Erstmalig in HD: Todesmelodie – Sergio Leones Blick auf die Revolution
Sergio Leones Todesmelodie (Originaltitel Giù la testa, 1971), der wohl immer noch umstrittenste Film des italienischen Leinwandmaestros, gilt als Mittelteil der so genannten „Amerika-Trilogie“. Diese Bezeichnung ist allerdings eher irreführend, da die Filme – wie übrigens auch die der „Dollar-Trilogie“ – eben nicht als Trilogie konzipiert worden sind. Als Western kann man Todesmelodie mit seiner während der mexikanischen Revolution im Jahr 1913 angesiedelten Filmhandlung nicht mehr wirklich stimmig platzieren.
Mit dem dritten Dollar-Western, Zwei glorreiche Halunken (1966) hat Todesmelodie allerdings einige Gemeinsamkeiten. So ist der von Rod Steiger verkörperte Bandit Juan Miranda quasi das mexikanische Gegenstück zu Tuco (Eli Walach). Beide Filme stellen zudem einen schon außergewöhnlich sarkastisch und zynisch anmutenden Balanceakt zwischen mit lockeren Sprüchen agierenden komödiantischen Gags und mitunter grimmig-brutalen Gewaltszenen dar.
Leone spielt auch hier virtuos mit dem Zuschauer und dessen Hollywood-Kinoerfahrungen, indem er, wie Leone-Spezialist Christopher Frayling im Audio-Kommentar feststellt, als Rahmen für seine Revolutionsfabel ein altes Kino-Klischee bemüht. So dient auch hier Mexiko als politisch instabile, exotische Zuflucht für Entwurzelte, die ihre verlorenen Ideale suchen, für Glücksritter und nicht zuletzt Bad Guys. Zu Todesmelodie bemerkte der Regisseur, dass in diesem Film viele private Erfahrungen und bittere Erlebnisse verarbeitet seien: „Die mexikanische Revolution hat mich an den italienischen Widerstand gegen Mussolini erinnert. Ich bin Sozialist. Während des Krieges hatten wir Ideale, Träume, Hoffnungen. Sie erfüllten sich nicht. Sozialismus ist gut als Idee, aber die Menschen sind schlecht. Heute herrscht Anarchie in Italien. Wahre Freundschaft ist die einzige Zuflucht in diesem Chaos. Politik zerstört Freundschaft.“ Und daher erscheinen etwa die (wiederum nur in der restaurierten Fassung ungekürzt zu sehende) in ihrer Länge so bedrückende Kamerafahrt über Massenerschießungen hinter dem Bahnhof oder der die Revolution bekämpfende Colonel Günther Reza (Antoine Saint-John) geradezu wie Reflexe auf die jüngere Geschichte.
Das Slapstickhafte und Komödiantische der Revolutionsabenteuer des so ungleichen wie markanten Duos, des mexikanischen Banditen Juan Miranda (Rod Steiger) und des irischen Ex-Rebellen und Sprengstoffexperten John Mallory (James Coburn), schafft zu den betont modern anmutenden Gewaltausbrüchen einen außergewöhnlichen Kontrast. Dabei erscheinen die beiden Protagonisten anfänglich sehr überzeichnet, gewinnen aber im letzten Drittel zunehmend realistische Konturen. Miranda, der anfänglich die anarchischen Verhältnisse nur zur persönlichen Bereicherung nutzen will, wird von Mallory geschickt mehrfach zum unfreiwilligen revolutionären Volkshelden gemacht. Am Schluss ist zwischen beiden eine echte Freundschaft entstanden. Wenn’s im Viehwagon gen Norden ins Land der Verheißung geht, ist unübersehbar, wie sich Mallory um seinen sehr bedrückt wirkenden, entwurzelten Freund sorgt, der ja im Laufe des Geschehens sämtliche Familienangehörige verloren hat. Doch aus der Hoffnung eines gemeinsam realisierten amerikanischen Traums wird nichts. John Mallory stirbt in der großen finalen Konfrontation zwischen den Männern Pancho Villas und einem schwerbewaffneten Eisenbahnzug der Armee unter Colonel Reza. Miranda bleibt verstört ins Publikum blickend mit der Frage zurück: „Und was wird aus mir?“
Doch auch hier gibt sich Leone letztlich als Märchenerzähler, der, unterstützt von Ennio Morricones betont sinnlich-schwelgerischer Musik, seine Revolutionsfabel wiederum bildgewaltig episch verpackt. Morricones hier fast durchweg besonders luftig und unmittelbar eingängige Komposition ist in ganz besonderem Maße dabei behilflich, den zum Teil beklemmend realistischen Bildern in der Rezeption eine etwas entrückte und damit letztlich doch etwas tröstlichere Note zu verleihen.
Insgesamt sind Sergio Leones Filme weltweit in mehr oder weniger stark gekürzten Fassungen und im Falle von Todesmelodie zudem unter verwirrend verschiedenartigen Titeln gezeigt worden: In den USA ist Duck, You Sucker, was dem italienischen Originaltitel Giù la testa – eingedeutscht „Kopf runter!“ – entspricht, am geläufigsten. Neben dem ebenso vordergründigen, nunmehr allein die Sprengstoffactions betonenden A Fistful of Dynamite kam international verschiedentlich auch der in die jeweilige Landessprache übertragene Arbeitstitel des Drehbuchs „C’era una volta la rivoluzione“ („Es war einmal die Revolution“) zur Anwendung, z. B. in Frankreich unter Il était une fois … la révolution. Letzteres trifft den Geist dieses besonders vielschichtigen Leone-Films eindeutig am besten.
