Enterprise

Geschrieben von:
Marko Ikonić
Veröffentlicht am:
28. März 2003
Abgelegt unter:
CD

Score

(3/6)

Mit gehöriger Verspätung ist der vierte Star-Trek-Serienableger Enterprise nun endlich auch im deutschen Fernsehen angelaufen. Die Abenteuer der neuen Crew um Captain Jonathan Archer (Scott Bakula) spielen im 22. Jahrhundert. Zu dieser Zeit, etwa 100 Jahre nach dem „ersten Kontakt“ mit den Vulkaniern und weitere 100 vor Kirk & Co., ist das ehrgeizige Projekt einer interplanetaren Föderation noch nicht einmal angedacht, und selbst der erdnächste, der Alphaquadrant, ist von Menschen noch völlig unerforscht.

Die musikalische Verantwortung für den Pilotfilm Broken Bow • Aufbruch ins Unbekannte (2001) übernahm Star-Trek-Routinier Dennis McCarthy. Er hatte schon die Pilotfolgen von Star Trek: The Next Generation (1987) und Star Trek: Deep Space Nine (1993) vertont und verfügt nach weit mehr als 200 Episoden-Musiken für alle 3 bisherigen neueren Star-Trek-Serien und einem Kinoscore (Star Trek VII: Generations) zweifellos über die nötige Weltraumtauglichkeit. Die erstmals auf Decca erschienene Soundtrack-CD zu Enterprise beginnt aber nicht mit McCarthys Musik. Stattdessen springt einem schon im ersten Track das Schreckgespenst Titelsong entgegen, das im Vorfeld des Serienstarts für größte Aufregung in der Fangemeinde gesorgt und auch seitdem kaum Befürworter gefunden hat.

Eine Star-Trek-Serie ohne schönes erhebendes Orchester-Hauptthema in der Eröffnungssequenz? Undenkbar! Ob undenkbar oder nicht, das letzte Wort in dieser Frage ist längst gesprochen. Anstatt also mit zugehaltenen Ohren zu lamentieren, sollte lieber geprüft werden, ob dieser ominöse Song – wenn es denn schon einen geben muss – wenigstens seine Aufgabe einigermaßen erfüllt. Und in der Tat, das melodisch simple, optimistisch stimmende Poprock-Lied „Where My Heart Will Take Me“ von Diane Warren (mit Reibeisencharme gesungen vom hauptberuflichen Opernsänger Russell Watson) scheint hier gar nicht mal so schlecht zu passen. Zusammen mit der Vorspannmontage, die anhand ausgewählter Bilder und zum Teil Original-Videoclips ein halbes Jahrtausend See- und Raumfahrtsgeschichte Revue passieren lässt, entsteht eine sympathische Einleitung ohne jedes Pathos. Wenn man in Broken Bow überdies erstmals sieht, wie unbedarft und vor allem unerfahren sich diese erste Garde von Weltraumforschern in ihre neue Arbeit stürzt, und von welch „normalen“ zwischenmenschlichen Problem(ch)en die kaum idealisiert gezeichneten Figuren geplagt werden, wirkt ein derart entspannter Einstieg durchaus nicht fehl am Platz.

Der eigentliche Enterprise-Score dürfte in jedem Fall weniger Anlass zu Kontroversen geben. Dennis McCarthy hat für den Serienauftakt eine kompetente orchestrale Musikuntermalung erarbeitet. Zwar ist zu jeder Zeit klar, dass es sich hier um TV-Musik der Marke Star Trek handelt, denn die von Serienproduzent Rick Berman verordnete und (nicht nur von Fans) oft beklagte „Hausregel“, die Musik möglichst atmosphärisch, unmelodisch und generell unaufdringlich zu halten, ist auch hier in Teilen Programm. Dennoch bemüht sich McCarthy redlich, einen etwas stärkeren Eindruck zu hinterlassen und mehr zu bieten als immer nur die leidlich bekannten anschwellenden Streicher- und Bläserakkorde bei Szenenwechseln, die in Verbindung mit entgeisterten Mienen der Darsteller unerwartete Handlungswendungen anzeigen und den Zuschauer über die unzähligen Werbepausen hinweg vor dem Bildschirm festhalten sollen.

Einer der Pluspunkte des Scores ist sicher das schöne Hauptthema mit leichtem Americana-Touch für Captain Archer. Ganz nett tritt es zum Beispiel in „Enterprise First Flight“ in Erscheinung. Dieser Track schafft mit einer warmen Blechbläservariante des Themas und sanften Streicher-Tremoli Aufbruchsstimmung und erwartungsvolles „Kribbeln“, eine Art Liebeserklärung an die allererste Enterprise, die Jerry Goldsmiths berühmtem Cue „The Enterprise“ aus Star Trek: The Motion Picture nicht unähnlich ist (in Zweck und erzielter Wirkung, keinesfalls natürlich in der kunstvollen Ausarbeitung). Einen großen Schritt in Richtung Easy Listening macht „Archer’s Theme“ im gleichnamigen letzten Score-Track, einer reinen Albumversion mit rockigen Beats und E-Gitarren-Einlagen. Auch ordentliche, geradlinige Actionmusik („Phaser Fight“, „Temporal Battle“ u.a.) hat McCarthys Enterprise im Gepäck. Die Grenze zwischen „geradlinig“ und „simpel gestrickt“ ist auch hier fließend, aber für TV-Musik geht das Gebotene trotz eines gelegentlichen „später Goldsmith auf Autopilot“-Feelings und einmal mehr strapazierter Holstscher „Mars“-Rhythmik in Ordnung. An einigen Stellen ist leichte Elektronikunterstützung auszumachen – klopfende oder zischende Synthie-„Rülpser“, die ebenfalls dem Repertoire Jerry Goldsmiths entnommen scheinen.

Zuweilen auftauchende hallige, von weichem Hörnerklang dominierte Bläserpanoramen rufen den Main Title von Deep Space Nine in Erinnerung. Einige Male sogar so deutlich, dass man glaubt, der Bläserchor müsse sich jeden Moment zu besagtem DS9-Thema aufschwingen. Schließlich hat auch noch der ländliche Schauplatz der spannenden Eröffnungsszene, Broken Bow im US-Bundesstaat Oklahoma, Spuren in der Musik hinterlassen: Hie und da sind dem Orchester mal typisch heimelige, mal ungemütliche, dissonant-gequälte Mundharmonikaklänge beigemischt.

Die Enterprise-CD ist mit einem zusätzlichen CD-ROM-Datentrack ausgestattet, der neben einem Live-Video des Titelsongs auch Infotafeln zu den Schauspielern, nicht aber – wie fälschlicherweise angegeben – zu den Machern der Serie enthält. Für die dort fehlenden Hintergrundinfos zum Score und seinem Komponisten entschädigt ein kurzer Text von Dennis McCarthy im Booklet.

Komponist:
McCarthy, Dennis

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
46:30 Minuten
Sampler:
Decca
Kennung:
289 470 999-2

Weitere interessante Beiträge:

Menotti: Violinkonzert etc.

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