Rommel (Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. Dezember 2012
Abgelegt unter:
Blu-Ray

Film

(4.5/6)

Bild

(5.5/6)

Ton

(5/6)

Zeitgeschichte als bildgewaltiges Dokudrama zu inszenieren, um ein breites und auch ein möglichst junges Publikum anzusprechen, liegt seit Jahren im Trend. Dabei ist auch das Interesse am zweiten Weltkrieg und der Wehrmacht noch längst nicht erloschen. Die aktuelle zweistündige TV-Produktion Rommel von Regisseur Niki Stein beleuchtet die letzten sieben Lebensmonate von Erwin Rommel, einem der berühmtesten deutschen Generäle des zweiten Weltkriegs, und wirft dabei zugleich einen eingehenderen Blick auf die Männer des Widerstands vom 20. Juli im besetzten Frankreich.

Doch damit nicht genug: Neben der zweistündigen TV-Produktion ist der Stoff ebenso in einer dreistündigen Hörspielversion von Leonard Koppelmann erhältlich, produziert für SWR2. Dabei hat man zwar Teile der Filmtonspur verwendet, aber trotzdem ist dabei nicht eines der gewöhnlichen, in der Regel eher zweitklassigen Filmtonhörspiele herausgekommen. Indem die Filmsprecher für die Hörspielfassung zusätzliche Texte aufgenommen haben, ist vielmehr etwas entstanden, das zwar mit der Filmversion verknüpft ist, aber trotzdem eigenständig bleibt. Die zusätzlichen 60 Minuten tun der Hörspielfassung zudem gut, gestatten sie doch, bei den zeitgeschichtlichen Ereignissen noch mehr in die Tiefe zu gehen.

Das Hörspiel reflektiert das Szenario der TV-Produktion im Rahmen eines fiktiven Interviews mit Hans Speidel (Benjamin Sadler), der ab April 1944 in Frankreich unter Rommel Chef des Stabes der Heeresgruppe B war. Speidel war zugleich einer der Männer des Widerstandes gegen Hitler. Er wurde im September 1944 von der Gestapo verhaftet und überlebte den Krieg eher zufällig. Im Nachkriegsdeutschland war er maßgeblich am Aufbau der Bundeswehr beteiligt und agierte schließlich als ranghöchster deutscher Nato-General. Aus den Fragen und Anmerkungen des Interviewers, Speidels Erinnerungen als Zeitzeuge und Auszügen aus Briefen Rommels an seine Familie entsteht ein vielschichtig aufgefächertes Bild der Ereignisse im Vorfeld der Landung in der Normandie, wie auch ein Eindruck von der für die Deutschen äußerst verlustreichen, ja katastrophalen Abwehrschlacht.

Rommel wird von Ulrich Tukur ausdrucksstark als tugendhafte und grundsätzlich sympathische wie auch tragische Figur verkörpert, als ein zunehmend zweifelnder, innerlich zerrissener Feldherr und Gefolgsmann Adolf Hitlers. Eine derartig menschliche Darstellung eines zweifellos äußerst zwiespältigen, komplexen Charakters erzeugt beim Thema „Drittes Reich“ zwangsläufig einigen Wirbel. Aber es stellt sich natürlich die Frage, ob die im Spielfilm lange Zeit übliche Inszenierung historisch belasteter Figuren wie die der Nazi-Generäle ohne Wenn und Aber als unmittelbar erkennbare Unmenschen und eindeutige Täter nicht letztlich auch eine Stilisierung und damit Vereinfachung ist, die der Wahrheitsfindung nicht dient.

