Alexander (Premium Edition)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
22. Juni 2005
Abgelegt unter:
DVD

Film

(4.5/6)

Bild

(5.5/6)

Ton

(5/6)

Extras

(4.5/6)

Oliver Stones Alexander erwies sich in den USA als Kassenflop. Nicht allein die Kritiken waren oftmals vernichtend, der Film wurde gar für sechs „Goldene Himbeeren“ — Anti-Oscars für die peinlichsten Leinwandauftritte des Jahres — nominiert. Dabei hatte der Streifen aber Glück im Unglück und ging leer aus. Dank der seit Weihnachten 2004 in Europa hinzugekommenen Einspielergebnisse konnte das vielgeschmähte Kinoepos aber den befürchteten Totalflop vermeiden und hatte bis Ende Februar 2005 immerhin seine Produktionskosten wieder hereingeholt. Das DVD-Geschäft dürfte hier nochmals einen passablen Aufschwung bringen. (Siehe auch den ausführlichen Kommentar zum Film in „Schlachtenlenker und Reichsbegründer — Weltgeschichte in CinemaScope“.)

In der seit Gladiator (2000) inzwischen recht erklecklichen Reihe neuer Monumental-Schinken zu historischen Themen, wie Troja (2003) und dem derzeit neuesten, Königreich der Himmel (2005), ist Alexander derjenige, der letztlich insgesamt am meisten überzeugt. Stones Film ist zwar kein Meisterwerk, aber in jedem Fall ein ambitionierter und in vielem gelungener Versuch, das Leben von Alexander dem Großen, der Machtmensch, geschickter Stratege und glänzender Taktiker war, auf die Leinwand zu bringen. Entstanden ist dabei ein Film, der in Form eines opulenten Bilderbogens schlaglichtartig wichtige Stationen im Leben Alexanders beleuchtet. So mancher Zuschauer dürfte dabei über den visuellen Bilderrausch hinaus neugierig gemacht werden, mehr zum historischen Hintergrund zu erfahren. Und genau das ist es doch, was eine gelungene Leinwandadaption eines historischen Sujets beim Zuschauer auszulösen vermag.

Wie Stone freimütig bekennt, erhebt sein Film nicht den Anspruch, ein rundum möglichst exaktes Bild zu entwerfen. Dies ist auch nicht machbar: Dafür ist das Überlieferte zu Alexander infolge allzu vieler Lücken einfach zu unscharf. Die Lücken in Alexanders Biografie müssen daher mit eigenen Interpretationen gefüllt werden. Darunter fällt das angedeutete Ödipale im Verhältnis zu seiner exzentrisch-stolzen, machtbesessenen Mutter Olympias. Gegen Colin Farrel als Alexander ist m. E. nicht viel einzuwenden und Angelina Jolie als Olympias kann man im Wesentlichen vorwerfen, dass sie zu jung ist und als attraktiver Frauentyp den Regeln des Zeitgeschmacks und des Marktes gehorcht.

Stone sprach zu Recht von dramatisierter Geschichtsschreibung und brachte es in einem Interview auf den Punkt: „Ich vergleiche meinen Film gern mit Puschkins Roman ‚Mozart und Salieri‘. Puschkin hat seine ganze Verehrung für Mozart in diesen Roman gelegt und wenn man das Buch liest, hat man das Gefühl, Mozart in Reinform zu erleben. Viele der Fakten in diesem Roman sind (zwar) schlicht falsch, doch am Ende bleibt man als Leser mit dem Gefühl zurück, Mozart zu kennen. Sowohl um Mozart wie um Alexander ranken sich so viele Legenden, dass wir eigentlich wenig wissen. Das macht wiederum einen Teil der Faszination aus.“ Und mit diesem Vergleich steht er dem Historiker Markus Junkelmann sehr nahe. Stellt dieser doch in seinem Buch „Hollywoods Traum von Rom“ fest: „So sehr die audiovisuelle Bearbeitung der Geschichte die Akzente verschieben mag, in mancher Hinsicht weisen die Tätigkeiten des Historikers und des Filmemachers größere Ähnlichkeit miteinander auf, als beide Seiten es oft wahrhaben wollen. Auch der Geschichtsschreiber muss aus der Fülle seines Materials auswählen, auch er muss raffen, ordnen, Schwerpunkte setzen, in gewisser Weise dramatisieren, gerade wie seine Kollegen von der Filmbranche im Schneideraum die brauchbaren Aufnahmen aussuchen und zu Szenen und Sequenzen zusammenfügen, sie dramaturgisch gestalten“, (indem er) mit Ton und Musik versieht. „Und natürlich bildet schon aus diesem Grund die absolute, unmanipulierte Objektivität der Darstellung für den einen wie für den anderen auch bei ehrlichstem Bemühen ein unerreichbares Ideal.“

