auf der Muppet Show: Die Muppets (2011) und Muppets Most Wanted (2014).

Disneys seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert bewährte Drehbuchautorin Linda Woolverton, welche das Drehbuch zum ersten Alice-Film verfasste, hat sich auch hier ans Werk gemacht. Herausgekommen ist dabei, wenig verwunderlich, eine wiederum sehr abwechslungsreiche, absurde Kinounterhaltung, die alles in allem gut funktioniert. Dass die neue Geschichte mit diversen Zeitreisen aufwartet, ist allerdings eher überraschend und zumindest anfänglich auch etwas gewöhnungsbedürftig.

Alice in Wonderland 2 (Szene 1)Dieses Mal geht’s allerdings nicht durch’s Karnickelloch ins wundersame Unterland, sondern indem die zwischenzeitlich konsequenterweise völlig emanzipierte Heldin des ersten Films (Mia Wasikowska) durch einen Spiegel hindurchtritt. Und wie das funktioniert, bekommt sie vom blauen Schmetterling Absolem gezeigt, welcher direkt zu Beginn der London-Sequenz erstmalig zu sehen ist. Das darauf folgende absurd-bunte Treiben kann man schon auch als eine CGI-Sightseeing-Tour begreifen. Allerdings langweilt diese dank ihrer visuellen Pracht nicht, denn wie zu erwarten, hat sich Disney nach dem großen Erfolg des Erstlings nicht lumpen lassen und unübersehbar hochwertige Technik eingekauft. Und darüber hinaus ist auch die sonstige Ausstattung, etwa die von der 2010 für Alice im Wunderland mit dem Oskar ausgezeichneten Kostümbildnerin Coleen Atwood entworfenen, so edlen wie exotischen Kostüme, mehr als nur ansehnlich.

Im Sequel geht es dann schon ein wenig disneyfiziert und damit weniger martialisch zu als zuvor: Nicht nur die aus Alice im Wunderland bekannte, dort sehr geheimnisvoll und eben auch ein wenig unheimlich erscheinende Grinsekatze Chessur erscheint jetzt nur noch kuschelig-anschmiegsam, sondern auch der wilde und riesige Bandersnatch wirkt im Verhältnis zum ersten Alice-Abenteuer fast schon handzahm. Und auch das Wunderland hinterlässt unmittelbar einen deutlich lichteren und optimistischeren Eindruck.

Abgesehen von der Ausstattung des viktorianischen Zimmers, welches sich hinter dem ersten Spiegel verbirgt, den Alice durchschreitet, hat der Film kaum mehr etwas mit der gleichnamigen Buchvorlage zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein völlig unabhängiges Storykonstrukt, welches bis auf die Novität „Zeit“ – welche hier ein „Er“ ist – mit den vertrauten Figuren aufwartet. Dabei ist es schon witzig, einige davon als ihr jüngeres Selbst zu erleben, etwa den Hutmacher als noch nicht verrücktes, eher etwas wundersames Kind oder auch die weiße und die rote Königin als junge Prinzessinnen.

Die inzwischen zur starken jungen Frau gereifte, kaum mehr kindliche Alice bestimmt in besonders ausgeprägtem Maße die Handlung. Sie begibt sich auf Zeitreise, um die Familie des völlig verzweifelten und der Melancholie anheimgefallenen exzentrischen Hutmachers in der Vergangenheit zu retten. „Zeit“ ist nicht nur der Neue, sondern vor allem ein besonders interessanter Charakter im Plot. Aber auch die böse rote Königin hat ihre Hände wieder mit im Spiel, und ihre Spießgesellen besitzen dieses Mal originelle Gemüsegesichter. Wobei im Verlauf der Handlung das sich hinter dem feindseligen Verhältnis zu ihrer Schwester, der weißen Königin, verbergende Geheimnis gelüftet wird. Am Ende versöhnen sich die Beiden, was wohl dazu beiträgt, die Lage im Unterland endgültig zu stabilisieren und ebenso für die von Disney hoch gehaltenen Familienwerte steht.

Alice in Wonderland 2 (Szene 13)Wie im ersten Alice-Filmabenteuer wird der Zuschauer auch hier wieder Zeuge einer der obligatorischen Teeparties des Hutmachers. Bei dieser wird über den Begriff Zeit im Allgemeinen und zugleich über den anwesenden „Zeit“ im Speziellen derart spritzig und originell gekalauert (übrigens auch in der deutschen Synchronfassung), dass dabei wohl kaum jemand nicht zum Schmunzeln verleitet werden dürfte. Vielleicht gelänge es sogar dem Autor der Alice-Bücher, Lewis Carroll, dem ja jedwedes eindeutige Handlungskonstrukt völlig fremd war, sich ob des häufiger aufscheinenden originell-absurden Wortwitzes mit Hinter den Spiegeln ein wenig anzufreunden.

