Tadlow legt nach bei Jerry Goldsmith’ TV-Musik mit Thriller 2
Aufgrund des überraschend großen Erfolgs des ersten Albums (s.u.) liegt nun das Volume 2 vor. Auf diesem sind Suiten aus der Musik zu weiteren sechs Episoden vertreten: God Grante That She Lye Stille, The Bride Who Died Twice, Late Date, The Weird Tailor, Masquerade und Terror In Teakwood.
Unmittelbar erweist sich das aktuelle Album allerdings als deutlich sperriger als sein Vorgänger. Die Gründe dafür sind jedoch nicht in mangelhafter Inspiration des Komponisten zu suchen. Das Problem mangelnder Eingängigkeit liegt vielmehr darin, dass sich im ausgewählten Musikmaterial unmittelbar kaum prägnante Themen ausmachen lassen. Entsprechend entfällt dieses Mal auch das Pendant zu der End-Title-Suite, die das erste Album so elegant resümierend beschloss. Im Gebotenen dominieren vielmehr ausgedehnte Suspense-Passagen. Die dabei im Vordergrund des musikalischen Geschehens stehenden eher kühlen Klangfarben und Ostinato-Figuren sind in erster Linie Funktionsmusik, welche die Atmosphäre des Gezeigten spiegelt und somit den Bildern dient. Dass freilich auch diese betont atmosphärischen Klänge Goldsmith-typisch (!) mit unüberhörbarem Geschick konzipiert und entsprechend clever instrumentiert sind, benötigt zum nachvollziehen in aller Regel erst einmal etwas Zeit, denn Derartiges ist nun mal nicht Easy-Listening-tauglich. Die dabei dann immer deutlicher hervortretende außerordentliche Kreativität im experimentellen Umgang mit Klängen lässt als prägende stilistische Vorbilder Bela Bartok und Bernard Herrmann erkennen.
Die besonders ausgefeilte Komposition zu Late Date verhalf Goldsmith zu seiner ersten Nominierung für einen Emmy Award. Die ausgeprägte Experimentierfreude zeigt sich bereits in der neben dem üblichen Klavier zusätzlich zum Einsatz kommenden „präparierten Klavier“. Daneben sticht die erstaunlich breit aufgestellte, extravagante Schlagwerksektion hervor, in welcher sich sogar ein Eggshaker (eine eiförmige Gefäßrassel) befindet. Darüber hinaus bestreiten insgesamt 3 Alt- und 3 Bassflöten das ungewöhnliche musikalische Geschehen, wobei diese ausschließlich zu Beginn des Prologs gewohnt lyrisch, ansonsten aber eher nervös und hysterisch klingen. Eine mehrfach erkennbare Pendelbewegung in der Musik suggeriert dem Hörer geschickt ein Gefühl der für die Protagonisten unaufhaltsam verrinnenden Zeit. Das insgesamt nervenaufreibende Resultat ist in höchstem Maße effektiv. Es ähnelt interessanterweise Bernard Herrmanns Konzeption zu Torn Curtain (1966).
Ebenso gibt es wiederum Klangstrukturen zu entdecken, die als Vorstudie auf zukünftige Arbeiten des Komponisten angesehen werden können. So verweist z.B. das lateinamerikanisch angehauchte Flair in The Bride Who Died Twice auf sehr ähnliche Momente in Hour of the Gun (1967) und strahlt in jedem Fall bis Caboblanco (1980) und Under Fire (1983) aus. Andere Details verweisen faszinierend vielseitig auf weitere bedeutende Vertonungen der Sixties, beginnend mit Freud (1962) über Seven Days in May (1964) bis zum avantgardistischen Planet of the Apes (1968). Auch einer der wenigen ausgeprägt thematisch geprägten Momente tritt alsbald klarer hervor und etabliert sich umgehend als kleine melodische Perle: Das liedhafte, sehr melancholische „Silly Dog“ aus God Grante That She Lye Stille, gesetzt für Flöte und Hörner. Ebenso treten nach und nach die Motive nebst Varianten deutlich hervor, welche die einzelnen Scores prägen.
Das Tadlow-Team war sich wohl bewusst, dass es dieses Mal am Melodischem doch etwas mangelt. Nicht zuletzt deswegen soll wohl die unmittelbar eingängige „Teakwood-Nocturne“ als versöhnlicher Schlusspunkt des Albums im Sinne eines gepflegten Easy-Listening fungieren. Diese einschmeichelnde Chopineske Piece ist in Form eines reizvollen Neuarrangements für Violine und Klavier zu hören. Wie das Begleitheft dazu augenzwinkernd vermerkt, ging es darum, in einem Programm gänzlich ohne Violinen der Konzertmeisterin der Prager Philharmoniker, Lucie Švehlová, dennoch zu einem kleinen Auftritt zu verhelfen, der, wie gewohnt, elegant virtuos ausfällt. Besagte Teakwood-Nocturne stammt übrigens nicht von Goldsmith, sondern vom aus Chicago stammenden Pianisten, Arrangeur und Komponisten Caesar Giovannini (1925–2017). Sie genoss offenbar einen gewissen Ruf als „TV’s classical mini-concerto“ und ist von der TV-Sektion der Universal Studios auch späterhin als stock-music x-fach wiederverwendet worden.
Analog dem Begleitheft zum Vorläuferalbum vermittelt Jon Burlingame auch hier solide Infos zu den einzelnen Suiten. Detaillierte Angaben zur jeweiligen Instrumentierung fehlen ebenfalls nicht.
Fazit: Zwar erweist sich das zweite Goldsmith-Thriller-Album anfänglich als recht sperrig. Im Verlauf einer Reihe von Hördurchgängen vermag es allerdings durchaus in vergleichbarem Maße zu überzeugen wie sein unmittelbar eindeutig markanterer und eingängigerer Vorläufer. Wenn auch gewiss nicht massentauglich, so ist es doch unbedingt etwas für den Feinschmecker, welcher beim Komponisten mehr in die Tiefe gehen mag. Sich hierzu auch die eine oder andere der Folgen der Serie zumindest in Teilen anzuschauen kann sehr hilfreich sein sich die Scores zu erschließen. Es wird dadurch nämlich deutlich, wie effektiv diese Musiken funktionieren und sei daher ausdrücklich empfohlen. Wer hier erst einmal auf den Geschmack gekommen ist, der wird vom frühen Goldsmith zumindest beeindruckt, wenn nicht in zunehmendem Maße begeistert werden. Alles in allem handelt es sich damit wiederum um eine qualitativ gewohnt hochwertige Tadlow-Veröffentlichung, exzellent gespielt und ebenso superb aufgenommen. In jeder breiter aufgestellten Goldsmith-Kollektion dürfen die beiden Thriller-Alben daher eigentlich nicht fehlen.
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Infos zur US-TV-Serie Thriller finden sich im Anhang des Artikels zum ersten Tadlow-Thriller-Album.
Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tadlow Music.
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