Heutzutage sind ausgefeilte Computer-Animationen in Spielfilmen (fast) schon zum Standard geworden und viele dürften sich an das durchscheinende „Wasserwesen“ (den computergenerierten „Pseudopod“) in The Abyss und vor allem an die zum Teil „metallisch glänzenden“ Spezial-Effekte in Terminator 2: Judgement Day erinnern. Aber wie und womit begann alles? Den Anfang dieser Erfolgsstory markiert Tron aus dem Jahr 1982. Wobei hier mit Hilfe der neuen Technik eine Geschichte visualisiert wird, die sich sinnigerweise im „Cyberspace eines Zentralcomputers“ abspielt. Auf den Datenleiterbahnen kämpfen in Gladiator-Manier gute Programme gegen das schurkische Master-Control-Programm. Sicher bietet Tron primär „nur“ eine Abenteuer-Story ohne Tiefgang, ist dabei aber insgesamt sehr ansprechend und unterhaltsam geraten. Sehr originell ist die Schlusseinstellung, in der reale Welt und Cyberspace einander angenähert werden: Eine Totale von Los Angeles wird von Tag- auf Nachtansicht überblendet, wobei der Autoverkehr in der erleuchteten Stadtkulisse in Form von fließenden Lichtbahnen sichtbar wird …
Das – zum Teil in vielfältigen grellbunten Farben gehaltene – Spektakel vereint herkömmliche Zeichentricktechnik kombiniert mit speziellen Illuminations-Effekten und setzt erstmalig in der Kinogeschichte rund 17 Minuten (frühe) Computer-Animationstechnologie ein. Dies machte den Film zum Wegbereiter der neuen Technik und auch zwangsläufig zum „Klassiker“ seiner Art.
Die Story von Tron begann im Jahr 1975 als Regisseur Steven Lisberger einer Demonstration (heutzutage simpel anmutender) dreidimensionaler Computer-Grafiken zu Werbezwecken beiwohnte. Als er kurz darauf sein erstes Computer-Spiel erlebte, wurde die Idee geboren, durch Verschmelzen beider High-Tech-Möglichkeiten (Computer-Spiel und Computer-Grafik) einen Science-Fiction-Spielfilm zu gestalten. Steven Lisberger schrieb das Drehbuch, Richard Taylor und Harrison Ellenshaw (Matte Painter bei Star Wars) sowie der französische Comic-Zeichner Jean „Moebius“ Giraud (einer der Gründer des Heavy-Metal-Magazine) übernahmen Konzeption und Gestaltung der visuellen Effekte.
Anfänglich dachte man daran, die Welt innerhalb des Computers ausschließlich durch gezeichnete Figuren zu beleben, entschied sich aber frühzeitig, doch Schauspieler einzusetzen. Deren Aktionen wurden in Schwarz-Weiß fotografiert und anschließend mit Hilfe von Farbfiltern und Licht aufwändig zu so genannten Composite Shots nachbearbeitet. So entstanden – in zum Teil noch aufwändiger Handarbeit – die „elektrisch leuchtend“ erscheinenden Figuren und raffiniert gestaltete und auch faszinierend farbig illuminierte Hintergrund-Designs, die Trons besonderen Reiz ausmachen, sicher auch Teil seines Kultcharakters sind.
Zusätzlichen Reiz verleiht dem Film der originelle Einfall der Drehbuchautoren, den Charakter des jeweiligen Programm-Entwicklers in der diesem zugeordneten Figur widerzuspiegeln, so dass einige Figuren sowohl in der realen als auch in der Welt der Datenbahnen auftreten. Ein schwieriger und mühseliger Job für die Akteure, mussten diese doch fast ausschließlich vor schwarzen Hintergründen und rein fiktiven (erst nachträglich ins Bild eingefügten) Sets agieren. Ausgiebiger Umgang mit Computer-Spielen soll insbesondere dem Schauspieler Jeff Bridges, der die zentrale Figur des Flynn verkörpert, sehr geholfen haben, sich in die richtige Arbeitslaune zu versetzen.
Die von Wendy Carlos beigesteuerte, am Synthesizer realisierte Komposition knüpft an die Arbeit zu Stanley Kubricks A Clockwork Orange • Uhrwerk Orange (1971) an. Die insgesamt „nur“ nette Tonschöpfung ist recht bildwirksam und genießt in der Gunst mancher Fans einen deutlich höheren Stellenwert.
