Jane Eyre

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
19. September 1999
Abgelegt unter:
CD, Hören, Score

Score

(5/6)

Jane Eyre

Wiederbegegnung mit einer Pre-Star-Wars-Musik (1971) von Williams dank Silva. Bis Mitte der siebziger Jahre war John Williams erst einer recht kleinen Fangemeinde bekannt. Geboren 1932 in New York, genoss er eine fundierte musikalische Ausbildung in Los Angeles und strebte ursprünglich eine Karriere als Konzertpianist an. 1956 kam er erstmals mit Filmmusik in Berührung, nämlich als Columbia Pictures ihn unter Vertrag nahmen. Wie Jerry Goldsmith, entwickelte und schärfte Williams seinen Sinn für Klang und Dramatik auch durch viele Arbeiten für Fernsehproduktionen, die seinerzeit noch mit äußerst bescheidenen Musikbudgets ausgestattet waren. Doch das Arbeiten für kleine und kleinste Ensembles ist auch eine Herausforderung an die Fantasie eines Komponisten.

Bis Ende der sechziger Jahre bestand sein filmusikalisches Œuvre noch fast durchgehend aus leichten Gesellenstücken für zum Teil sehr seichte B-Pictures. Seine erste Arbeit für einen Film mit größerem Budget wurde auch zum erster Meilenstein seiner Karriere: 1969 entstand die herrliche, im amerikanischen Volksidiom gehaltene, Musik zu The Reivers, Williams’ (der sich bis kurz zuvor noch Johnny Williams nannte) erstes Meisterwerk.

Die 1970 komponierte Musik zur britischen Neuverfilmung des Jane-Eyre-Romans von Charlotte Brontë (deutscher Titel Jane Eyre – Eine Frau kämpft um ihr Glück) wurde zur nächsten Bewährungsprobe, die der Komponist elegant löste. Die Jane-Eyre-Musik komponierte Williams für ein Orchester von sechzig Spielern, das zum Erreichen der vorwiegend pastoralen Grundstimmung auf den, in seinen späteren, epischen Filmusiken üblichen, großen Blechbläserapparat verzichtet, sich dafür auf Streicher und Holzbläser konzentriert. Interessantes Klangkolorit erzeugen zwei Harfen, zwei Klaviere, kleine Orgel, Gitarre sowie ein Standard- und ein elektronisches Cembalo.

Die CD beginnt mit dem romantischen „Jane Eyre Theme“, das – zugleich Liebesthema -, abwechselnd von Streichern, Klavier und Flöte getragen wird. Der anschliessende Main Title eröffnet lyrisch mit dem schicksalhaften Thornfield-Thema und schließt mit geheimnisvollen Klängen für das Waisenhaus Lowood, dessen bedrückende Atmosphäre sich im dramatisch dunklen Track „Lowood“ spiegelt. Die musikalischen Höhepunkte der CD sind „To Thornfield“ und „Restoration“. „To Thornfield“ ist ein virtuoses, gekonnt instrumentiertes Orchesterscherzo, „Restoration“ stellt das, über Streicherpizzicati zuerst vom Fagott vorgetragene, sakrale Thema für St. John vor. Sehr delikat auch „The Meeting“: das Liebesthema als Trioversion für Blockflöte, Gitarre und Viola. Die Geheimnisse Thornfields und Rochesters werden in „Grace Poole“ and „Manson’s Arrival“ und „Thwarted Wedding“ durch avantgardistische Einsprengsel symbolisiert. Williams setzt dissonante Klangflächen der Streicher ein, die von Klangfiguren der Holzbläser, Klavier, Cembalo und Harfe umrahmt werden. Sinfonisch dramatische Klänge gibt’s in „Across the Moors“ und „Reunion“ bildet den lyrisch romantischen Abschluss der Komposition. Trotz der Verwendung des barocken Cembalos ist die Musik, außer im Streichquartettsatz „Festivity at Thornfield“ (hier handelt es sich vermutlich um ein zeitgenössisches Original), nicht um das musikalische Flair der historischen Periode bemüht, sondern interpretiert die Geschichte der Waise von Lowood in einer durchweg leicht fasslichen, modern romantischen Tonsprache. Insgesamt eine sehr begrüßenswerte Wiederveröffentlichung. Leider nur im kurzen, alten Plattenschnitt, dafür aber in sehr guter, den früher erhältlichen LP-Pressungen weit überlegener Tonqualität. Ein Muss für alle Sammler, die eine repräsentative Williams-Kollektion anstreben.

Komponist:
Williams, John

Erschienen:
1999
Gesamtspielzeit:
33:49 Minuten
Sampler:
Silva Screen
Kennung:
FILMCD 204

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