Ein dramaturgisch geschickter Schachzug ist der die Handlung als Chronist begleitende Anthony Hopkins als Ptolemaios I. Der ehemalige General und Kampfgefährte zählte zu denen, die versuchten Alexanders Erbe zu bewahren. Als Herrscher von Ägypten gelang es ihm durch kluges staatsmännisches Verhalten das Land am Nil bei den das Alexandrianische Weltreich rasch zerstörenden kriegerischen Auseinandersetzungen weitgehend unbeschadet zu erhalten. Im Film ist er bereits ein alter Mann, der seine Erinnerungen zu Alexanders Leben rund zwanzig Jahre danach einem Schreiber diktiert. Hopkins Ausstrahlung verleiht diesen Auftritten Würde, seine Kommentare verbinden das Gezeigte und vermitteln dem Zuschauer außerdem, quasi nebenbei, manche Zusammenhänge, die man anders nur schwierig hätte aufzeigen können. Dabei findet sich auch ein netter Hinweis auf das Relative in sämtlichen historischen Überlieferungen, so, wenn er seinen Schreiber sinngemäß anweist: „Ach nein, schreibe es doch besser so: …“

Nicht vergessen werden soll auch Christopher Plummer als Aristoteles, der Alexander als Kind unterrichtet, ihm ein recht überhebliches, anderen Kulturen gegenüber herablassendes, ja rassistisches Weltbild vermittelt. Eines, dem der erfolgreiche Feldherr übrigens bald abschwört. Seinen Offizieren wirft er nach dem Einzug in Babylon gar ihre Arroganz gegenüber der so viel älteren persischen Kultur vor.

Zu den Stärken des Films gehört die vorzügliche, sehr um historische Genauigkeit bemühte Ausstattung, für die der Oxford-Professor und besonders im angelsächsischen Raum bekannte Alexander-Biograf Robin Lane Fox verantwortlich zeichnet. (Dieser knüpfte seine Mitarbeit am Filmprojekt übrigens an eine originelle Bedingung: als Statist in der Kavallerie mitreiten zu dürfen.) Was herausgekommen ist, ist in vielem eine Augenweide — ein nicht unwichtiger Teilaspekt des Sandalenkinos gestern wie heute! Hier sieht man die berühmten Statuen erstmalig nicht im gewohnten, eher steril-kühlen nackten (Marmor-)Weiß, sondern so, wie es neueren Erkenntnissen entspricht: bunt bemalt! Und nicht allein die Alexandria-Sequenz zu Beginn begeistert. Da kann der Zuschauer zusammen mit Ptolemaios I. von der Veranda der berühmten Bibliothek — die Ptolemaios I. übrigens begründete — den Blick über den toll getricksten Hafen schweifen lassen. Wem kommt da nicht unmittelbar Cleopatra (1962) in den Sinn? Die späteren Babylon-Sequenzen geraten zum absoluten Höhepunkt des Films, sind etwas, das auch in den beiden prächtigsten Sandalen-Epen der 1960er, Cleopatra und Der Untergang des Römischen Reiches (1964), ihresgleichen suchen.

