Große Freiheit Nr. 7, inszeniert von Helmut Käutner im Jahr 1944, ist besonders bei der älteren Generation durch Hans Albers als singender Seemann Hannes Kröger und das von ihm interpretierte „La Paloma“ unvergesslich. Neben dem blonden und (Agfacolor machts möglich) sichtlich blauäugigen Hans Albers sind späterhin bekannte deutsche Schauspieler mit von der Partie: Hans Söhnker, Gustav Knuth, Günther Lüders und eine, für jene Zeit ungewöhnlich locker, ja geradezu modern-sinnlich wirkende Ilse Werner — man vergleiche mit dem schnell roboterhaften Auftreten der Rökk oder gar der triefend melodramatischen Jungfräulichkeit einer Kristina Söderbaum. Auch der in seinen anderen Filmen oftmals das etwas derb draufgängerische Image „Hoppla, jetzt komm ich!“ pflegende Albers macht in dieser gelungenen komödiantischen Revue aus sanfter Melancholie und Resignation eine besonders überzeugende Figur. Er verkörpert den gebrochenen Hannes, der eine jüngere Frau an einen anderen verliert und die tiefe Zuneigung seiner Chefin Anita (einfühlsam verkörpert von Hilde Hildebrandt) nicht wirklich bemerkt.
Unleugbar hat Große Freiheit Nr. 7 mittlerweile rund 60 Jahre auf dem Buckel, ist dementsprechend spürbar ein Kind einer anderen Zeit. Doch deswegen den Film als ausschließlich tauglich fürs Seniorenkino abzutun ist m. E. voreilig. Nicht nur, dass Käutner darauf achtete, keinerlei Hakenkreuze als Bezug zur Realität jener Tage erscheinen zu lassen, verleiht dem Film eine gewisse Zeitlosigkeit. Sein Thema ist letztlich so alt und aktuell wie es Menschen gibt und solange es diese geben wird. Es geht um den Umgang der Geschlechter mit dem größten aller romantischen Gefühle: der Liebe. Dass er dabei eben nicht kernige Männer im Sinne der NS-Ideologie zeigte, sondern die Leinwand mit individuell schwächelnden und nicht frei von Neurosen agierenden Charakteren bevölkerte, ließ den Film offenbar untauglich zur Motivation der Kämpfer an der deutschen Heimatfront erscheinen. Die Uraufführung erfolgte daher am 15.12.1944 in Prag, und ausschließlich in den damals noch besetzten Gebieten kam Große Freiheit Nr. 7 zum Einsatz.
Käutner inszenierte das zeitlose Thema in Form einer melancholischen Ballade, angesiedelt im Seemannsmilieu. Es wird unterhaltsam verpackt durch komödiantische Einlagen sowie einen kräftigen Schuss Seefahrer-Romantik. Bei Letzterer kann man wohl auch ein wenig von Verbrämen sprechen — sollte aber beim Kritisieren den Unterhaltungsanspruch der Produktion nicht aus den Augen verlieren. Vor der bunten Fassade des Amüsierbetriebs des Kiez von St. Pauli inszenierte der Regisseur gekonnt die Seelenlandschaften seiner Figuren. Die „Große Freiheit“ wird dabei zur symbolträchtigen, sehnsüchtigen Vision nach dem vollkommenen zwischenmenschlichen Glück, gefolgt von der ernüchternden, schmerzlichen Feststellung, dass die große Liebe sich oftmals als trügerisch erweist. Brillant wird dies in den wehmütig-sarkastischen Songs gespiegelt: „Beim ersten mal da tuts noch weh, da glaubt man noch, dass man es nicht verwinden kann, doch mit der Zeit so peu à peu gewöhnt man sich daran.“ Und entsprechend: „Meine Braut ist die See “ oder „ denn es kann ja nichts Schöneres geben als in Hamburg ein Mädchen fürs Geld“. In der Art und Weise, wie das Thema hier angegangen wird, durch seine Typen, wirkt der Film in gewissem Sinne sicherlich auch „typisch deutsch“. Am Schluss geht Hannes Kröger von der Liebe enttäuscht wieder „auf See“, heuert wieder auf der Padua an, wo ein Platz freigeworden ist. Ironischerweise, weil ein anderer, der aus Köln stammende Matrose Karl, in Hamburg vielleicht sein Mädel fürs Leben gefunden hat
Regisseur Helmut Käutner (1908-1980), der in der Rolle des Karl höchstpersönlich kleine Gastauftritte liefert und auch am Drehbuch entscheidenden Anteil besitzt, hat offenbar zusammen mit dem Berliner Komponisten Werner Eisbrenner (1908-1981) eingehend zusammengearbeitet. Auf Käutner gehen dabei wohl die Texte beider essentiellen Schlager des Films zurück. Neben einem neuen Text für das traditionelle „La Paloma“ textete er auch das in der Aussage so zeitlos treffende, bittersüße Lied der enttäuschten ersten großen Liebe „Beim ersten Mal da tuts noch weh …“, das von Hilde Hildebrandt und auch Hans Albers (nur scheinbar) locker und frech vorgetragen wird. Eisbrenner fasste die Liedtexte in unwiderstehliche Musik. Insgesamt ist seine geschickte musikalische Untermalung zurückhaltend, auf eher knappe Musikeinsätze hin konzipiert. Durchgehend auskomponiert ist insbesondere die vom Geist des Expressionismus inspirierte, rund 6-minütige Traumsequenz.