Die Quellenlage und ihre Auswertung gestalten sich im Falle Rommels besonders kompliziert. Es existieren zur Person nur wenige als von Propaganda kaum oder gar nicht beeinflusst einzustufende Informationen. Das betrifft auch viele Überlieferungen von Zeitzeugen, deren Zeugnisse zugleich Selbstinszenierung im Sinne eigener „Vergangenheitsbewältigung“ darstellen. Sämtliches existierende Bildmaterial ist ebenso problembehaftet, es entstammt nämlich den Nazi-Wochenschauen, ist damit mehr oder weniger manipuliert und immer inszeniert. Hinzu kommt die geradezu mythische Verklärung durch die NS-Propagandamaschinerie, die bereitwillig das Wüstenfuchs-Image aufgriff, um Rommel, der 1942 gar das Cover des Time-Magazins zierte, zum Helden bei Freund und Feind zu stilisieren und Hitlers Lieblingsgeneral späterhin zum Schutzpatron des Atlantikwalls, der „Festung Europa“ aufzubauen. Goebbels vermerkte dazu: „Wenn Rommel an der Westfront steht, dann kann Deutschland ruhig schlafen.“

Und gerade dieses auch bei der Bevölkerung verbreitete Image machte Rommel für die Widerständler im Stauffenberg-Kreis als Galionsfigur überaus interessant. Im Nachkriegsdeutschland galten sie noch bis in die 1960er Jahre vielen als Verräter. Das haben die Männer des 20. Juli allerdings vorausgeahnt: Sie waren sich der schnellen Unterstützung eines Umsturzes durch Volk und Wehrmacht längst nicht sicher. Darum ja die kühne wie auch geniale Idee mit dem umfunktionierten „Walküre-Plan“, der es den Ausführenden des Staatsstreichs gestattete, zunächst im Hintergrund zu bleiben, scheinbar linientreu einen internen Machtkampf innerhalb der NS-Führung zu beenden und dabei selbst die Macht zu übernehmen — siehe dazu auch Bryan Singers Operation Walküre.

„Klar sieht, wer von ferne sieht, und nebelhaft, der Anteil nimmt“ (Lao-Tse). Dieses berühmte Zitat ist auch im Hörspiel zu hören. Nicht immer verschafft allerdings selbst der Blick aus der Ferne endgültige Klarheit. Der Zuschauer des TV-Films erhält bei dieser als Spielfilm atmosphärisch dicht inszenierten Nahaufnahme, wie auch im direkt im Anschluss (am 1. November 2012) gezeigten „Rommel — Die Dokumentation“, keine exakte Antwort auf die Frage, warum der Generalfeldmarschall letztlich versagt hat. Vom Günstling zum vorbehaltlosen Widerständler ist es ein weiter Weg. Hier wird immerhin versucht zu verdeutlichen, wie schwierig dieser Weg zugleich gewesen ist, indem die Zerrissenheit der titelgebenden Figur eingehend herausgearbeitet wird.

Zu sehen ist ein Rommel, der zwar an Hitler Kritik übte, der aber der auch anderweitig x-fach erwähnten Faszination des „Führers“ offenbar immer wieder bereitwillig erlag. Der fähige Panzergeneral des Blitzkrieges von 1940, dem die Briten im Afrikafeldzug den anerkennenden Beinamen „der Wüstenfuchs“ verliehen, war lange Zeit, ähnlich wie auch Stauffenberg, ein Günstling, ja sogar der Lieblingsgeneral des Diktators. In Frankreich wurde Rommel durch Speidel von den Widerständlern umworben. Er verriet diese zwar nicht, aber sein Handeln blieb letztlich halbherzig. Eine Tötung des Diktators lehnte er ab, und es gelang ihm auch sonst nicht, sich klar auf die andere Seite zu schlagen.

Rommel hatte sich bereits nach der Niederlage bei El Alamein dem starrsinnigen, sinnlosen Haltebefehl Hitlers widersetzt, was zu ersten ernsthaften Spannungen geführt hatte. Im März 1944 wurde er von Hitler für seine ungewöhnlichen Pläne zur Abwehr der lange erwarteten alliierten Invasion zuerst ermutigt, späterhin aber im Stich gelassen. Im Anschluss an die Invasion vom 6. Juni musste er dann mit ansehen, wie die unterlegenen deutschen Kräfte an der Westfront von Hitler rücksichtslos verheizt wurden. Er war daraufhin sogar grundsätzlich bereit, dem Führer ein Ultimatum zu stellen, und wollte unter Umständen die Front öffnen. Am 17. Juli 1944 wurde er bei einem Fliegerangriff schwer verwundet. Über das unmittelbar bevorstehende Attentat war er wohl nicht informiert und an den folgenden Ereignissen nicht mehr aktiv beteiligt. Rommel geriet vielmehr ab August rasch in die Rolle eines Statisten, der in seinem Haus in Herrlingen (nahe Ulm) nahezu isoliert war und bis zur erzwungenen Selbsttötung am 14. Oktober 1944 zudem praktisch in der Falle saß.

