Mad Max — Beyond Thunderdome

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
8. August 2010
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Nach dem feinen Doppelpack mit Lion of the Desert/The Message (Tadlow 008) hat James Fitzpatrick in Sachen Jarre prompt nachgelegt, mit dem wiederum als Doppel-CD-Album angelegten Mad Max — Beyond Thunderdome • Mad Max — Jenseits der Donnerkuppel (1985).

Maurice Jarre komponierte die Musik zum dritten Teil der Endzeitsaga des australischen Regisseurs George Miller, der u. a. auch für Twilight Zone — The Movie (1983), The Witches of Eastwick (1987) und ebenso für Ein Schweinchen namens Babe (1995) verantwortlich zeichnet. Miller, der mit seinem für rund 400.000 AU$ eher preiswert produzierten Kinodebut Mad Max (1979) einen Überraschungserfolg landete, konnte noch einen weiteren Erfolg verbuchen: Die spektakulären Verfolgungsjagden und sonstige Action- und Crashmomente machten den Darsteller der Titelfigur, einen bis dahin nahezu unbekannten Mel Gibson, zum Star.

Für das Sequel Mad Max 2: The Road Warrior (1981) konnte Miller bereits 4 Mio AU$ einsetzen und der dritte Teil besaß mit 12 Mio AU$ bereits ein beachtliches Budget. Den Kultstatus seiner beiden Vorgänger vermochte Mad Max — Beyond Thunderdome trotz des unübersehbar größeren Aufwandes allerdings nicht ganz zu halten. So mancher Fan stieß sich offenbar am eher augenzwinkernd angelegten, mit deutlich weniger heftigen und brutal ausgeführten Actionmomenten aufwartenden Handlungskonstrukt. Dabei ist die Story zwar sicher recht überdreht, aber zugleich sehr einfallsreich umgesetzt und ist letztlich auch dank eines tröstlichen finalen Hoffnungsschimmers besonders unterhaltend.

Im Zentrum der Handlung steht dieses Mal eine postapokalyptische Stadt. Bartertown heißt der Ort der Gesetzlosen, der überraschenderweise von einer Frau, Aunty Entity (Tina Turner), beherrscht wird — wobei die rassige Tina Turner dem Spektakel eine gehörige Portion Reiz verleiht. Ebenfalls von Interesse ist das originelle Duo Master & Blaster. Der kleinwüchsige und körperlich schwächliche, dafür allerdings hochintelligente Master ist derjenige, der mit seiner Methanproduktion aus Schweinegülle die Energieversorgung Bartertowns sicherstellt. Blaster hingegen, sein Beschützer, ist ein hühnenhafter Kerl mit dem Verstand eines Kindes. Die Filmstory speist sich anfänglich aus dem schwelenden Konflikt zwischen Aunty Entity und Master um die Macht in Bartertown. Mad Max soll das Werkzeug Auntys werden, indem er Blaster im Zweikampf in der Donnerkuppel, einer Art Endzeit-Arena, ausschaltet. Max gewinnt zwar, wird aber, da er es nicht übers Herz bringt Blaster zu töten in die Wüste verbannt. Dort rettet ihn eine Gruppe verwahrloster Kinder, für die Mad Max zur geradezu messianischen Reinkarnation eines gewissen Captain Walker wird, ein Pilot, der die Gruppe einst verließ, um Hilfe zu holen. Hier spiegelt sich klar das kurz zuvor in die Kinos gekommene zweite Indiana-Jones-Filmabenteuer Temple of Doom.

Ähnlich „over the top“ wie die recht originell umgesetzte Handlung agiert Komponist Maurice Jarre, der für den dritten Mad Max-Film eine kraft- wie glutvolle und zugleich schwelgerische Filmmusik beisteuerte, die man als bombastisch bezeichnen kann. „Bombastisch“ steht hier freilich nicht für einen mit dem Begriff meist assoziierten, eher oberflächlichen, auf Lautstärke setzenden Klangrausch, sondern für eine insgesamt sehr geschickt gehandhabte klangliche Mixtur. In der Instrumentierung sticht dabei im groß besetzten Apparat (Royal Philharmonic Orchestra inkl. Chor) ein gehöriges Maß an Extravaganz hervor und auch ins Ohr: in der gewaltigen Perkussionssektion, die von vier Schlagzeugern bedient wird, befindet sich so manches nicht zwangsläufig auf die Region der Filmhandlung fokussierendes, die Klangpalette bereichernde Effektinstrumentarium. Weiterhin treten dem Schlagwerk noch sechs Konzertflügel hinzu und sorgen für fette, absolut Jarre-typische Rhythmuseffekte. Weitere Effekte besorgen Kunststoff-Röhren, und drolligerweise findet auch ein Didgeridoo Verwendung, das traditionelle Holzblasinstrument der australischen Ureinwohner, der Aborigines. Das Didgeridoo kommt normalerweise in erster Linie bei rituellen Zeremonien zum Einsatz. Es überrascht mit seinem fremdartigen Klang, der einem äußerst vielseitig gestaltbaren rhythmischen Brummen am nächsten steht. Hinzu kommen außerdem noch eine Konzertorgel sowie Klangsynthetik in Form dreier Ondes Martenot. Wie Jarre sowohl die Elektronik als auch das Ethnische in seine Komposition einbindet, das ist im vorliegenden Score keineswegs 08/15-mäßig, sondern vielmehr inspiriert und überhaupt pfiffig geraten.

