The Adventures of Don Juan

Max Steiner: The Adventures of Don Juan
Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
2. Oktober 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

Adventures of Don Juan • Die Liebesabenteuer des Don Juan (1949) zählt zu den stärksten der späteren Filme des Australiers Errol Flynn, der 1935 mit Captain Blood zu Warners Action-Flaggschiff avancierte. Mit The Adventures of Robin Hood (1938), Dodge City (1939), The Sea Hawk (1940), They Died with Their Boots On (1942) und ebenso mit der spritzigen, wenn auch sehr freien Biografie des Boxers James J. Corbett in Gentleman Jim (1942) hat er das klassische Abenteuer- und Actionkino besonders bereichert.

Flynns Stern begann jedoch bereits in der ersten Hälfte der 40er langsam, aber unaufhaltsam zu sinken. In Adventures of Don Juan (1949) gelang es ihm ein letztes Mal, sein Publikum zu überzeugen und mitzureißen. Die sich schon damals auf seine Konstitution negativ auswirkenden Alkohol- und Drogenprobleme sind dank der geschickten Regie von Vincent Sherman gekonnt kaschiert. Zu den nachfolgenden, immerhin noch respektablen Leinwandauftritten des Stars im Abenteuergenre zählen Rocky Mountain (1950) und The Master of Ballantrae (1953). Dem Ritterspektakel The Dark Avenger • Der schwarze Prinz (1955) gelingt zwar eine recht ansehnliche Replik der Schlacht um Torquilstone Castle aus Ivanhoe (1952), es zeigt Flynn aber in stark gealtert wirkender Verfassung. Errol Flynn erlag im Jahr 1959, gerade erst 50-jährig, in Vancouver einem Herzanfall.

Die im 17. Jahrhundert angesiedelte Filmhandlung von Adventures of Don Juan stilisiert den amourösen Abenteuern zuneigenden Don Juan zum Retter der spanischen Krone bei der Verschwörung des schurkischen, macht- und kriegslüsternen Ministers Duke de Lorca (Robert Douglas). Nach turbulenten Abenteuern und einem grandiosen Duellfinale gelingt es Don Juan, der reizenden spanischen Königin Margaret (Viveca Lindfors) und ihrem einfältigen Gemahl Philipp III. (Romney Brent) den Thron zu erhalten. Der aktionsreiche Plot lebt dabei auch von einer Reihe selbstironischer Akzente, die den Film zur besonders pfiffig-schwungvollen und zugleich amüsanten Unterhaltung werden lassen.

Flynns frühere Mantel- und Degenabenteuer waren sämtlich von Max Steiners berühmtem Kollegen Erich Wolfgang Korngold vertont worden — Captain Blood, The Prince and the Pauper (1937), The Adventures of Robin Hood (1938), The Private Lives of Elizabeth and Essex (1939) sowie The Sea Hawk (1940). Im produktiven Jahr 1948 vertonte Steiner übrigens insgesamt 10 Filme. Dabei entstanden mehrere hervorragende Partituren, beispielsweise zu [url id=1513]The Treasure of the Sierra Madre[/url] und Johnny Belinda. Und zur gleichen filmmusikalischen Liga zählt auch Adventures of Don Juan. Der freundliche kleine Herr mit Brille und dicker Zigarre legte sich mächtig ins Zeug, schuf nicht nur eine seiner besten Filmvertonungen, sondern in Teilen zugleich eine Korngold-Hommage erster Güte. Steiner muss am Vertonen des Stoffes einigen Spaß gehabt haben. Das markante 6-Notenmotiv für den titelgebenden Helden kam ihm während einer längeren Autofahrt. Um nicht Gefahr zu laufen, es wieder zu vergessen, bat er seine Frau Lee, es ihm fortwährend vorzusummen. Besagtes Motiv ist in unzähligen geschickt und sehr elastisch ausgeführten, chamäleonartigen Varianten ständig wiederkehrender und bedeutender Teil der Filmmusik.

Sehr charmant ist die als Untermalung für die Liebesabenteuer des Helden dienende spanisch akzentuierte Serenade. Sie bezieht ihren Reiz sowohl aus der Qualität des melodischen Einfalls als auch aus der luftig-zarten und zugleich klangsinnlichen Instrumentierung mit Solovioline, Gitarre, Celesta, Vibraphon, Bassklarinette und Harfe über dezentem Streicherteppich. Eine überaus graziöse Musik für „Nächte in spanischen Gärten“ aus der Feder eines Wiener Gentlemans.

Für das LP-Album „Captain Blood — Classic Film Scores for Errol Flynn“ hat Charles Gerhardt — ebenso wie John Morgan & Bill Stromberg ein Verehrer des Altwiener Maestros – eine knapp 10-minütige Suite des Scores sowohl klangtechnisch als auch sehr dicht am filmischen Original orientiert optimal eingespielt. Die geschickt kompilierte Kurzfassung fasst besonders wichtige Höhepunkte dieser mit spanischem Kolorit angereicherten farbenprächtig-feurigen Abenteuerfilmmusik perfekt zusammen. Besonders eindrucksvoll ist hier die grandiose „Parade into London“ mit ihren vielfältigen Stabglockeneffekten. Dass seinerzeit für teure Produktionen auch bei der Musik nicht gekleckert wurde, belegt die üppig besetzte Schlagwerksektion des groß besetzten Orchesters, inklusive einer Batterie echter Kirchenglocken. Gitarre, Mandoline, Harfe sowie zwei Tenorhörner im ebenfalls verstärkten Blech sorgen zusätzlich für markante klangliche Färbungen. Diese festliche und in einzelnen Passagen dezent archaisierend angelegte Musik erinnert stark an Korngolds Untermalung einer vergleichbaren Szene mit Flynn in The Private Lives of Elizabeth and Essex, dem triumphalen Einzug des siegreichen Heerführers Essex in London. In Adventures of Don Juan ist dafür Szenenmaterial besagten Triumphmarsches aus dem 1939er Film wieder verwendet worden. Und auch das üppig schwelgerische und zugleich schmachtende Liebesthema für Don Juan und Königin Margaret ist hier vertreten. Im Gestus steht es beispielsweise der Liebesmusik aus They Died with Their Boots On und damit Puccinis Liebesduetten nahe. Bis heute ist Gerhardts auch klanglich erstklassige Kurzsuite nicht allein ein exzellenter Appetizer auf den Score im Besonderen, sondern auch auf Steiners Musik im Allgemeinen.

Wer mehr dieser grandiosen Filmmusik hören wollte, war bislang auf eine rund 40-minütige Kompilation auf einer Tony-Thomas-LP aus den späten 70er Jahren angewiesen. Damals wie heute dienten dieselben Azetat-Tonmaster als Vorlage, qualitativ ist der alte Transfer allerdings dem neuen, aus dem Jahr 1993 stammenden, spürbar unterlegen — man vergleiche hierzu auch mit The Big Sky. Der Käufer erhält gegenüber der LP einen deutlich saubereren und volleren Mono-Sound, der durch seine relative Frische und gute Durchhörbarkeit überzeugt. Keinesfalls kann man hier von allein noch „historisch“ sprechen. Darüber hinaus erhält der Käufer rund 30 Minuten mehr an Musikmaterial und kann diese edle Steinersche Filmkomposition damit erstmalig annähernd vollständig genießen. Das ausführliche Begleitheft wartet (im Essay von John Morgan) mit viel Information zu Film und Musik sowie schöner Bebilderung auf.

Komponist:
Steiner, Max

Erschienen:
2000
Gesamtspielzeit:
73:10 Minuten
Sampler:
BYU
Kennung:
FMA-MS 106

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