Infolge der tricktechnisch vielfältigen und aufwändigen Operationen wurde Tron nicht in 35-mm-Scope aufgenommen, sondern vielmehr auf hochauflösendem 70-mm-Super-Panavision-Filmmaterial produziert, um den Filmbildern mehr Klarheit und Schärfe zu verleihen. Es war damit der erste Film seit David Leans Ryan’s Daughter • Ryans Tochter (1970), der in diesem Verfahren produziert worden ist.
Die zeitintensive Postproduktion benötigte immerhin rund 10 Monate, so dass Tron, dessen Dreharbeiten in 1981 von April bis Juli dauerten, erst am 9. Juli 1982 in den USA gestartet werden konnte – rund sieben Jahre nachdem die Idee geboren wurde.
Der Film auf DVD
Der Deluxe Edition Tron liegt die brillante US-Laserdisc „Exclusive Archive Collection“ aus 1995 zugrunde. Die DVD-1 präsentiert den Film in sehr guter Bildqualität und im korrekten Super-Panavision-70-Seitenverhältnis von 1 : 2,20. Insbesondere die im knallig bunt-illuminierten Cyberspace spielenden Szenen erscheinen erstklassig scharf, einige, der in der realen Welt angesiedelten hingegen, lassen ein Quäntchen Schärfe vermissen. Der im Jahr 1982 „nur“ 4-kanalige Surround-Ton (in Deutsch, Englisch und Italienisch) ist sauber auf den AC3-5.1-Standard übertragen worden. Wobei das stimmungsvoll und in den Action-Passagen auch effektvoll verräumlichte akustische Geschehen auf den hinteren Kanälen zwangsläufig Mono bleibt. Zum Film kann ein Audiokommentar gewählt werden, in dem Regisseur Steven Lisberger, Produzent Donald Kushner sowie die Effektspezialisten Harrison Ellenshaw und Richard Taylor zu Wort kommen.
Auf der DVD-2 steht Information auf dem Programm und nicht – wie so oft – überwiegend verkappte Filmwerbung. Diese DVD bietet das komplette umfangreiche Zusatzmaterial der US-Laserdisc und außerdem noch ein knapp 90-minütiges (!) „Making of“, das der ideale Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit den einzelnen, noch stärker ins Detail gehenden Segmenten ist. Alles Gebotene ist sehr übersichtlich in Kapitel und Unterkapitel aufgeteilt. Erfreulich, dass hierbei sämtliche Schrifttexte ins Deutsche übertragen und ebenso die eingeschobenen Video- und Filmsegmente sauber deutsch untertitelt worden sind. In diesen geht’s unter anderem bis an die (in die späten 60er Jahre zurückreichenden) Wurzeln der Computer-Animation und es werden in Form eines 1972er „Syntha-Vision“-Demofilms die ersten verwertbaren Schritte in Sachen Computer-Grafiken der bereits 1966 in den USA gegründeten Firma MAGI gezeigt. Ebenso bekommt man das „Tripel-I-Demoband“ zu sehen, mit dem Regisseur Lisberger und sein Team seinerzeit bei Hollywood-Studios um Geldgeber warben – ironischerweise war die Erwartungshaltung bezüglich der Disney-Studios eher gering. Und ebenso wird die – auf arbeitsintensive Handarbeit beruhende – „Backlight-Technologie“ erläutert. Diese war für die vielfältig-bunten, Elektrizität suggerierenden Illuminations-Effekte notwendig.
Daneben gibt es ausführliche Einblicke in das so genannte Story-Boarding und auch ein eingehender Vergleich „Filmszene-Storyboard“ fehlt nicht. Das Segment „Design“ verrät einiges über das Film-Design sowie den wichtigen in der Filmhandlung (s. o.) „personifizierten“ Programmen, den Fahrzeugen in den Computer-Spielen und natürlich der elektronischen Welt, dem Cyberspace. „Publicity“ bietet 6 verschiedene Werbe-Trailer, eine Reihe von Produktionsphotos sowie eine Galerie zum Thema Publicity & Merchandising. Zusätzliche Leckerbissen sind zwei geschnittene Szenen, von denen die erstklassig ausgestaltete charmant-warme „Love Szene“ besonders anspricht. Und für die Freunde von Wendy Carlos’ Musik, gibt es zwei dem endgültigen Filmschnitt zum Opfer gefallene Musikstücke.
Fazit: Die kürzlich erschienene Deluxe Edition zu Tron dürfte im üblichen DVD-Standard qualitativ wohl kaum zu toppen sein. Dies gilt sowohl für den in sehr guter Qualität förmlich „elektrisch“ erstrahlenden Film als auch für das vorbildliche, informative Zusatzmaterial. Wer zum Thema „Computer-Animation im Spielfilm“ auf Spurensuche gehen möchte, liegt hier richtig und kann unbesorgt zugreifen.