Der Franzose hat hier aus dem Vollen schöpfend eine prachtvoll-üppige und zugleich beachtlich vielseitige Filmmusik vorgelegt. Mit der leuchtkräftigen Thunderdome-Fanfare, dem jazzigen Saxophon-Thema für Aunty Entity, einem metallisch klingenden, rhythmischen Bartertown-Motiv (erzeugt von vier Ambossen, deren Sounds unterschiedlich verfremdet worden sind) sowie den ausladenden, mit ausufernden Percussions ausgestatteten Action-Sequenzen sind nur die wichtigsten Highlights aufgezählt. Dabei hält in besonderem Maße das unmittelbar ohrwurmtaugliche, melodische Thema der Kinder alles prima zusammen. Wobei Jarres Musik auch das Ironisierende im Handlungskonstrukt unterstreicht, z. B. durch die pompöse Thunderdome-Fanfare oder den grotesken Zirkusmarsch für Blasters Auftritt in der Arena („Thunderdome“).

Rechtzeitig zum 25-jährigen Jubiläum des dritten Teils der Mad-Max-Saga hat James Fitzpatrick nun erstmals den kompletten Score (knapp 84 Minuten) nebst einer Reihe von Zugaben herausgebracht. Im Jahr des Filmstarts erschien ursprünglich auf dem Capitol-Label als LP (weiterhin auch in diversen CD-Ausgaben erhältlich) eine knapp 45 Minuten umfassende Albenpräsentation der Filmmusik. Dabei waren allerdings nur rund 26 Minuten von Jarres Musik neben zwei durchaus zündenden Tina-Turner-Songs vertreten: „We don’t need another Hero“ und „One of the Thing“.

Wie James Fitzpatrick in den Producer Notes im informativen Begleitheft schreibt, hätte er gern die (irgendwie schon dazu gehörenden) Tina-Turner-Songs ebenfalls in die Edition aufgenommen, was aus rechtlichen Gründen leider unmöglich war. Diesen kleinen Kompromiss kompensieren allerdings weitgehend die auf der zweiten CD vertretenen Boni: Die Rekonstruktion des rund 26 Minuten Musik umfassenden alten LP-Schnitts funktioniert auch weiterhin sehr gut. Dieser eignet sich sowohl zum Einstieg in den kompletten Score und ebenso als feine Kurzfassung, z. B. für unterwegs. Eine Reihe von solo angehängten Overdubs geben dem Interessierten klingende Einblicke in den recht komplexen Aufbau der Klangschichtungen und schließlich ist noch die seinerzeit für das Silva-Kompilationsalbum „The Essential Maurice Jarre Film Music Collection“ mit den Prager Philharmonikern produzierte Kurz-Suite „I Ain’t Captain Walker“ vertreten.

Fazit: Mad Max — Beyond Thunderdome ist in der jetzt zugänglichen, gegenüber dem alten Albumschnitt, um rund 55 Minuten expandierten Form ein sehr rundes, hochwillkommenes Jarre-Album — etwas, das ja nicht zwangsläufig für verlängerte bzw. komplette Filmmusiken gilt. Im Jarre-Œuvre zählt dieser Score zu den letzten Arbeiten des Komponisten, die noch dem eher rauen und zugleich farbigen klassischen Jarre-Stil der 60er und 70er Jahre nahe stehen. Betrachtet man die eingesetzten Mittel, ist diese Komposition mit ihrer gepflegten Gigantomanie (Riesenorchester mit Orgel, Chor sowie insgesamt 10 Perkussionisten, davon sechs Pianisten) in jedem Fall die letzte Abenteuerfilmmusik des Franzosen, die noch einen derart großen Atem besitzt.

Zusätzlich bemerkenswert ist die vorzügliche Qualität der neuen Abmischung, deren ungemein satter, runder und transparenter Sound unmittelbar begeistert. Im Vergleich mit den bisherigen Ausgaben des Albums auf LP und CD schneidet der neue, erheblich räumlichere Ton-Mix nicht nur etwas, sondern ganz erheblich besser ab.

Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tadlow Music.

Komponist:
Jarre, Maurice

Erschienen:
2010
Gesamtspielzeit:
2-CDs, TT.: ca. 133 Minuten
Sampler:
Tadlow Music
Kennung:
TADLOW 009 (Silva Screen Records)

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