TV-Film wie auch das Hörspiel profitieren von dem vorzüglichen Schauspielerensemble, das auch ohne Bild markante Sprechstimmen liefert. Der aus Mautern in der Obersteiermark stammende Johannes Silberschneider ist dabei sicher kein idealer, aber auch nicht einfach ein schlechter Hitler. Beide Produktionen rücken zudem zwei besonders interessante und bislang weniger geläufige Figuren des Widerstandes der Offiziere gegen Hitler stärker ins Blickfeld: den bereits erwähnten Hans Speidel sowie Oberstleutnant Caesar von Hofacker (Tim Bergmann), Cousin von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Hofacker war bei den deutschen Widerständlern in Frankreich die treibende Kraft und wird daher auch als der Pariser Stauffenberg bezeichnet — in Paris war der Umsturz vom 20. Juli 1944 gemäß „Operation Walküre“ übrigens perfekt abgewickelt worden.

Ein historisch annähernd korrektes Geschichtsszenario ist nur im Rahmen einer Dokumentation möglich. In Form einer Spielhandlung kommt bestenfalls eine zwar lebendige, aber zwangsläufig keine völlig exakte Geschichtsstunde heraus. Sicher ist, dass Geschichtsdokumentationen vom Publikum schlechter angenommen werden als die Aufbereitung zum Dokumentarspiel. In diesem Punkt war der 1. November 2012, bei dem in der ARD zuerst der Spielfilm und direkt im Anschluss „Rommel — Die Dokumentation“ zum Thema gezeigt worden sind, aufschluss- wie erfolgreich: quotentechnisch beachtliche 6,38 Mio. Zuschauer haben sich den Film angeschaut und ebenso beachtliche 5 Mio. haben sogar noch die anschließende Dokumentation (zur recht späten Stunde) gesehen, sind wohl zum Großteil „sitzen geblieben“.

Wer sich über die im Film und dem Hörspiel präsentierten Fakten hinaus mit dem Thema beschäftigt, dürfte feststellen, dass die Person Rommels trotz vorhandener sympathischer Züge und des finalen Zwanges, Selbstmord zu begehen, um seine Familie zu schützen, letztlich doch zu problematisch bleibt, um zur unkritischen posthumen Verehrung zu taugen. Entsprechend sollte man die vielfach erfolgte Benennung von Plätzen oder Straßen nochmals überdenken, z. B. das im Internet unter „Rommelwood.de“ firmierende Studentenwohnheim in der Erwin-Rommel-Straße in Erlangen.

Die Blu-ray offeriert den TV-Film in sehr guter, teilweise sogar fast perfekter Bildqualität. Zum vorzüglichen Bild kommt ein sehr respektabler Surroundton, der sich überwiegend zurückhaltend, aber in den knappen Kriegsszenen auch mal etwas voluminöser und kraftvoller geben mag. Boni gibt’s keine.

Fazit: Die letzten Monate im Leben des berühmten deutschen Generalfeldmarschalls Erwin Rommel, seinen zwiespältigen Charakter wie auch sein problematisches Verhältnis zum Widerstand beleuchten sowohl ein sehr sorgfältig ausgestatteter und atmosphärisch dichter TV-Film als auch eine ebenfalls gelungene, in der Betrachtung deutlich mehr in die Tiefe gehende Hörspielversion.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2012.

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Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Regisseur:
Stein, Niki

Erschienen:
2012
Vertrieb:
Universum Film Home Entertainment
Zusatzinformationen:
D 2012 (TV, Das Erste)

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