In the Stream of Life

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
17. Februar 2017
Abgelegt unter:
Klassik

„In the Stream of Life“, Songs by Sibelius

Der Bass-Bariton Gerald Finley und das Bergen Philharmonic Orchestra haben mit „In the Stream of Life“ ein besonders faszinierendes Konzeptalbum zum finnischen Komponisten Jean Sibelius vorgelegt. Von seinem über 100 Titel umfassenden, reichhaltigen Liedschaffen hat Sibelius nur wenige selbst orchestriert. Vier davon sind – zusammen mit drei von anderen orchestrierten – auf dem Album vertreten. Sein Landsmann Einojuhani Rautavaara (1928–2016), langjähriger Professor für Komposition an der Sibelius-Akademie in Helsinki, hat anlässlich des Sibelius-Jubiläumsjahres 2015 nachgelegt und mit dem jetzt erstmalig auf dieser CD vorliegenden Zyklus „In the Stream of Life“ sieben weiteren Klavierliedern ein adäquates, weder zu modernes noch einfach stilkopierendes orchestrales Klanggewand verpasst.

Von den immer wieder zu lesenden „Seelenlandschaften“ in Sibelius’ Musik zeigen sich diese gerade in den Liedkompositionen auf kleinstem Raum. Der weite Bogen im Ausdruck spannt sich vom der Schubertlied-Tradition nahestehenden, meditativen (in Deutsch vorgetragenen) „Die stille Stadt“ über das impressionistisch gefärbte „I natten (In der Nacht)“, das betont lyrische „Hertig Magnus (Herzog Magnus)“ oder das gespenstisch-unheimliche Lied vom „Näcken“, einem Wassergeist, welcher sich einem Violine spielenden, hörbar ängstlichen Knaben nähert, bis zum von tiefer Melancholie und Trostlosigkeit geprägten „Jag är ett träd (Ich bin ein Baum), einer außergewöhnlichen Naturschilderung: Ein seiner Blätter beraubter Baum sehnt voll inbrünstiger Todessehnsucht sein Ende herbei.

Das norwegische Orchester erweist sich als ein exzellenter Klangkörper, der die vielfältigen klanglichen und stimmungsmäßigen Schattierungen dieser Musik vorzüglich abbildet. Sowohl die stark unterschiedlichen 14 Liedkompositionen als auch die hinzugesellten, sowohl thematisch als auch stimmungsmäßig vorzüglich dazu passenden Tondichtungen „Pohjohlas Tochter“ und „Die Oceaniden“ sowie die weniger geläufige, kleine Romanze für Streichorchester bilden ein vielschichtiges, kontrastreiches Programm voller Spannungen. Der prachtvoll eingefangene, satte Konzertklang bescheinigt zudem der Aufnahmetechnik die nötige Kompetenz.

Ein mitentscheidender Teil der starken Wirkung des Gebotenen ist neben der superb ausdifferenzierten, akzentsicheren Orchesterbegleitung der Bergener Philharmoniker aber auch dem Bass-Bariton Gerald Finley zu verdanken, welcher sich ebenfalls als ein herausragender Interpret erweist. Mit breiter Farbpalette des stimmlichen Ausdrucks: mal mit nur halber Stimme oder mit weichem piano, ebenso mit bewusst eingesetzen Schwankungen in der Intonation, dann wieder betont kraftvoll, dabei immer mit größter Präzision agierend, gelingt es ihm vorzüglich, den mitunter schnell und stark wechselnden Stimmungen der Lieder elegant den exakt stimmigen Ausdruck zu verleihen.

Mit seiner großzügigen Spieldauer von knapp 80 Minuten liegt das Album in der Länge nur noch wenig unter den heutzutage kaum mehr überschrittenen 90 Minuten für Konzertabende. Vielleicht ist auch das ein Grund mit für die besonders intensive Gesamtwirkung. Dank des hochauflösenden SACD-Formats ist auch dieses Chandos-Album, welches bereits im CD-Modus exzellent klingt, zudem für Klang- und Technikfreaks von besonderem Interesse. Ebenfalls noch erwähnenswert ist das informative Begleitheft, das neben Englisch und Französisch auch mit deutschem Text aufwartet. Außerdem sind darin sämtliche Liedtexte sowohl in der jeweiligen Originalsprache als auch in englischer Übersetzung abgedruckt. Im Ergebnis liegt hier ein hervorragendes Konzeptalbum vor, welches dem Hörer auch den weniger bekannten Lieder-Komponisten Sibelius sehr abwechslungsreich näher bringt und als ein absolutes Highlight der jüngeren Sibelius-Diskografie gelten darf.

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Komponist:
Sibelius, Jean

Erschienen:
2017
Gesamtspielzeit:
78:40 Minuten
Sampler:
Chandos
Kennung:
CHSA 5178 SACD
Zusatzinformationen:
Gerald Finley, Bass-Bariton; Bergen PO, Dir.: Edward Gardner

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