The Guns of Navarone * The Sundowners

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
25. Mai 2007
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

The Guns of Navarone * Die Kanonen von Navarone (1961) beruht auf einem Roman von Alistair McLean und ist ein vergleichbar unglaubwürdiges (um nicht „schwachsinnig“ zu schreiben) Weltkrieg-II-Abenteuer wie Where Eagles Dare * Agenten sterben einsam (1968). Wieder geht es um ein britisches Sonderkommando, das dieses Mal im Jahr 1943 in der Ägäis zwei deutsche Super-Geschütze ausschalten soll. Diese machen es nämlich den Briten unmöglich, ein auf einer griechischen Insel von den Deutschen eingekesseltes Truppenkontingent zu entsetzen. Und wieder einmal stehen heroische Alliierte eher tölpelhaften, dafür brutal agierenden Nazi-Soldiers gegenüber. Allein der ganze Plot löst schlichtweg Kopfschütteln aus: Der Zuschauer fragt sich unter anderem, wie solche Deppen es überhaupt fertig bringen konnten, so weit über die Reichsgrenzen vorzustoßen. Darüber hinaus ist das Ganze auch tricktechnisch recht flau geraten, dass nicht erst dem heutigen Zuschauer bestenfalls noch ein müdes Lächeln abgerungen wird.

Seit Anfang der 1950er gingen die Jahre des so genannten „Golden Age“ langsam, aber unaufhaltsam zu Ende. Der Mitbegründer der Pop-Ära der Filmmusik, Dimitri Tiomkin, blieb entsprechend vom sich abzeichnenden Verfall der sinfonischen Musiktraditionen im US-Filmvertonungsgeschäft und damit verbunden dem in der zweiten Hälfte der 1950er rasant nachlassenden Interesse an Hollywoods klassischer Komponistengarde etwas länger verschont als manche seiner Kollegen. Wohl nicht zuletzt, weil er sich nie an ein Studio gebunden hatte, also stets als freischaffender Komponist tätig war, stand er noch bis fast zur Mitte der nächsten Dekade gut im Geschäft. Die Vertonung von The Guns of Navarone brachte ihm sogar die absolut rekordverdächtige Gage von 50.000$ ein. Tiomkin war damals weltweit der bestbezahlte Filmkomponist.

Im Zentrum des Scores steht ein prägnantes, im Verlauf der Musik vielfach abgewandelt erscheinendes Marschthema, das im eröffnenden Prolog (mit Off-Erzähler) erst bruchstückhaft aufscheint — in dem die Vorgeschichte des nachfolgenden Kriegsdramas erläutert wird. Ein groß besetztes Orchester, mit verstärkter Besetzung von Blech und Schlagwerk (6 Schlagzeuger!), sorgt für satten Sound und betont militärische Rhythmusakzente. Besonders markant und (Tiomkin-)typisch sind dabei die mitunter wuchtigen Einsätze der beiden Klaviere. Ist die Mission gelungen, sind die Kanonen gesprengt, erklingt eine originelle Adaption von „Rule Britannia“, das auch schon zuvor vereinzelt fragmentarisch auftaucht. Zwei Song-Kompositionen, „Yassu“ und „The Legend of Navarone“, sind ausgeprägte Kinder ihrer Zeit und werden als schon etwas arg poppig anmutende Pausen- und Schlussmusik eingesetzt. Als etwas fragwürdig wirken heutzutage zudem die Ethno-Klischees. Die eingesetzten Mandolinen erscheinen wenig stimmig, verweisen eher auf Italien.

Auf die seinerzeit zum Film veröffentlichte Columbia-LP gelangten bereits einige Teile der im Film nicht oder nur teilweise verwendeten Stücke. (Die Bänder der Originaleinspielung sind nicht erhalten.) Auf der Tadlow-Einspielung bekommt man nun erstmals die komplette Musik zu hören, die Tiomkin für The Guns of Navarone komponierte, ungekürzt z. B. die lyrische Musik für „Anna“ und die Untermalung für die Überfahrt des Sabotagekommandos in „Sea Scene and Storm“.

Das City of Prague Philharmonic Orchestra ist in Sammlerkreisen dank einer Reihe von am Fließband gefertigter Einspielungen für Silva-Records für so manche arg bescheiden geratene Einspielung bekannt. Allerdings, (nicht nur) dieses Mal gibt es keinen Grund zum Klagen. Im Gegenteil! Die Prager Musiker schlagen sich äußerst wacker und umschiffen unter der Leitung von Nic Raine alle spieltechnischen Schwierigkeiten der Partitur ohne Patzer. Auch wenn Raine in Sachen Tempi gegenüber dem Original in Teilen etwas zurückhaltender bleibt, so ist das kein wirklicher Schwachpunkt. Die Musik wird sehr flüssig gespielt, der Klang ist überzeugend stereofon, dabei sehr klar und hallarm eingefangen. Es gelingt den tschechischen Musikern durchaus, das typische etwas rau und schrill anmutende „Tiomkin-Feeling“ überzeugend herüberzubringen. Wer kann, vergleiche mit der vom Royal College Of Music Orchestra unter der Leitung von Sir David Willcocks durchaus nett, aber merklich abseits des Originals eingespielten Suite (TT.: 10.33) auf dem 1985er Unicorn-Kanchana-Album „The Film Music of Dimitri Tiomkin“.

Das gilt ebenso für die unter dem Dirigat von James Fitzpatrick eingespielte knapp 11-minütige Suite zur harmlosen britischen Filmkomödie aus dem australischen Schafzüchtermilieu The Sundowners * Der endlose Horizont (1959). Diese betont folkige und leichtgewichtige Filmmusik ist für ein spürbar kleineres Ensemble gesetzt als die zum Weltkrieg-II-Epos. Diese durchaus hübsche Ergänzung des Albums wartet mit einem eingängigen liedhaften Hauptthema und viel drolligem Mickey-Mousing auf.

Als kleines, die Albumspielzeit auf fast volle 80 Minuten bringendes weiteres Extra fungiert ein zwar nicht unbedingt wertvoller, aber origineller Bonus: ein aus der Feder des jungen John Williams stammendes (im Film nicht verwendetes) Song-Arrangement des Navarone-Liebesthemas „Yassu“.

Auch wenn sie nicht ganz in die oberste Tiomkin-Liga gehört: die Navarone-Musik gibt in der vorliegenden Komplettfassung zweifellos ein sehr ansprechendes CD-Album ab. Zudem eines, bei dem die sehr saubere Präsentation der Musik noch durch ein sorgfältig gestaltetes und informatives Begleitheft (Texte von David Wishart und James Fitzpatrick) fein ergänzt wird.

Das Tadlow-Debüt kann damit als vollauf gelungen bezeichnet werden. Somit verbleibt für die von Silva Screen Records vertriebene Tadlow-Music-CD mit der Bestell-Nummer 001 mehr als eine deutliche Empfehlung. In dieser Qualität wäre durchaus eine kleine Reihe weiterer Tiomkin-Einspielungen sehr willkommen: Wie wäre es z. B. mit Duel in the Sun als TADLOW 00X?

Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tadlow Music.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Pfingsten 2007.

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Komponist:
Tiomkin, Dimitri

Erschienen:
2005
Gesamtspielzeit:
79:12 Minuten
Sampler:
Tadlow Music (Silva Screen)
Kennung:
001

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