Alexander auf DVD

Neben einer schlichten Einzel-DVD-Ausgabe, die nur den Film enthält, ist auch eine Doppel-DVD-Premium Edition im Angebot. Letztere ist nicht nur wegen der optisch besonders gelungenen Aufmachung als Digipack, sondern auch wegen des umfangreichen, weitgehend überzeugenden Bonus-Materials — bei mäßigem Aufpreis — besonders zu empfehlen. Dabei finden sich zwar auch stärker auf Produktwerbung, also im schnell etwas lobhudlerischen Stil üblicher Pressetexte gehaltene Teile — so in den Interviewausschnitten — aber eben nicht nur. Der Sohn des Regisseurs, Sean Stone, hat die Produktion von Alexander mit der Videokamera dokumentierend begleitet und daraus den sehenswerten knapp 80-minütigen Dokumentarfilm „Kampf gegen die Zeit: Oliver Stones Alexander“ erstellt. Hier erhält man ein recht eindrucksvolles Bild von der gigantischen Arbeit an einer derartigen filmischen Großproduktion. Es entsteht ein Eindruck von der minutiösen, enorm vielschichtigen Organisations- und Detailarbeit, die bis zum fertigen Endprodukt Kinofilm erforderlich ist. Ebenso vom hohen Maß an Disziplin, das neben Organisationstalent und auch der Fähigkeit zu schnellem Handeln erforderlich ist, beispielsweise um bei Außenaufnahmen sich kurzzeitig einstellende besonders günstige Bedingungen (Lichtverhältnisse, Wolkenformationen etc.) optimal zu nutzen. Es wird dabei auch deutlich, wie international Alexander, zum Großteil außerhalb Hollywoods finanziert worden ist: Insgesamt waren 20 Geldgeber beteiligt. Man kann sich vorstellen, wie schwierig dies zu managen gewesen sein muss. Stone vermerkt dazu: „Wir hatten nicht viel Geld, konnten nur 90 Tage drehen. Normal wären für ein derartiges Projekt 120.“

Im letzten Viertel beleuchtet Sean Stone auch das Verhältnis zu seinem Vater, dessen Dreharbeiten er schon früh beobachten durfte. Das sympathische Porträt eines 19-jährigen Träumers — wie Sean Stone sich selbst bezeichnet — gerät schließlich zur respektvollen Liebeserklärung an seinen Vater, der ihm anvertraut: „Alexander war (bereits) ein Traum, als ich ein Junge war. Erinnere mich daran, falls ich deswegen deprimiert oder niedergeschlagen sein werde.“

Zum Film ist ein Audiokommentar wählbar, in dem Oliver Stone und der historische Berater Robin Lane Fox mit interessanten Anmerkungen zum Film aufwarten. Leider fehlen dazu anwählbare deutsche Untertitel — was für die Ausstattung die vollen fünf Sterne kostet. Sehr gut ist das Segment „Auf den Spuren Alexanders des Großen“ geraten: Auf einer Karte sind zum Leben Alexanders die zehn geschichtsträchtigsten Stationen verzeichnet. Jede dieser Stationen führt zu einer ausführlichen Textseite, die parallel zur Anzeige vorgelesen wird. Dabei erhält man in stark komprimierter, aber gut aufbereiteter Form wichtige Basisinformationen, die für das Verständnis der Filmhandlung essentiell sind. Darüber hinaus findet sich im Digipack der Premium-Version noch ein informatives Faltblatt eingesteckt, das den Einsteiger gelungen auf den Film einstimmt. Neben Infos zu den Schauspielern und zu Regisseur Stone, wartet es mit einer geschickt verknappten Übersicht der wichtigsten Geschichtsdaten auf: Es finden sich eine Zeittafel und Basis-Infos zur Makedonischen Phalanx sowie Alexanders Feldzügen nebst der Karte, die auch im o. g. Segment der Bonus-DVD verwendet wird.

