Die vierteilige Doku-Reihe Setting Sail (2001) basiert auf einer hochinteressanten Idee: Sie möchte die Geschichte der Seefahrt nicht nur aus Sicht der westlichen Welt erzählen, sondern auch die bisher kaum gewürdigten großen Leistungen Polynesiens, Arabiens, Indiens und Chinas auf nautischem Gebiet einem breiten Publikum vorstellen.
Für die Musik hat Regisseur Luc Cuyvers wie schon zuvor bei Into the Rising Sun seinen Bruder Guy an Bord geholt. Stilistisch gilt dafür das bereits weiter oben zu den Kurzfilm-Scores Bemerkte: Ein wunderschön fließender melodischer Score auf hohem handwerklichen Niveau.
Vereinzelt (z. B. in „Qi Wei“) fühlt man sich auch hier stark an den wohlig warmen, dabei aber oft allzu dick auftragenden Streicher- und Hornsatz von John Barry erinnert. Dieser hat ja auch seine unbestreitbaren Reize, sofern er, wie eben in diesem Falle von Guy Cuyvers, in sparsamen Dosen verabreicht wird. Zudem stehen die als positive Stilcharakteristika des Komponisten schon angesprochenen Soli und kammermusikalischen Passagen ebenso in Setting Sail auf dem Programm, letztere hier sogar explizit in Form einer reizenden Streichquartett-Variante des Hauptthemas der vierteiligen Serie („Series Theme String Quartet“).
Der Blick der Doku auf verschiedene Kulturen ist auch musikalisch zu spüren. Die Partitur ist an vielen Stellen folkloristisch eingefärbt, jedoch – gänzlich anders als in Into the Rising Sun – vorwiegend nicht mithilfe landestypischer Instrumente. Hauptsächlich agiert das konventionelle Symphonieorchester (und hiervon einmal mehr besonders die Streicher), der asiatische und arabische Touch mancher Tracks gründet sich demnach fast ausschließlich auf Harmonik und Melodik („Imperial Visions“, „Voyage of the Dragon“, „Tai Hu Harvest“; „Arabian Sunrise“, „Fath Al Kheir“). Lediglich das Stück „Aegean Lights“ lässt auch rein von der Instrumentation nicht den geringsten Zweifel an seiner Landeszugehörigkeit aufkommen: Dort darf ein griechisches Bouzouki-Ensemble einmal so richtig „auftremolieren“ – der einzige Moment im Score, dem vielleicht ein wenig der schale Beigeschmack eines Folklore-Holzhammers anhaftet. Dasselbe traurige mediterrane Thema, das da mit so bebender Larmoyanz gezupft wird, taucht übrigens später in „Frescoes“ nochmals auf, dort jedoch in einer (meinem persönlichen Empfinden nach) angenehmeren Fassung nur für Streichorchester.
Neben diesen landesspezifischen Melodien gibt es übergeordnete Themen, die sich ebenfalls sehen und hören lassen können. Außer dem Hauptthema sind davon noch das eher klassischen Mustern folgende „Sagres Theme“ und insbesondere ein in „Scent of Time“ eingeführter, zeitlos schwebender melodischer Einfall zu nennen, von dem bei aller Schlichtheit eine ganz ungewöhnliche Anziehungskraft ausgeht.