The Red Violin
Die wechselvolle Geschichte einer Meister-Geige im Verlauf von vier Jahrhunderten schildert der Episoden-Film Die rote Violine, der Ende letzten Jahres in die Kinos kam. Die Musik hierzu komponierte der 1938 geborene John Corigliano, ein gemäßigter Moderner, der seine Zuhörer nicht durch extreme Dissonanzen überfordert. Corigliano ist ein Konzertkomponist, der raffinierte Konzertstücke und auch Solo-Konzerte komponiert hat. Für den Spielfilm ist Die rote Violine erst seine dritte Arbeit, nach Ken Russells Der Höllentrip (1980) und Hugh Hudsons Revolution (1985).
Die Musik für Die rote Violine ist in jedem Fall leichter zu erfassen, als z. B. Filmmusiken von Hans Werner Henze. Allerdings, leichte Kost, ein simpler Ohrwurm werden hier nicht geboten und wer schnellen Zugang beim ersten Hören erwartet, könnte enttäuscht werden. Wer aber auch Violinkonzerten des zwanzigsten Jahrhunderts eine Chance gibt und bereit ist, der Musik etwas Zeit zu lassen, ihr Gelegenheit gibt, die durchaus vorhandenen Schönheiten beim langsamen Einhören zu entfalten, der wird durchaus auf seine Kosten kommen.
Die vorliegende CD bietet die Filmmusik und ein auf deren Material basierendes Konzertstück, eine Chaconne für Violine und Orchester. Wie schon der auf formstrenge deutende Titel des Konzertstückes andeutet, ist auch die Filmmusik keine im gewohnten Sinne. Durch den völligen Verzicht auf übliche filmmusikalische Gestaltungsmittel, wie z. B. tonmalerische Effekte, erinnert diese Filmkomposition mehr an ein autonomes Orchesterwerk mit obligater Geige. Der Übergang zwischen Filmmusik und Konzertstück ist auch dementsprechend fließend. Ausschließlich ein wenig musikalisches Zeit- und Lokalkolorit (das barocke Wien, die Zigeuner, ein Lied der chinesischen Revolution), sind ganz ohne Hollywoodtouch eingearbeitet. Corigliano illustriert hier keine Szenenabläufe, sondern erzeugt eine Stimmung, setzt den musikalischen Grundton für die Handlungsstränge. Dieser ist schicksalhaft ernst, die Hauptlast liegt auf den Streichern des Orchesters, deren Ausdrucksgehalt vielfältig und expressiv genutzt wird. Das sehr schöne, elegische Thema für die rote Violine, zuerst von einer vokalisierenden Frauenstimme vorgestellt, durchzieht das Werk in vielfältigen Variationen. Es bildet auch die Basis für mehrere, sehr virtuose Solopassagen, die der Geiger Joshua Bell gekonnt interpretiert. Esa-Pekka Salonen leitet das Philharmonia Orchestra auf der rund 67-minütigen CD. Auch klangtechnisch bleiben keine Wünsche offen. Eine Bereicherung für den Kenner und experimentierfreudigen Filmmusikhörer.