Todesmelodie auf BD
Die aktuelle BD-Edition ist inhaltlich nahezu identisch mit der 2005er Gold-DVD-Edition von MGM. Auch die wichtigen Teile der beachtlichen Bonikollektion fehlen nicht. Einzig die Bildergalerie hat es nicht auf die BD geschafft. Die Schnittfassung beruht auf der von der römischen Kinemathek (Cineteca Nazionale) im Jahr 1996 erstellten, mit 157 Minuten Lauflänge bisher bestmöglichen Rekonstruktion der Originalfassung. Gegenüber den frühen US-Videoausgaben sind insgesamt rund zwanzig Minuten mehr an Material enthalten. Im US-TV scheint der Film ursprünglich sogar nochmals drastisch gekürzt mit nur noch ca. zwei Stunden Lauflänge gezeigt worden zu sein.
Die entscheidende Novität gegenüber der bereits verlängerten US-Laserdisc-Ausgabe von 1996 war die damals noch im Anhang, seit 2005 dann erstmalig vollständig in den Film integrierte, rund vierminütige letzte der Irland-Rückblenden, welche Einblicke in die Vorgeschichte des von James Coburn verkörperten desillusionierten irischen Ex-Rebellen John Mallory vermitteln. Besagte zeigt trotz drolligerweise ihrer landschaftlich eindeutig italienischer Prägung einen betont grasgrünen Irland-Look. Die hier zu sehende Ménage à troi deutet in der kompletten Version am Schluss einen rivalisierenden Unterton zwischen den beiden männlichen Protagonisten an, der Mallorys Charakter eine bislang unbekannte, betont zwiespältige Note verleiht. Dies lädt dazu ein, neu darüber zu spekulieren, was ihn denn nun wirklich zum Auswandern nach Mexiko bewogen haben mag. Vielleicht war es gar nicht die bislang angenommenen Erschießung zweier britischer Soldaten, sondern vielmehr ein Verrat am konkurrierenden irischen Jugendfreund Sean, für den in Morricones Filmmusik das vom Chor verschiedentlich intonierte „Shaun“ – die irische Form von Sean – steht und der in einer früheren Rückblende als Gefangener der Briten zu sehen war. Dies und auch, wo die jetzige Fassung noch mindestens zwei Lücken besitzt erfährt der Interessierte in der Boni-Sektion anhand der bemerkenswerten analytischen Einblicke des Leone-Spezialisten Christopher Frayling.
Das Bild erscheint dem der 2005er- DVD sehr ähnlich und zeigt auch praktisch die identischen kleineren Schwächen in denselben Passagen. In HD wirkt es überwiegend etwas schärfer und knackiger. Filmkorn ist meist präsent, wobei einige Szenen besonders stark vergrieselt sind. Der Schwarzwert ist, abgesehen von einzelnen, kurzen, zu grau erscheinenden Momenten, gut. Die Farbgebung ist solide, allerdings eher unaufdringlich. Auch wenn es nicht für ein HD-Erlebnis der obersten Klasse reicht, für ein solides „Gut“ langt es beim Bild in jedem Fall. Die deutsche Tonspur dazu ist ein sorgfältig auf Pseudo-Surroundstereo gemixtes Konglomerat aus diversen Mono-Elementen, das auch dialogtechnisch recht frisch klingt. Insbesondere bei den Musikeinsätzen und den dezent verräumlichten Schuss- und Explosionsgeräuschen vermag der Mix kleinere Trümpfe auszuspielen.
Vom von der 2005er-DVD-Ausgabe übernommenen sehr guten Bonusmaterial war bereits die Rede. Erfreulicherweise sind analog zur DVD-Ausgabe zu den informativen Segmenten, etwa „Der Mythos der Revolution“, „Sergio Donati erinnert sich an Duck You Sucker“, „Die verschiedenen Versionen“ oder „Restauration im italienischen Stil“, auch deutsche Untertitel vorhanden. Beim sehr aufschlussreichen Audiokommentar Fraylings zum Film fallen diese auf der Blu-ray im Gegensatz zur DVD jedoch unerklärlicherweise unter den Tisch.
Zu diesem Wermutströpfchen kommt noch eine etwas schlicht anmutende Steuerung hinzu. So gibt es kein Hauptmenü. Der Hauptfilm startet direkt nach Fox-Logo, FSK- und Copyright-Hinweis. Sämtliche Einstellungen und Zugriffe, etwa auf die Extras oder Kapitel, müssen über ein einblendbares Pop-Up-Menü vorgenommen werden. Dass im Gegensatz zu vielen Fox-BD-Titeln im Film leider keine eigenen Indexmarken gesetzt und wieder gelöscht werden können, ist schon etwas kurios. Dass darüber hinaus beim Stoppen der Wiedergabe allerdings kein Marker gesetzt wird, so dass nach Neustart der Film einfach wieder von vorn abgespielt wird (!) und darüber hinaus auch am Schluss direkt wieder neu, also von vorn gestartet wird, das ist schlichtweg ärgerlich. Die Unterteilung in 28 separate Kapitel ist dafür ordentlich und wiederum mit der 2005er-DVD-Ausgabe fast identisch.
Fazit: Auch wenn Todesmelodie in der aktuellen, leider etwas lieblos gemachten BD-Edition „nur“ MGMs beachtliche 2005er Gold-DVD-Edition in bildtechnisch aufgewerteter Form reproduziert, ist diese Ausgabe auch aufgrund ihres günstigen Preises durchaus respektabel.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.