In der temporeichen Eröffnungssequenz agiert Alice als Kapitän des Schiffes, das wir vom Finale des ersten Filmteils kennen. Vom vergleichbar abstrusen Stil von Fluch der Karibik inspiriert, gelingt es der Protagonistin, ihr Schiff verfolgende chinesische Piratendschunken abzuhängen, indem sie es auf die Seite legt und in geradezu halsbrecherischer Manier unter vollen Segeln durch ein gefährliches Riff hindurch segeln lässt. Und das ist erst der Anfang. Es folgen nämlich eine Reihe weiterer Momente, in denen man ebenfalls filmische Zitate erkennen kann. Wenig später bekommt man es mit „Zeit“ zu tun, welcher in einer düsteren Festung haust, deren unzählige Uhren und die damit verbundenen mechanischen Räderwerke und Pendel Hugo Cabret in Erinnerung rufen. Dieses Gefühl wird noch verstärkt, wenn deutlich wird, dass „Zeit“ offenbar selbst ebenfalls aus diversen Räderwerken besteht, was die Figur in die Nähe des defekten Automaten (einem mechanischen Mann) rückt, welchen der Waisenjunge Hugo vom Vater geerbt hat und reparieren möchte. Die kleinen Helfer von „Zeit“, die Sekunden, gemahnen zum einen an die Minions, wobei sie in ihrem Blech-Look zugleich auch ein wenig wie Mini-Gefährten des Zinn-Mannes aus Der Zauberer von Oz ausschauen. Bis sie sich auf einmal à la Transformers zu großen Gebilden vereinigen und agieren können. Und wenn es mit der „Chronosphäre“ auf die Reise durch das Meer der Zeit geht, dann erinnert diese „Zeitmaschine“ wiederum an Entsprechendes der beiden Kinoversionen von Die Zeitmaschine (George Pal, 1960 & Simon Wells, 2002). Wenn Alice feststellen muss, dass sich die Vergangenheit nicht verändern lässt, dann ist man ein weiteres Mal beim 2002er Die Zeitmaschine angelangt.

Allerdings bringen die Zeitsprünge das Raum-Zeit-Gefüge aus dem Gleichgewicht, und ein wucherndes, wie ausblühender Rost anmutendes, merkwürdiges Zeitphänomen droht schließlich sogar, das Unterland komplett zu zerstören. Um diesen Zeit-Rostfraß aufzuhalten, muss die Chronosphäre schleunigst wieder zurück an ihren Platz gebracht werden. Daraus wird dann das rasante Actionfinale, in dem Alice noch einmal zu Topform aufläuft.

Alice in Wonderland 2 (Szene 2)So richtig vermochten mich allerdings die Zeitsprünge von Hinter den Spiegeln anfänglich nicht zu überzeugen. Im Zuge der jetzt erfolgten Wiederbegegnung von Blu-ray-Disc haben sich jedoch die zuvor teilweise vorhandenen, etwas dunkleren Wolkenformationen verzogen. Dass Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln durch die Zeitsprünge nicht nur ein Sequel, sondern zugleich auch ein Prequel ist, empfand ich insbesondere beim erneuten Sehen des Films als geradezu originell. Insofern ist es dem Film gerade in der zweiten Runde gelungen, noch ein gutes Stück zusätzlich zu punkten. Entsprechend sei auch denen die zweite Chance dezent angeraten, welche ähnlich wie der Autor dieses Artikels beim ersten Sehen doch etwas enttäuscht worden sind. Wer den Film aufgrund eher verhaltener Kritiken bisher komplett gemieden hat, sollte ihm entsprechend mindestens eine, vielleicht sogar zwei Chancen einräumen.

Die Filmmusik von Danny Elfman

Elfmans neue Alice-Filmmmusik erweist sich als mindestens genauso gelungen wie die Musik zum ersten Film. Der Komponist hat nur den zusätzlichen Charakter, „Zeit“, mit einem neuen, zuerst von den tiefen Bläsern intonierten motivischen Gedanken ausgestattet, der mitunter von pendelnden Tick-Tack-Figuren im Orchester („Time’s Castle“) umsäumt wird. Zwar bildet das musikalisch so starke wie kraftvolle und damit zugleich ungemein prägende Alice-Helden-Thema ein weiteres Mal gewissermaßen das Rückgrat. Allerdings sind auch die beiden Alice-Seitenthemen des 2010er Scores (das kindliche „Little Alice“ und das walzerhafte „Proposal“) mit von der Partie, wobei dieses Mal gerade das Kindheitsthema „Little Alice“ in ganz besonderem Maße bedeutsam ist. Es tritt jetzt nämlich erheblich häufiger und gestärkter in Erscheinung, z.B. geradezu triumphierend am Ende von „Saving the Ship“.

