Miklós Rózsas letzter Ausflug ins Sandalen-Genre in einer exzellenten Neueinspielung
Zum 45-jährigen Bestehen des Films erschien im Jahr 2007 in Italien eine Doppel-CD-Edition mit den im C.A.M.-Archiv erhaltenen Materialien der Originaleinspielung. Infos zum Film, zur Rózsa-Musik und deren bisherigen Veröffentlichungen finden sich im Artikel zur Digit-Movies-Edition, die – zwischenzeitlich vergriffen – im vergangenen Jahr neu aufgelegt worden ist.
Die Prager Philharmoniker unter der Leitung von Nic Raine liefern im aktuellen Tadlow-Album erneut eine sehr engagierte und liebevolle Einspielung, die sich sowohl in druckvollem als auch tadellos aufgefächertem, luftigem Klang präsentiert. Auch der Prager Chor macht seine Sache ganz prima. Der jetzt erstmalig vollständig zu hörende Track „Battle Of The Dam“, präsentiert sich in der Neueinspielung beispielsweise nahezu völlig anders. So zeigt sich diese Musik nun als groß angelegte, fast viertelstündige Tondichtung von mitreißender Wirkung. Im Vergleich ist der mit 4.37 Minuten auf nur noch rund ein Drittel (!) der ursprünglichen Länge gestutzte Track der Digit-Movies-Edition ein blasser Torso. Im bislang ebenfalls unzugänglichen „Messengers Of Jehovah“ erscheinen die Stimmen, platziert auf einem schwebend-glitzernden Klangteppich aus Streicherlinien, Celesta, zwei Harfen und Vibraphon, so überzeugend mystisch entrückt. Erfreulicherweise kann jetzt auch ein Fehler in den Feststellungen zur Digit-Movies-Edition korrigiert werden: Das chorlose „La Diga – Der Damm“ ist identisch mit dem ersten Teil von Track 20 (CD 1), „The Dam–Lot’s Threat“, bei Tadlow. Die vermisste Version mit Chor findet sich zusätzlich, in Track 16 (CD 1) „The Quarry“.
Insgesamt offeriert die Neueinspielung rund 30 Minuten bislang unzugänglicher Musik. Neben dem, infolge sehr gut ausbalancierter Studiotechnik, exzellenten Klang ist es die, auch dank proper gewählter Tempi, dieser Art von (Film-)Musik so vollkommen gerecht werdende Interpretation, welche hier das hervorragende Gesamtergebnis ausmacht.
Gegenüber Ben Hur und Quo Vadis oder auch El Cid ist die Tonsprache sicher weniger glanzvoll, vielmehr betonter archaisch und wuchtig gehalten. In den qualitativ schwankenden, etwas belegt, blechern und mitunter recht hallig klingenden Tracks der Digit-Movies-Edition gehen allerdings feinere Details der Komposition eher unter. So manches habe ich da doch als etwas grobschlächtig und lärmend empfunden. Bei der Tadlow-Neueinspielung hingegen liegen die Dinge nun doch ein deutliches Stückchen anders. So detailreich und dabei im Verhältnis elegant klingend hat man Rózsas letzte Sandalenfilmkompostion eben zwangsläufig bislang noch nicht geboten bekommen: Erstmalig hört man hier jetzt in einer Art und Weise den Könner heraus, wie nie zuvor. Entsprechend wird auch erst jetzt so richtig bewusst, wie außerordentlich ambitioniert und liebevoll der Maestro auch für diesen, von ihm ja keineswegs geschätzten, letztlich einfach nur unsäglichen Film das klangliche Gewand entworfen hat. Entsprechend erscheint mir die Komposition jetzt auch noch ein Stückchen wertiger als bisher.
Originaleinspielung und/oder Neueinspielung? Im Falle von Sodom und Gomorrha bin ich nach eingehenderem Hören inklusive punktuellen Vergleichen mit der Originaleinspielung der Meinung, dass das Resultat kaum hochwertiger hätte ausfallen können. Das Team um James Fitzpatrick, Nic Raine und die Prager Philharmoniker haben bei ihren Filmmusik-Neueinspielungs-Projekten inzwischen einen derart hohen Standard erreicht, der die Bezeichnung Top-Klasse neidlos verdient. Die aktuelle Einspielung hat entsprechend derart viel vom echten Rózsa-Sound und ebenso vom Geist dieser Art von Monumental- und Sandalenfilmmusik im Gepäck, dass das Anhören eine von Wermutstropfen unbelastete, reine Freude ist. Ich denke, dass selbst Rózsa vom Resultat ähnlich angetan wäre, wie in den 1970ern von den vergleichbar vorzüglich geratenen Bemühungen Charles Gerhardts um seine Musik beim legendären RCA-Album „Spellbound – The Classic Film Scores of Miklós Rózsa“, wo er begeisterter Gast bei den Recording Sessions war.
Zwei feine Zugaben bilden eine Klammer und runden den edlen Eindruck dieses weiteren Tadlow/Prometheus-Rózsa-Sets zusätzlich ab. CD 1 wird eingeleitet vom Arrangement „Theme & Answer to a Dream“ welches der Komponist für das 1963er MGM-LP-Album „Great Movie Themes Composed by Miklós Rózsa“ erstellte – übrigens das erste Rózsa-Hit-Kompilationsalbum, welches der Maestro selbst dirigierte: als CD-Transfer erhältlich im FSM Box Set „The Miklós Rózsa Treasury“. Den Abschluss von CD 2 bildet nochmals „Answer to a Dream“. Dieses Mal arrangiert als klangschöne Konzertrhapsodie für Violine und Orchester, mit der Konzertmeisterin der Prager Philharmoniker, Lucie Švehlová, als einfühlsame wie virtuose Interpretin.
Leigh Philips hat sich um die Rekonstruktion der vollständigen Orchestermaterialien verdient gemacht. Das ansprechende Begleitheft ist versehen mit einem informativen Text von Frank K. DeWald zu Film und Filmmusik und darüber hinaus mit einigen Anmerkungen von James Fitzpatrick zu den technischen Aspekten der Albenproduktion.
Was zum Schluss von meiner Seite bleibt, ist der Wunsch, dass man sich in näherer Zukunft in entsprechender Weise doch auch noch Rózsas ansprechendem Schwanengesang auf das Fantasy-Genre, The Golden Voyage Of Sinbad (1974), – zumindest in Form einer ganz großen Suite – annehmen möge.
Fazit: Wenn es um eine Kaufentscheidung geht, bewahrheitet sich wohl auch im Fall von Sodom und Gomorrha die alte Weisheit vom Besseren als dem Feind des Guten. Sicherlich ist die Digit-Movies-Edition nach wie vor eine nette Ergänzung und gegebenenfalls auch interessante Referenz. Wer allerdings nur eine von beiden Ausgaben kaufen möchte, der kann m.E. auch ausschließlich mit der superben Neueinspielung von Tadlow/Prometheus nicht nur sehr gut leben, sondern dürfte sogar kaum etwas Entscheidendes vermissen. Erst dank der Neueinspielung wird unüberhörbar, welch gewohnt hochkarätige musikalische Untermalung Maestro Rózsa auch für dieses einfach nur unsäglich schlechte Italo-Sandalenfilmprojekt geschaffen hat. Drum gibt’s für die Rózsa-Fans an dieser Stelle eigentlich nur eines: unbedingt zugreifen!
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