Die Entstehungsgeschichte von Große Freiheit Nr. 7 ist ähnlich tragisch und grotesk wie die von Die Fledermaus. Die Dreharbeiten begannen im Mai 1943, an Originalschauplätzen. Sie konnten infolge der wenig später erfolgenden tagelangen, infernalischen Flächenbombardements nicht wie geplant fortgeführt werden. Man wich in die Barrandow-Ateliers nach Prag aus, wo die in der Realität bereits zerstörte, so typische Hamburger Große Freiheit liebevoll nachgestaltet worden ist. Die späteren Aufnahmen im Hamburger Hafen verlangten vom Kameramann Werner Krien äußerste Behutsamkeit und Professionalität: durften doch weder die Zerstörungen, noch die angebrachten Tarnnetze sichtbar werden. Dass sämtliche Schiffe nur die Hamburger Flagge zeigen, darf dabei wohl (zumindest unterschwellig) als für die Geisteshaltung des Regisseurs charakteristisch gelten.
Die Masse der Deutschen bekam den Film erst zu sehen, als die Kinos ab Herbst 1945, nach und nach, wieder eröffneten. Im deutschen Fernsehen tauchte der Film erstmalig 1967 auf, war allerdings in den folgenden rund zwei Jahrzehnten nur farblich stark defekt zu sehen.
Eher komisch wirken heutzutage die auch nach dem Ende der NS-Ära, speziell von kirchlicher Seite (noch wörtlich im NS-Geist) vorgebrachten „Bedenken“. So befand der „Filmdienst der Jugend“ 1948, die Wirkung des Films sei, vor allem für das jüngere Publikum, zersetzend, die Atmosphäre eindeutig außerhalb der gesunden Ordnung. Käutner machte aus der Not eine Tugend und schnitt einige „gewagte Szenen“, und so konnte der Prüfungsausschuss der katholischen Filmkommission im Jahre 1954 immerhin dazu bewegt werden, sein ursprünglich vernichtendes Urteil Klassifikation 4 (abzulehnen) in Klassifikation 3 (abzuraten) abzumildern.
Die DVD-Edition von Universum Film enthält die bereits seit Ende der 80er Jahre, wiederum aus dem Fernsehen bekannte, restaurierte und wohl auch ungekürzte Fassung. Abgesehen von, gemessen am heutzutage (digital) Möglichen, recht häufig ins Auge fallenden leichten und vereinzelt auch stärkeren Bildschäden (Kratzer, Blitze und gelegentlich Laufstreifen) ist der Bildeindruck sehr gut bis hervorragend. Vergleichbar mustergültig wie in der Operettenverfilmung Die Fledermaus erscheinen die Möglichkeiten des Agfacolor-Farbsystems genutzt. Wobei in Große Freiheit Nr. 7 eindeutig weniger gezielte Buntheit, sondern vielmehr eine im Sinne der poetisch-realistischen Filmhandlung auf ausgeklügelte Stimmungen Wert legende Farbdramaturgie im Vordergrund steht. Die farblichen Details jeder Einstellung sind sorgfältig aufeinander abgestimmt. Bevorzugt werden Pastelltöne und auch stärker auf Atmosphäre abzielende diffuse Farbeindrücke. Besondere Erwähnung verdient dabei die recht lange Traumsequenz im letzten Viertel des Films, wo auch farbliche Verfremdungen eine wichtige Rolle spielen. Der farbästhetischen Stimmigkeit verleiht die ausgeklügelte Kameraarbeit von Werner Krien ungewöhnliche Eleganz, indem übliche Schnitte vielfach durch ausgefeilte Fahrten ersetzt wurden. Beim insgesamt recht frisch und klar wirkenden Mono-Ton fällt ein deutlich schwankender, mitunter sehr deutlicher Rauschpegel auf.
Beim Bonusmaterial erscheint die Edition recht schlicht. Es gibt ausschließlich auf den Star des Films, Hans Albers, ausgerichtete Infos auf Texttafeln und ein Untermenü, in dem die wichtigsten Lieder direkt angewählt werden können. Hier wäre mehr zum Hintergrund der Produktion und natürlich auch zum Regisseur Helmut Käutner in Form einer TV-Dokumentation wünschenswert gewesen. Auch die recht grobe Unterteilung in anwählbare Kapitel verdient Kritik. Warum z. B. die Traumsequenz nicht separat anwählbar, sondern dafür ein in zwei Teile zerhaktes Segment zweier Kapitel ist, bleibt fragwürdig. Unterm Strich verdient diese erste DVD-Ausgabe des berühmten Films aber schon eine klare Empfehlung.
Große Freiheit Nr. 7 ist ein weiteres Beispiel für die Qualitäten des frühen Agfacolors und zugleich ein entdeckenswertes Produkt der Kinematografie vergangener Tage auch für den aufgeschlossenen jüngeren Filmfreund. Ein Film, bei dem man zum Erkennen und Genießen seiner Qualitäten vielleicht etwas Zeit ansetzen muss. Jedenfalls ist bei mir die Zuneigung zu Käutners Film, den ich mir bei Gelegenheit immer wieder einmal angeschaut habe, langsam aber stetig gewachsen