Sowohl die 12-minütige „Featurette“ als auch die 5-minütigen Impressionen „Bilder von der Premiere“ gehören primär in die Kategorie Werbung. In den „Interviews“ steht Interessantes neben eher üblich brav-banalen PR-Nettigkeiten. Teilsweise sind die hier zusammengestellten Interview-Ausschnitte auch bereits in der Featurette enthalten. Etwas blass fällt auch der „Blick hinter die Kulissen“ aus, der aus unkommentierten Eindrücken vom Dreh besteht, die teilweise allerdings etwas wahllos eingefangen wirken.

Immer wieder interessant ist hierbei allerdings, wie eklatant unterschiedlich die Bildwirkungen ein und derselben Szene sind — im fertigen Film und mit der Videokamera dokumentiert. Im Verhältnis unspektakulär, ja oftmals bescheiden kommt fast jede Szene aus der Videoperspektive daher, die im Film so brillant herüberkommt. Das erklärt sich zum einen aus der völlig anderen Perspektive des Betrachters, aber auch eventuell noch fehlende Spezial-Effekte haben entscheidenden Einfluss. Beim Dreh agiert z. B. Anthony Hopkins, auf der Veranda der Bibliothek von Alexandria stehend, deutlich erkennbar im Studio vor „blauem Hintergrund“ — welcher natürlich auch durch die Fenster der Bibliothek hereinlacht. Das später digital hinzugefügte Hafenpanorama macht erst den tollen Effekt.

Wer last but not least noch etwas über die bisherige Filmtätigkeiten der wichtigsten Beteiligten erfahren möchte, der kann in den Filmografien stöbern.

Die Film-DVD präsentiert Alexander in mindestens sehr guter Qualität. Beim Bildeindruck gibt’s nach ganz oben nur noch wenig Luft. Sehr gute, satte Farben, sehr niedriges Rauschen und entsprechende Werte für Kontrast und Schärfe sorgen für ein vorzügliches detailfreudiges Bild, das im Zusammenwirken mit dem vergleichbar guten Ton für ein erstklassiges Heimkinoerlebnis sorgt. Signifikante Qualitätsunterschiede sind weder zwischen der deutschen Tonspur in AC3-5.1 und dts noch zwischen der deutschen und englischen Fassung auszumachen. Die deutsche Fassung in dts verfügt über einen etwas höheren Pegel. Beim englischen Ton (allein in AC3-5.1) sind die Dialoge gegenüber dem Rest insgesamt etwas leiser abgemischt. Wer beim Lautstärkepegel gegenüber der deutschen Tonfassung etwas nachlegt, lässt damit natürlich auch die Surroundeffekte eine Spur präsenter erscheinen.

Zum Abschluss noch eine Information zum in den USA für den 2. August 2005 angekündigten Director’s Cut des Films auf DVD. Dieser wird im Gegensatz zur üblichen Praxis erstaunlicherweise rund acht Minuten kürzer (!) sein als die Kinofassung. Wie dazu vorab zu hören ist, soll Stone in erster Linie die homoerotischen Andeutungen im Verhältnis zwischen Alexander und Hephaestion entfernt haben, die angeblich die mehrheitlich puritanisch erzogenen Amerikaner vom Kinobesuch abgehalten haben sollen …

Fazit: Alexander macht auch auf DVD einen sehr überzeugenden Eindruck. Die gegenüber der Standard-DVD nur wenig teurere Premium Edition (2 DVDs) ist all denjenigen zu empfehlen, die sich mit derartigen Historienschinken eingehender beschäftigen möchten.

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Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Regisseur:
Stone, Oliver

Erschienen:
2005
Vertrieb:
Constantin Film DVD
Kennung:
HC082608 [Premium Edition]
Zusatzinformationen:
USA, GB,F, D 2004

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