Alice in Wonderland 2 (Szene 4)Obwohl man unmittelbar in sehr ähnlich anmutende klangliche Welten eintaucht wird es weder monoton noch sonstwie langweilig, so elegant ist auch dieses Mal alles zusammengefügt. Und somit fließt auch Elfmans zweite Alice-Filmmusik über rund 73 Minuten äußerst ansprechend im Sinne einer insgesamt sehr versiert ausgeführten musikalischen Weiterführung der Musik des 2010er Films. Dabei ist das musikalische Material diesmal allerdings kurioserweise nicht konsequent chronologisch angeordnet. So ist das Finalstück, „Goodbye Alice“ Track 19 von insgesamt 26. Beim die CD einleitenden „Alice“ handelt es sich einfach nur um eine charmante Konzertsuite über alle drei Alice-Themen. Obendrauf kommt dann noch der im Abspann erklingende Pop-Song „Just Like Fire“ von Pink, der auf die Gesamtspielzeit von rund 77 Minuten auffüllt.

Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln auf 3D-Blu-ray

An den Verkaufsstart geht Disneys neues Unterlandabenteuer als 3D-Version in einer zwei Discs umfassenden Ausgabe, als schickes Steelbook. Die zweite Disc wartet mit der 2D-Version und den Boni auf.

Bild und Ton

Beide Silberscheiben (3D wie 2D) hinterlassen beim Bild einen tadellosen, in seiner Brillanz fast schon referenzwürdigen Eindruck. Ein annähernd perfektes Kontrastverhältnis sowie ein fast durchgehend knackiger Schwarzwert im Verbund mit ausgezeichneter Schärfe sorgen für eine Fülle an Details. Auch die oftmals besonders kraftvollen Farben erscheinen in saubersten Abstufungen und Übergängen. Der Gesamteindruck ist entsprechend vorzüglich. Die 3D-Version verleiht den bereits in 2D sehr plastisch anmutenden Bildern zusätzlich noch einen unaufdringlichen, sehr natürlichen Raumeffekt sowie exzellente Tiefenstaffelung. Erfreulicherweise kommen dabei auch eine Reihe sehr nett und stimmig platzierter Popout-Effekte zum Tragen, welche beim Betrachter die Illusion verstärken helfen, das vor ihm ablaufende Geschehen sei zum Greifen nahe. Obwohl nichts darunter ist, was geradewegs voll auf den Zuschauer oder gar dessen Augen abzielt, ist diese relative Unaufdringlichkeit kein Makel. Ein zusätzlicher Pluspunkt: Über die gesamte Laufzeit bleibt Ghosting erfreulicherweise nahezu komplett unsichtbar.

Alice in Wonderland 2 (Szene 5)Ebenfalls sehr hochwertig kommt die akustische Seite daher in Form der in Deutsch (dts-HD-High-Resolution 5.1) und in Englisch (dts-HD-Master 7.1) vorliegenden Tonspuren. Sie erzeugen ein kompetent ausbalanciertes, sehr weiträumiges Klangfeld, das den Hörer unter anderem mit kraftvollen direktionalen Effekten überzeugt. Dezente akustische Details fallen nicht unter den Tisch, sondern werden ebenfalls gut abgebildet.

Extras

Die etwas bescheiden anmutende Boni-Kollektion (sämtlich in HD) befindet sich auf Disc 2. Am Überzeugendsten ist der recht aufschlussreiche Audiokommentar (zur 2D-Version des Films auf Disc 2) von Regisseur James Bobin. Beim „Rest“ handelt es sich leider durchweg um allzu knappe Schnipsel: etwa einem „Making of“ von gerade mal neun Minuten oder einem nur zweiminütigen „Interview mit Zeit“ mit Darsteller Sacha Baron Cohen.

Fazit: Der zweite Ausflug von Alice ins (Wunder-)Unterland, Hinter den Spiegeln, ist ob seiner für die Handlung entscheidenden Zeitreisen anfänglich eventuell etwas gewöhnungsbedürftig. Aber spätestens beim zweiten Anschauen erscheint das Konzept in zunehmendem Maße als originell und damit auch der Film als sehr unterhaltsam. Dabei spielt auch die exzellente Fantasybilder liefernde, hochwertige CGI-Technik einen mitentscheidenden Part. Wer darauf besteht, dass ein derartiges, im Rahmen klares Handlungskonzept Lewis Carrolls absurden Intentionen überhaupt nicht gerecht zu werden vermag, der dürfte bereits den 2010er Film nicht mögen. Alles in allem dominiert m.E. letztlich der Gesamteindruck einer recht liebevollen und drolligen, so knallbunten wie magischen und natürlich ein wenig verrückten, aber wiederum durchaus gelungenen Unterhaltung. Wer sich mit Danny Elfmans Musik zum ersten Alice-Filmabenteuer anfreunden konnte, der sollte sich auch das vergleichbar feine Album zu Hinter den Spiegeln nicht entgehen lassen.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.

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Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Originaltitel:
Alice Through the Looking Glass

Regisseur:
Bobin, James

Erschienen:
2016
Vertrieb:
Walt Disney Studios Home Entertainment
Zusatzinformationen:
USA 2016

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